Für den Körper ist noch gar nichts gegessen, wenn der Mensch Messer und Gabel deponiert. Dann fängt die Arbeit erst an. Das Aufgenommene muss verdaut werden. Damit das geordnet vor sich gehen kann, muss der Körper Vorsorge treffen. Konkret: Platz frei machen in all den Magazinen und Verarbeitungsplätzen, wo die Bausteine der Nahrung hinkommen sollen. Und die Stoffe bereit machen, damit die Stoffe auch auseinandergenommen und verwertet werden können. Dieser Prozess muss gestartet werden, bevor sich der Mensch den Magen vollgestopft hat.
Dafür hat der Körper eine Art Schalter. Ein Protein mit dem komplizierten Namen Farnesoid X Receptor, abgekürzt FXR. Er wird umgelegt, sobald sich der Mensch an den Tisch setzt – metaphorisch. Wir kennen das Körpergefühl, wenn wir in Erwartung einer feinen Mahlzeit Speichel fliessen lassen. Im Verdauungsapparat wird dann vor allem Galle aus der Leber gepumpt. Aber der Körper reguliert auch seine Blutzuckerwerte und intensiviert die Verbrennung von Fetten.
Alles höchst erwünschte Prozesse, wenn es um die Reduzierung erhöhten Körpergewichts geht. Die pharmazeutische Industrie hat FXR schon lange entdeckt und nicht nur in Schlankmacherpillen gesteckt, sondern auch in Medikamenten gegen Adipositas, Diabetes und andere Stoffwechselkrankheiten angewendet.
Das Problem ist, wenn der Stoff im Blutkreislauf kursiert, hemmt er zwar den Appetit, aber er stört Prozesse in anderen Organen und verursacht viele unerwünschte Nebenwirkungen. Ronald Evans, Direktor des Labors am Salk Institut, das sich mit der Genexpression beschäftigt (wann und warum werden Gene «eingeschaltet»?) und sein Team experimentierten mit einer neuen Pille namens «Feraxamin». Im Unterschied zu den Appetitzüglern soll sie nicht in den Blutkreislauf geraten, sondern im Darm bleiben. Dort funktioniert sie «wie eine imaginäre Mahlzeit», sagt Evans. «Sie sendet die gleichen Signale aus, wie wenn man eine Menge Nahrung aufgenommen hätte.» (Nature Medicine, 5. Januar 2015)
Weil der Wirkstoff im Darm bleibt, bleiben die Nebenwirkungen begrenzt. Und die Pille funktioniert trotzdem, wie Experimente an Mäusen gezeigt haben. Übergewichtige Mäuse nahmen nicht mehr zu, verloren Fett und hatten bessere Blutzucker- und Cholesterinwerte als unbehandelte. Eine leicht erhöhte Körpertemperatur deutet auf einen angeregten Stoffwechsel hin. Evans vermutet, dass «Feraxamin» besser ist als FXR im Blut, weil die natürliche Reihenfolge eingehalten wird, in der der Körper auf Nahrungsaufnahme reagiert. «Wir haben den Startläufer losgeschickt,» sagt er, «jetzt läuft es ganz normal ab. Schickt man alle Läufer einer Staffel gleichzeitig los, wird es nie eine Stabübergabe geben.»