International
Analyse

Trump und der britische Botschafter: Der Skandal belastet Boris Johnson

epa07704643 (FILE) - British Foreign Secretary Boris Johnson (L) walks with British Ambassador to the United States Sir Kim Darroch (R) following a meeting on Capitol Hill in Washington, DC, USA, 08 N ...
Der damalige Aussenminister Boris Johnson mit Botschafter Kim Darroch im November 2017 in Washington.Bild: EPA
Analyse

Die Botschafter-Affäre entlarvt die britische Abhängigkeit von den USA

Der britische Botschafter in den USA hat Donald Trump als «unsicher» und «inkompetent» bezeichnet. Nun trat er zurück und zog damit die Konsequenzen aus der fehlenden Unterstützung durch Bald-Premierminister Boris Johnson.
10.07.2019, 19:5811.07.2019, 08:56
Mehr «International»

Sir Kim Darroch ist ein Top-Diplomat. Der aus einfachen Verhältnissen stammende Engländer hat eine Bilderbuchkarriere absolviert, mit dem Botschafterposten in Washington als Höhepunkt. Dort war er gemäss Politico bekannt für seine geistreichen Bemerkungen und für aufwändige Partys in seiner Residenz, bei denen sich ranghohe Mitglieder der Trump-Regierung häufig blicken liessen.

Am Mittwoch trat Darroch von seinem Posten zurück. Er zog die Konsequenzen aus der Kontroverse um interne Einschätzungen, die die Zeitung «Mail on Sunday» publik gemacht hatte. Darin beschrieb der Botschafter die US-Regierung als «dysfunktional, unberechenbar, zerstritten, diplomatisch ungeschickt und unbeholfen». Donald Trump selbst sei «unsicher» und «inkompetent».

Insider in Washington waren von den Enthüllungen nicht überrascht. Eine der Trump-Regierung nahe stehende Person sagte zu Politico, dass «viele im Weissen Haus genau diese Dinge sagen». Der Botschafter habe sie wohl von ihnen erfahren. Ausserdem gehört es zu den Aufgaben eines Diplomaten, in der Öffentlichkeit diplomatisch aufzutreten, intern aber Klartext zu sprechen.

Trumps Wutorgie

Der dünnhäutige US-Präsident reagierte, wie von ihm zu erwarten war. Er setzte zu einer Wutorgie auf Twitter an und bezeichnete Kim Darroch als «irren Botschafter», «sehr dummen Kerl» und «aufgeblasenen Trottel». Auch Noch-Premierministerin Theresa May bekam ihr Fett weg: Sie habe bei den Brexit-Verhandlungen ein «Chaos» angerichtet, statt auf ihn zu hören, meinte Trump.

In London fielen die Reaktionen unterschiedlich aus. Während Trump-Bewunderer wie Nigel Farage und der Fernsehmoderator Piers Morgan die Absetzung des Un-Diplomaten forderten, erklärte ein Sprecher von Theresa May, Sir Kim geniesse die «volle Unterstützung» der Premierministerin. Er sei «ein pflichtbewusster, respektierter Regierungsbeamter».

Deutlicher äusserte sich Darrochs Vorgesetzter, Aussenminister Jeremy Hunt. Er liefert sich mit seinem Vorgänger Boris Johnson einen Zweikampf um den Vorsitz der Konservativen Partei und damit auch um die Nachfolge von May in Downing Street Nr. 10. Nun bezeichnete er Trumps Bemerkungen als «respektlos und falsch gegenüber unserer Premierministerin und meinem Land».

Im Fernsehduell mit Johnson am Dienstag legte Hunt nach, während Johnson, der keinen überzeugenden Eindruck hinterliess, ein Bekenntnis zum Botschafter vermied. Er meinte nur, Donald Trumps Twitter-Attacken seien «nicht unbedingt richtig» gewesen. Beobachter interpretierten die fehlende Unterstützung durch Johnson als Grund für Darrochs Rücktritt.

Der frühere Londoner Bürgermeister gilt als Trumps Favorit für die May-Nachfolge. Bei seinem Staatsbesuch in Grossbritannien im Juni hatte sich der US-Präsident auf eine Weise in die britische Innenpolitik eingemischt, die man freundlich formuliert als grenzwertig bezeichnen muss. Und illustrierte damit das Dilemma der britischen Regierung nach dem angestrebten EU-Austritt.

Sie will sich von den «Fesseln» der EU-Mitgliedschaft befreien und riskiert, in eine noch grössere Abhängigkeit von den USA zu geraten. Dabei ist die viel gerühmte «Special Relationship» für Kritiker schon heute eine ziemlich einseitige Angelegenheit, bei der die Amerikaner die Richtung vorgeben. Dies könnte sich verstärken, etwa beim angestrebten Freihandelsabkommen.

Johnson im Dilemma

Für Brexit-Befürworter ist es ein Meilenstein in die vermeintlich glorreiche Zukunft. Allerdings enthält es Stolpersteine. Die USA dürften auf die Einfuhr von Hormonfleisch und mit Chlor behandelten Hühnern nach Grossbritannien drängen. Selbst eine Öffnung des staatlichen Gesundheitsdienstes NHS steht zur Debatte – für viele Briten eine strikte «rote Linie».

Das bringt Boris Johnson in eine ungemütliche Lage. Er dürfte trotz des schwachen Debatten-Auftritts von den Tory-Mitgliedern zum Vorsitzenden und neuen Regierungschef gewählt werden. Liefert er den von ihnen ersehnten «harten» Brexit am 31. Oktober, braucht er fast zwingend ein Abkommen mit den Amerikanern. Das aber könnte die britische Bevölkerung erneut tief spalten.

Bereits wird spekuliert, dass seine Amtszeit noch kürzer ausfallen könnte als jene der glücklosen Theresa May. Als besonders standhaft hat sich Johnson bislang nicht erwiesen. Zweimal rannte er vor der Verantwortung davon: Als es um die Nachfolge von David Cameron ging sowie als Aussenminister, nachdem May ihren letztlich gescheiterten Brexit-Plan vorgestellt hatte.

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Boris Johnson
1 / 10
Boris Johnson
Boris Johnson: Ob der Konservative ahnt, worauf er sich da eingelassen hat?
quelle: x02954 / neil hall
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Was hält die Jugend vom Brexit?
Video: srf
Das könnte dich auch noch interessieren:
18 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
NocheineMeinung
10.07.2019 21:42registriert Juni 2018
Da tat einer seine Arbeit genau so, wie es von ihm erwartet wurde, und dann muss er gehen.

Dass Politik ein Dreckgeschäft sein kann, ist offensichtlich, hier wird aber klar welche Akteure dreckig spielen.

Es gilt das Recht des Stärkeren, leider.
1634
Melden
Zum Kommentar
avatar
DieFeuerlilie
10.07.2019 22:21registriert März 2017
Dass Kim Darroch zurücktreten wird, war voraussehbar. Denn nach bekannt werden seiner -korrekten- Zusammenfassung über die Trumpadministration und deren Chef, dem Commander in cheat (...), war leider klar, dass ihm niemand mehr seine diplomatische Freundlichkeit abnehmen würde.
Sein Rücktritt war somit das einzig richtige für sein Land.

Aber.. wenn ich «sehr dummen Kerl» und «aufgeblasenen Trottel» lese, dann denke ich nicht an den britischen Diplomaten.
Diplomatisch ausgedrückt..
1183
Melden
Zum Kommentar
avatar
Max Dick
10.07.2019 21:15registriert Januar 2017
Diese Abhängigkeit trifft nicht nur auf Grossbritanien zu. Das hätte sich kein EU-Land (und auch sonst nur wenige der Welt) leisten können, den Botschafter nach so etwas in Washington zu lassen. Manchmal wird muss man eben die Konsequenzen tragen, wenn etwas internes an die Öffentlichkeit kommt, auch wenn man zu 100% richtig liegt.
8718
Melden
Zum Kommentar
18
Mann zündet sich bei Trump-Prozess selbst an – war möglicherweise Verschwörungstheoretiker

Während des laufenden Strafprozesses gegen Ex-Präsident Donald Trump hat sich ein Mann in einem Park vor dem Gerichtsgebäude in New York selbst angezündet. Der Mann habe sich mit einer Flüssigkeit übergossen und angezündet, berichteten unter anderem die «New York Times» und CNN übereinstimmend, CNN zeigte zudem Live-Bilder. Die umstehenden Menschen hätten geschrien und versucht, zu helfen.

Zur Story