Der Fachbegriff ist natürlich englisch und lautet: «asset inflation». Was man unter dieser Vermögensaufblähung versteht, verdeutlicht folgendes Beispiel:
In den Neunzigerjahren kaufte Donald Trump in Bedford, einer Kleinstadt im Bundesstaat New York, eine herrschaftliche Liegenschaft für rund 8 Millionen Dollar. Über die Jahre hinweg nahm der Wert dieser Liegenschaft kontinuierlich zu. Bei seinem Amtsantritt musste Trump sein Vermögen zumindest in groben Umrissen bekannt geben. Den Wert der besagten Liegenschaft gab er im Bereich zwischen 25 und 50 Millionen Dollar an.
Allein diese Wertsteigerung ist beachtlich. Erstaunlich jedoch ist der Wert, den Trump im Jahr 2012 gegenüber Banken und Versicherungen aufgeführt hat: 291 Millionen Dollar und ein paar Zerquetschte! Das geht aus den Unterlagen hervor, die Trumps ehemaliger Fixer, Michael Cohen, am Mittwoch dem House Committee on Oversight and Reform eingereicht hat.
Nur eine Hyperinflation hätte eine solche Zahl rechtfertigen können. Eine solche Hyperinflation hat es jedoch nicht gegeben. Warum hat Trump den Wert also auf eine derart groteske Höhe geschraubt? Er wollte so auf die legendäre Forbes-Liste der Reichsten kommen, aber auch von Banken Kredite und von Versicherungen niedrigere Prämien erhalten, klärte Cohen die Mitglieder des Ausschusses auf.
Bei einem Wirtschaftsmagazin mit einem imaginären Vermögen zu bluffen, ist peinlich. Banken und Versicherungen damit hinters Licht zu führen, ist eine Straftat. Trumps ehemaliger Wahlkampfmanager Paul Manafort muss deswegen mindestens zehn Jahre in den Knast, Michael Cohen mindestens drei Jahre.
Auch für Trump könnte die willkürliche Vermögensaufblähung ein böses Ende nehmen. Elijah E. Cummings, der Vorsitzende des Ausschusses, hat bereits angekündigt, er werde aufgrund von Cohens Aussagen weitere Zeugen vorladen, insbesondere Allen Weisselberg, den Finanzchef der Trump Organization, und zwei Mitwisser, Ron Lieberman und Matthew Calamari.
Opfer der Trump’schen Vermögensaufblähung dürfte vor allem die Deutsche Bank (DB) gewesen sein. Sie hat zu einer Zeit, als alle anderen nichts mehr mit ihm zu tun haben wollten, Trump als einzige Bank Darlehen in dreistelliger Millionenhöhe gewährt.
Die DB ist inzwischen aufgefordert worden, dem Ausschuss Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Trump dürfte darob ausflippen. Als Sonderermittler Robert Mueller das gleiche Begehren stellte, wollte ihn der Präsident sofort feuern. Der damalige Anwalt des Weissen Hauses, Don McGahn, konnte ihn nur mit Mühe davon abbringen.
Ebenfalls wurde im Cohen-Hearing bekannt, dass die Ankläger des Southern District of New York (SDNY) weitere Straftaten von Trump untersuchen. Ob es sich dabei um besagte Asset Inflation handelt, ist unbekannt. Sicher ist auf jeden Fall, dass niemand je ins Fadenkreuz des SDNY kommen will. Es handelt sich dabei um die Elitetruppe der amerikanischen Strafverfolgungsbehörde, die ihr Handwerk im Kampf gegen das organisierte Verbrechen gelernt hat.
Und was ist mit Russland? Eine ganze Reihe von Kommentatoren hat bemängelt, dass Cohen keine «smoking gun» – den definitiven Beweis – für eine Zusammenarbeit des Trump-Teams mit dem russischen Geheimdienst geliefert habe. Die Lage für Trump sei daher «nicht katastrophal», schrieb etwa Hubert Wetzel im «Tages-Anzeiger». «Ihn schützt ein Meer von Lügen.»
Diese Einschätzung geht von falschen Voraussetzungen aus. Es war immer klar, dass Cohen keine «smoking gun» präsentieren würde. Sollte es diesen Beweis geben, ist einzig Robert Mueller in der Lage, ihn zu erbringen. Um Klarheit in der Russland-Affäre zu erhalten, müssen wir daher den Schlussbericht des Sonderermittlers abwarten.
Immerhin hat Cohen zwei möglicherweise wichtige Mosaiksteinchen für dieses Monster-Puzzle geliefert: Er hat eine Konversation zwischen Vater und Sohn Trump gehört, in der es möglicherweise um das Trump-Tower-Meeting im Juni 2016 ging. Und er will ein Telefongespräch zwischen Trump und Roger Stone mitverfolgt haben, das sich um die Zusammenarbeit mit Wikileaks drehte.
Das Cohen-Hearing als Spiegelfechterei zweier notorischer Lügner abtun zu wollen, heisst zu verkennen, wie ernst die Lage für den Präsidenten nach dem Cohen-Hearing geworden ist. Das zeigt etwa die Einschätzung von Peggy Noonan. Sie ist eine in der Wolle gefärbte Konservative und war einst Beraterin von Ronald Reagan. Ihr kann man nur schwer Sympathien für die Demokraten vorwerfen.
Im «Wall Street Journal» kommentiert Noonan das Cohen-Hearing wie folgt: «Die siebeneinhalb Stunden waren wie das Artillerie-Bombardement vor einem Sturmangriff.» Ob die Trump-Festung bereits sturmreif geschossen ist, wird sich weisen.