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Kanzler Kurz kündigt nach Skandal-Video von Strache Neuwahlen an

epa07582303 Austrian Chancellor Sebastian Kurz holds his speech manuscript after announcing new elections in Austria on a statement in Vienna, Austria, 18 May 2019. Austrian Vice Chancellor Strache on ...
Vorgezogene Wahlen zum schnellstmöglichen Zeitpunkt: Kanzler Kurz bei seiner Medienkonferenz. Bild: EPA/EPA

«Genug ist genug» – Kanzler Kurz lässt Koalition mit FPÖ platzen und kündigt Neuwahlen an

18.05.2019, 21:15
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Eine Woche vor der Europawahl ist die rechtskonservative Regierung in Österreich zerbrochen. Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) kündigte die Koalition mit der rechtspopulistischen FPÖ auf.

Er habe Bundespräsident Alexander Van der Bellen vorgeschlagen, «vorgezogene Wahlen in Österreich durchzuführen – und zwar zum schnellstmöglichen Zeitpunkt», sagte Kurz am Samstag in Wien.

«Schonungslose Aufklärung»

Van der Bellen trat um 20.35 Uhr vor die Medien. Der Bundespräsident fand deutliche Worte: Er sprach von «beschämenden Bildern» und «Respektlosigkeit». «So sind wir nicht. So ist Österreich einfach nicht.» Er nahm Kurz' Vorschlag von Neuwahlen zum nächstmöglichen Zeitpunkt an. Jetzt sei «schonungslose Aufklärung» geboten, um das Vertrauen der Bevölkerung wiederherzustellen.

OESTERREICH: ZU APA0051 VOM 18.5.2019 - Bundespraesident Alexander Van der Bellen am Samstag, 18. Mai 2019, waehrend eines Presse-Statements zur Regierungskrise in der Praesidentschaftskanzlei in Wien ...
«Beschämenden Bilder»: Bundespräsident Van der Bellen.Bild: APA/APA

Auslöser der Regierungskrise ist ein Video, das zeigt, wie FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache einer vermeintlichen russischen Oligarchin 2017 auf Ibiza öffentliche Aufträge und Aussicht gestellt hatte, wenn sie der rechtspopulistischen FPÖ zum Wahlerfolg verhelfe. Strache trat am Samstag als Vizekanzler und FPÖ-Chef zurück.

ABD0069_20190518 - WIEN - OESTERREICH: ZU APA0051 VOM 18.5.2019 - Vizekanzler Heinz Christian Strache (FPOE) waehrend einer Pressekonferenz zur Zukunft der Koalition nach dem Veroeffentlichen des &quo ...
Rücktritt nach Skandal-Video: FPÖ-Chef und Vizekanzler Strache. Bild: APA

«Genug ist genug»

Doch Kurz reicht dies nicht. «Genug ist genug», sagte der Regierungschef. Die FPÖ schade dem Reformprojekt seiner Regierung. «Sie schadet auch dem Ansehen unseres Landes.» In den Gesprächen, die er mit der FPÖ geführt habe, habe er nicht den Eindruck gewonnen, dass die Partei zu grundlegenden Veränderungen bereit sei. «Das wäre (...) mehr als nur notwendig.»

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Er könne nun versuchen, die Macht aufrecht zu erhalten, indem er Köpfe austausche. Er könne einen «fliegenden Wechsel zur Sozialdemokratie» anstreben. «Ich bin davon überzeugt, dass beides nicht das ist, was unser Land braucht», sagte Kurz aber. Er wolle weiter für Österreich arbeiten - und zwar «mit der Unterstützung der Mehrheit der Bevölkerung».

Derzeit fehle es aber an Partnern: «Ich glaube, dass das derzeit mit niemandem möglich ist», so Kurz. Die FPÖ könne dies nicht, die Sozialdemokraten teilten seine inhaltlichen Zugänge nicht.

Strache: Es war ein Fehler

Strache hatte sich für sein in dem Video dokumentiertes Verhalten entschuldigt, aber betont, dass es keine illegalen und rechtswidrigen Vorgänge gegeben habe. «Ja, es war dumm, es war unverantwortlich und es war ein Fehler», räumte Strache ein.

Zugleich sprach er von einem «gezielten politischen Attentat» und einer «geheimdienstlich inszenierten Lockfalle». Er werde alle medienrechtlichen und strafrechtlichen Mittel dagegen ausschöpfen.

«Es war eine besoffene Geschichte und ich war in einer intimen Atmosphäre verleitet, auch unreflektiert und mit lockerer Zunge über alles und jedes zu polemisieren. Und ja, meine Äusserungen waren nüchtern gesehen katastrophal und ausgesprochen peinlich», sagte Strache.

Statement mehrmals verschoben

Kurz hatte im Laufe des Tages mehrfach ein erwartetes Statement verschoben. Eine Krisensitzung im Kanzleramt war zeitweise begleitet von lautstarken Protesten mehrerer Tausend Demonstranten, die eine Neuwahl forderten.

Die österreichische Nachrichtenagentur APA hatte berichtet, eine Einigung von ÖVP und FPÖ auf eine Fortsetzung der Koalition sei an einer Personalie gescheitert. Die ÖVP soll von der FPÖ die Absetzung von Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) verlangt haben, um ihr ehemaliges Kernressort wieder selbst zu übernehmen. Die Koalition aus ÖVP und FPÖ regiert seit 2017.

Aufträge für Wahlhilfe

In Deutschland riefen die Turbulenzen im Nachbarland heftige Reaktionen hervor. Die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer sagte, das brisante Video zeige, dass Rechtspopulisten in Europa, egal in welchem Land, bereit seien, das Interesse ihres Landes für ihr eigenes Wohlergehen zu verkaufen. SPD-Chefin Andrea Nahles hielt CDU/CSU im «Spiegel» vor, seit Monaten am rechten Rand zu lavieren, um dort noch Stimmen einzusammeln.

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Das von «Spiegel» und «Süddeutscher Zeitung» verbreitete Video aus dem Jahr 2017 zeigt Strache im Gespräch mit einer angeblichen russischen Oligarchin. Dabei geht es unter anderem um die Idee, die Frau solle die auflagenstärkste Zeitung Österreichs, die «Kronen Zeitung», erwerben, die FPÖ publizistisch fördern und im Gegenzug öffentliche Aufträge erhalten.

(dhr/sda/dpa)

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67 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Dan Rifter
18.05.2019 21:29registriert Februar 2015
Jetzt stell sich einer den Skandal und die Konsequenzen vor, wenn ein Vizekanzler eine Neonazi-Vergangenheit hätte..

Oh..
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Clife
18.05.2019 21:20registriert Juni 2018
Eine Schande für jedes demokratische Land. Wie kann man das eigene Land nur so dermassen verkaufen? Ehrenlos und hinterlistig...
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Smeyers
18.05.2019 21:36registriert August 2017
Respekt vor dem Bundeskanzler Kurz 👍
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