Bei der Einschränkung von Tabakwerbung ist die Schweiz ein Entwicklungsland. Ob auf Plakaten, an öffentlichen Veranstaltungen oder in Printmedien: In keinem anderen westeuropäischen Staat können die Zigarettenhersteller freier für ihre Produkte werben. Dies jedoch nicht mehr lange.
Gesundheitsminister Alain Berset plant im neuen Tabakproduktegesetz eine ganze Reihe von Werbeverboten. Neben den klassischen Kanälen will der SP-Magistrat den Konzernen künftig auch die Onlinewerbung auf Schweizer Websites untersagen, wie aus einem gestern veröffentlichten Newsletter des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) hervorgeht. Das Verbot geht gemäss der aktuellen Planung des Bundesrates nächste Woche zusammen mit dem Tabakproduktegesetz in die Vernehmlassung.
Die Auseinandersetzung mit der Zigarettenlobby wird für BAG-Direktor Pascal Strupler kein Spaziergang. Im Newsletter gibt sich der ehemalige Raucher kämpferisch. Jeder junge Mensch, der nicht zu rauchen beginne, sei den Einsatz für Werbeverbote wert, sagt er dort. Das Recht des Einzelnen auf ein gutes Leben sei höher zu gewichten als die Wirtschaftsfreiheit der Tabakbranche. Das Bundesgericht sei gleicher Meinung.
Fraglich ist, was das angestrebte Online-Werbeverbot in der Praxis bringt. Das BAG selbst bezeichnet das Internet als «schwer kontrollierbare» Plattform. Zahlreiche Studien aus dem Ausland bestätigen diese Einschätzung: Immer häufiger greifen Zigarettenproduzenten auf Social-Media-Websites wie Facebook oder Youtube zurück, um ihr Zielpublikum anonym und indirekt anzusprechen und so die geltenden Werbeeinschränkungen zu umgehen.
Forscher der medizinischen Fakultät der Universität Sydney haben nachgewiesen, dass Angestellte von British American Tobacco (BAT) weltweit mit ihren persönlichen Facebook-Accounts Werbung für konzerneigene Marken wie Lucky Strike oder Dunhill machten.
Forscher aus Neuseeland stellten derweil fest, dass mehr als 70 Prozent der zigarettenbezogenen Videos auf Youtube tabakfreundlich und in vielen Fällen das Werk indirekter Marketinganstrengungen der Zigarettenindustrie sind.
Laure Curt, wissenschaftliche Mitarbeiterin bei der Sektion Tabak des BAG, sagt, es existierten keine Patentrezepte gegen solche Aktivitäten: «Werbung im Internet ist nicht an Landesgrenzen gebunden.» Für die Hersteller sei Social Media attraktiv, da sie gezielt ein junges Publikum ansprechen könnten. Die Werbeformen seien extrem vielfältig. Altersschranken fehlten meist. Trotzdem wolle man es mit dem Online-Werbeverbot versuchen.
Auf Anfrage weisen die Tabakmultis den Vorwurf von sich, auf Facebook und anderen Plattformen verdeckt zu werben. Der Schweizer Ableger von BAT schreibt in einer E-Mail an die «Nordwestschweiz», das Unternehmen nutze Social Media nicht, um für seine Produkte oder Marken Werbung zu betreiben, da es unmöglich sei, das Alter der Kunden zu überprüfen. Die eigenen Websites seien nicht für Minderjährige zugänglich. Auch die Konkurrenz von Philip Morris betont, das Unternehmen betreibe keine Werbung über neue Medien. Zum Tabakproduktegesetz wollen sich die Unternehmen noch nicht äussern.