Grant Anderson klingt am Telefon noch immer erleichtert. Kurz zuvor hatte sich Alan Eustace aus 41 Kilometern in die Tiefe gestürzt – ohne dabei zu sterben. Der Ballon, der den Google-Manager in die Stratosphäre trug, und der Raumanzug, der ihn am Leben erhielt, waren von Paragon Space Development entwickelt worden.
Die US-Raumfahrtfirma trug auch die Verantwortung für das Gesamtprojekt. «Wir hatten grosses Vertrauen in unsere Technologie», sagt Paragon-Gründer und -Geschäftsführer Anderson. «Aber man kann Risiken immer nur minimieren und nie ganz ausschliessen.»
Anders als beim Sprung des Österreichers Felix Baumgartner, dessen Rekord Eustace nun gebrochen hat, musste das Team am Boden laut Anderson keine Momente des Schreckens durchleben. Baumgartner war bei seinem Sturz aus 36 Kilometern Höhe im Oktober 2012 gefährlich ins Trudeln geraten und konnte sich nur mit Mühe stabilisieren. Eustace sei dagegen «sehr stabil gefallen», sagt Anderson zu «Spiegel Online». Eine spezielle Einrichtung zur Stabilisierung habe bei Eustace das Trudeln verhindert.
Doch die neue Bestmarke für einen freien Fall war gar nicht das Hauptziel der Aktion, sagt Anderson: «Wir wollten vor allem testen, ob unsere Methode die bessere ist.» Die unterschied sich tatsächlich deutlich von der, die Baumgartner benutzt hatte. Während der Österreicher in einer Kapsel auf seine Absprunghöhe gelangte, um dann die Tür zu öffnen und herauszuspringen, baumelte Eustace von Anfang an nur im Raumanzug unter dem Ballon. «Der Anzug war zugleich seine Raumkapsel», sagt Anderson.
Zwar betonte auch Red Bull immer wieder, dass Baumgartners Rekordsprung vor allem der Wissenschaft diene. Doch der Brausehersteller hatte einen wochenlangen PR-Zirkus um die lebensgefährliche Aktion veranstaltet und sie am Ende zu einem globalen Live-Event gemacht – was gewisse Zweifel am Forschungscharakter des Projekts weckte.
Im Vergleich dazu war es um den Stratosphären-Sprung von Alan Eustace beinahe gespenstisch still. Die Vorstellung, während der Aktion Hunderte Pressevertreter auf dem Gelände zu haben, war Anderson offenbar ein Graus. «Es ist nicht besonders nett, wenn einem bei der Arbeit ständig jemand über die Schulter schaut», sagt der Paragon-Chef. «Wir wollten bei der Entscheidung, ob wir den Start durchführen, nicht unter Druck stehen.» Auch sei es nicht primär um einen Werbeeffekt für die Firma gegangen. «Wir wollten uns auf die Technologie-Entwicklung konzentrieren.»
Anders als Red Bull ist Paragon in der Luft- und Raumfahrt zu Hause. Die Firma hat die «Dragon»-Raumkapsel des privaten Raumfahrtunternehmens SpaceX mitentwickelt. Für die US-Weltraumbehörde Nasa arbeitet Paragon nach eigenen Angaben derzeit am künftigen Astronauten-Transporter «Orion» sowie an einem künftigen Raumanzug.
Auch das Konzept für die Wohncontainer, die im Rahmen des gewagten «Mars One»-Projekts eines Tages auf dem Roten Planeten stehen sollen, stammt von Paragon. Auch die Technologie, die für Eustaces Stratosphären-Sprung verwendet wurde, soll direkt in die kommerzielle Verwendung gehen. World View Enterprises, eine Tochterfirma von Paragon, hat noch am Freitag bekanntgegeben, sich die patentierte Technologie gesichert zu haben.
Das Unternehmen will in Zukunft zahlungskräftige Touristen per Ballon in die Stratosphäre hieven. Allerdings sollen die Reisenden nicht bloss mit einem Druckanzug bekleidet losfliegen, sondern aus einer Luxus-Kapsel mit eingebauter Bar und Toilette heraus die Aussicht geniessen.
Die Erkenntnisse aus Eustaces Rekordsprung sollen die Systeme für Start und Rückholung der Kapsel, für den Ballonflug, Aerodynamik und Avionik, Missionskontrolle und Kommunikationssysteme verbessern helfen.