Der abgetretene österreichische Kanzler Sebastian Kurz macht kurzen Prozess: Er tritt von sämtlichen Ämtern, die er noch innehat, zurück. Dies berichtet die «Krone».
Demnach habe der Entscheid mit der kürzlichen Geburt seines Sohnes zu tun. Es «habe Klick gemacht», als er ihn sah, schreibt die Zeitung. Kurz trat um 11.30 Uhr vor die Medien: «Wenn man auf einen prägenden Lebensabschnitt zurückblickt (...) und vor allem eins empfindet, nämlich Dankbarkeit (...), darf man sich sehr glücklichen schätzen.»
Und weiter: Die Geburt des eigenen Kindes toppe alles, was man je zuvor erlebt habe. «So ein kleines Baby kann man stundenlang anschauen.» Dieses Wunder sei etwas Einzigartiges. Auch seine zwei Wahlerfolge werde er niemals im Leben vergessen. «Wenn ich heute den Abschied aus der Politik nehme, möchte ich noch einmal betonen (...), dass es wichtig ist, dass es eine starke Volkspartei gibt.»
Dann, bevor er das Podium verlässt, sagt er: «Ich werde in den nächsten Wochen eine geordnete Übergabe all meiner Aufgaben absichern.» Für ihn beginne ein neues Kapitel. «Vor allem freue ich mich darauf, Zeit mit meinem Kind und meiner Familie zu verbringen.» Im neuen Jahr widme er sich beruflich neuen Aufgaben. «Es war mir eine grosse Ehre, der Republik zehn Jahre dienen zu dürfen.»
Vor gut zwei Wochen hatte Kurz seinen Schutz vor den Korruptionsermittlungen verloren. Das Parlament hob am 18. November einstimmig die Immunität des konservativen Politikers auf. Kurz und seine ÖVP hatten den Schritt unterstützt, um die rasche Aufklärung der Vorwürfe zu ermöglichen.
Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ermittelt gegen Kurz und einige enge politische Mitstreiter wegen des Verdachts der Untreue. Nachdem am 6. Oktober Hausdurchsuchungen unter anderem im Bundeskanzleramt, in der ÖVP-Zentrale und im Finanzministerium stattgefunden hatten, war Sebastian Kurz als Bundeskanzler zurückgetreten.
Kurz galt lange Zeit als politischer Superstar der Konservativen in Europa. Er startete seine politische Karriere auf Bundesebene 2011 als Staatssekretär für Integration. Mit 27 Jahren wurde er 2014 jüngster Aussenminister in der Geschichte Österreichs. 2017 gelang ihm der Sprung an die Regierungsspitze. Kurz wurde Kanzler einer Regierungskoalition aus ÖVP und rechter FPÖ.
Für die Beteiligung der Rechtspopulisten an der Regierung wurde Kurz vielfach kritisiert. Nach dem Ende der Koalition in Folge der Ibiza-Affäre kam es zu Neuwahlen. Seit Anfang 2020 war Kurz Kanzler eines Bündnisses von ÖVP und Grünen.
Zu seinen politischen Markenzeichen gehörte seine grosse Bürgernähe und sein vehementes Eintreten für eine restriktive Migrationspolitik. Seine politische Kommunikation war geprägt von sehr klaren Ansagen. Jahrelang war Kurz ausserordentlich populär.
Seit die Staatsanwaltschaft im Mai Ermittlungen gegen Kurz aufnahm, begann sein politischer Stern zu sinken. Vorläufiger Tiefpunkt waren Hausdurchsuchungen im Bundeskanzleramt und in der ÖVP-Zentrale im Oktober, nach denen Kurz als Regierungschef zurücktrat.
(aeg)
Prognose: In den kommenden Tagen werden irgendwelche neuen Enthüllungen aus der Staatsanwaltschaft durchsickern, welche wohl, nun ja, ziemlich definitiven Charakter haben werden.