Letzte Woche wurde bekannt, dass ein Mitarbeiter von Sebastian Kurz' Regierung eine Festplatte schreddern liess. Laut Österreichs Ex-Kanzler nur ein ganz «üblicher Vorgang», ein Mitarbeiter seiner Partei habe nur seine Pflicht getan.
Neue Videoaufnahmen des österreichischen «Falter» zeigen nun aber, dass das nur die halbe Wahrheit ist.
Ein paar Tage nach der Aufdeckung der Ibiza-Affäre kommt ein mysteriöser Kunde in einen Wiener Aktenentsorgungsbetrieb namens Reisswolf. Der Kunde lässt fünf Festplatten schreddern. Aber offenbar reicht ein Mal nicht aus. Ein zweites und drittes Mal lässt er die Überreste durch den Vernichter laufen. Während dem Prozess ist er anwesend und nimmt die pulverisierten Überreste mit. «Walter Maisinger» sei sein Name, sagt er, und lässt die passende E-Mail-Adresse in die Besucherliste eintragen. Die Firma: «Privat.»
Das Problem: Der junge Mann heisst nicht Walter Maisinger, sondern Arno M. und ist Social-Media-Chef des österreichischen Kanzleramts.
Das seltsame Gebaren des jungen Mannes hinterliess bei den Mitarbeitern von Reisswolf einen bleibenden Eindruck. So heisst es im Protokoll des Entsorgungsbetriebs:
Und Siegfried Schmedler, der Chef der Firma, erklärt gegenüber dem «Falter», dass das Verhalten «absolut unüblich» sei. Die Rechung von 76 Euro und 45 Cent bleibt wochenlang unbezahlt.
Fünf Tage nach dem Schreddern wird Kanzler Kurz in einem Misstrauensvotum abgewählt. Die Mitarbeiter von Reisswolf verfolgen die Abschlussrede im Fernsehen. Und erkennen hinter Sebastian Kurz «Walter Maisinger». Schmedler erstattet Anzeige bei der Polizei:
Der Fall wird nun von der Sonderkommission «Ibiza» untersucht, die im Auftrag der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ermittelt. Ausserdem hat Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein eine interne Untersuchung angeordnet.
Und was meint das Bundeskanzleramt in Wien? Gegenüber dem «Spiegel» heisst es: «Die Löschung bestimmter sensibler, nicht dem Bundesarchivgesetz unterliegender Daten entspricht der üblichen Praxis bei Regierungswechsel.» Und: «Aufgrund laufender Ermittlungen [werden] derzeit keine weiteren Angaben [gemacht].»
Das Fazit des «Falter»-Chefredaktors Florian Klenk: «Was also bleibt? Eine Staatsaffäre? Eine Posse? Ein Sittenbild der Republik und des Kabinett Kurz ist diese Causa allemal.» (jaw)