Wer gestern die Anhörung von Michael Cohen von Anfang bis zum Ende geschaut hat, brauchte viel Geduld. Über fünf Stunden wurde Trumps ehemaliger Anwalt mit Fragen durchlöchert. Diese ähnelten sich im Verlaufe der Anhörung denn auch immer mehr, wodurch die Veranstaltung einen leicht repetitiven Charakter erhielt.
Die demokratischen Abgeordneten hakten immer wieder bei den Russland-Connections nach und versuchten, wohl vergeblich, eine Smoking Gun zu finden, die Trump aus dem Amt jagen könnte. Die Republikaner ihrerseits wurden nicht müde darauf hinzuweisen, dass Cohen eine lange Geschichte als Betrüger und Lügner hat, und wollten so seine Glaubwürdigkeit untergraben.
Mehrmals wurde gar der Verdacht geäussert, Cohen habe das öffentliche Hearing nur aus finanziellen Gründen durchgeführt. Schliesslich würden dem ehemaligen Trump-Adjutanten lukrative Buchverträge winken. Kurz: Nach etwa der ersten Stunde der Anhörung war das Wesentlichste gesagt.
Doch das Ausharren vor den Bildschirmen lohnte sich. Denn ganz zum Schluss, als Cohen noch einmal das Wort ergriff und zum Schlussstatement ansetzte, da war die Spannung in der Show, und eine solche war es letzten Endes, plötzlich zurück. Cohen wählte seine vielleicht deutlichsten Worte der Anhörung ganz zum Schluss. Ganz im Wissen, dass diese besonders viel Nachhall finden werden.
Er habe wegen seiner Loyalität zu Trump alles verloren, begann Cohen, «mein Familienglück, Freundschaften, mein Anwaltspatent, meine Firma, meinen Lebensunterhalt, meine Ehre, mein Ruf und bald meine Freiheit». Er werde nicht erlauben, dass Trump dasselbe mit dem Land macht wie mit ihm.
Und dann stiess er diese eine Warnung aus, welche nicht nur in den Vereinigten Staaten, sondern auf der ganzen Welt für Angst sorgen muss:
COHEN closes with this disconcerting thought: "Given my experience working for Mr. Trump, I fear that if he loses the election in 2020, that there will never be a peaceful transition of power." pic.twitter.com/nm0EvAxAck
— Aaron Rupar (@atrupar) 27. Februar 2019
Zur Erinnerung: Cohen gehörte während rund zehn Jahren zum innersten Machtzirkel der Trump-Familie. Kaum einer dürfte den Präsidenten der Vereinigten Staaten besser kennen als er, dies wurde während der gestrigen Anhörung nochmals deutlich. Wenn dieser Mann, der für Trump über Jahre hinweg «eine Kugel genommen» hätte, wie er einst sagte, eine solche Aussage macht, dann müssen alle Alarmglocken klingeln.
Nun sind die Wahlen 2020 noch weit weg. Und keiner kann zu diesem Zeitpunkt prognostizieren, ob Trump noch einmal ins Oval Office gewählt wird. Die Resultate aus den Midterms geben den Demokraten zwar einigen Anlass zur Hoffnung, doch dass Trump niemals abgeschrieben werden darf, hat uns die Vergangenheit gelehrt.
Sollte Trumps Präsidentschaft an den Wahlurnen 2020 aber tatsächlich zu Ende gehen, droht dann ernsthaft Gewalt und Zerstörung, so wie es Michael Cohen gestern impliziert hat?
Die Antwort ist: Ja.
Vielleicht wird Trump nicht direkt zur Gewalt aufrufen. Doch der Präsident hat in seinen zwei Jahren als Präsident Unmengen Hass geschürt, was bereits fatale Konsequenzen gehabt hat. Die Amokfahrt von Charlottesville, das Shooting von Pittsburgh oder die Rohrbomben an CNN und ehemalige demokratische Präsidenten sind nur drei Beispiele dafür, was Trump mit seiner Rhetorik anrichten kann.
Man muss kein Hellseher sein, um vorauszusagen, dass der Präsident im Falle einer Abwahl den Ton nochmals deutlich verschärfen würde. Bereits mehrfach hat er durchblicken lassen, dass er das Resultat nicht einmal akzeptieren würde. Erst Anfang dieser Woche wärmte der 72-Jährige seine Theorie wieder auf, wonach in den USA Millionen ungültige Stimmen abgegeben würden. Bereits während des Wahlkampfes 2016 kokettierte Trump mit dem Thema Wahlbetrug und schon damals wollte er sich nicht klar dazu äussern, ob er eine Niederlage gegen Hillary Clinton annehmen würde.
Michael Cohen hat gestern Trump mit seinen Aussagen wohl nicht zu Fall bringen können. Das wird vielleicht dereinst das Gericht im Southern District of New York, das gemäss Cohen derzeit höchst brisante Geschäftspraktiken des Präsidenten untersucht, oder Robert Mueller tun. Doch der ehemalige Anwalt, auf den nun drei Jahre Haft warten, hat der Welt vor Augen geführt, dass die Trump-Organisation nichts anderes als ein grosser Mafia-Clan ist.
Über 500 Mal habe er eine Person oder ein Unternehmen im Auftrag für den Präsidenten bedrohen müssen, gab Cohen gestern zu. Es gehe Trump nur darum, am Ende zu gewinnen. Das Ego des Präsidenten sei so gross, dass er bei einer Auktion einen Fake-Bieter habe organisieren müssen, damit ein Porträt Trumps zum höchsten Preis versteigert wurde.
Eine Niederlage an der Urne 2020 wäre für Trump daher der grösste Albtraum überhaupt. Das amerikanische Volk hat 2016 mit seiner Wahl eine Handgranate ins Weisse Haus geworfen, gut möglich, dass sie bei einer Abwahl explodieren und eine Kettenreaktion auslösen würde.
Klar ist: Auch wenn Trump an der Urne oder schon vorher von Mueller oder einem Gericht aus dem Amt gejagt wird, Ruhe wird in den USA so schnell keine einkehren.