Nach dem Ausstieg der USA aus dem Atomabkommen mit dem Iran bemühen sich die übrigen Vertragsstaaten um Schadensbegrenzung. Deutschland, Frankreich und Grossbritannien betonten ihre Entschlossenheit, an der Vereinbarung mit Teheran festzuhalten.
Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron leiteten am Donnerstag aus dem US-Alleingang die Notwendigkeit ab, Europa mehr aussenpolitisches Gewicht zu verleihen.
Europa habe nun «die Aufgabe, Frieden und Stabilität auch im Nahen Osten zu schaffen», sagte Macron nach seiner Auszeichnung mit dem Karlspreis in Aachen. «Wir dürfen nicht einfach etwas hinnehmen, wir brauchen europäische Souveränität.»
Dazu müsse Europa selbstbewusst und einig sein. «Wir müssen das Heft des Handelns selber in die Hand nehmen», forderte der französische Präsident, der am Vorabend bereits mit Irans Präsident Hassan Ruhani telefoniert hatte.
Auch Merkel sagte bei der Zeremonie in Aachen, Europa müsse «sein Schicksal selbst in die Hand nehmen». Dies sei «die Aufgabe der Zukunft». Am Vortag hatte sie den Ausstieg der USA aus dem Atomabkommen als «schwerwiegend» bezeichnet.
US-Präsident Donald Trump hatte den Ausstieg am Dienstag verkündet. Das Atomabkommen mit dem Iran hatten die fünf Uno-Vetomächte sowie Deutschland nach jahrelangen Verhandlungen im Juli 2015 mit Teheran geschlossen. Der US-Präsident begründete den Ausstieg unter anderem damit, dass der Iran trotz der Vereinbarung weiterhin nach Atomwaffen strebe.
Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) bescheinigte Teheran am Mittwoch erneut, nicht gegen seine Verpflichtungen verstossen zu haben. Trump hat die Wiedereinsetzung von Sanktionen gegen den Iran aber bereits eingeleitet. Am Mittwoch drohte er überdies mit «sehr schwerwiegenden Konsequenzen», falls Teheran sein Atomprogramm neu starte.
Aus Berlin, London und Paris kam die gemeinsame Botschaft, das Atomabkommen müsse weiter Bestand haben und Trump könne in dieser Frage nicht mit Unterstützung aus Europa rechnen. Für kommenden Montag wurde ein Gespräch der Aussenminister der drei EU-Staaten mit Vertretern des Iran anberaumt.
Der deutsche Aussenminister Heiko Maas beriet am Donnerstag in Moskau mit seinem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow über die Lage. Aus Sicht von Maas besteht die Herausforderung nun zunächst darin, «dafür zu sorgen, dass auch der Iran in dem Abkommen bleibt».
Die iranische Führung hatte nach Trumps Entscheidung ihrerseits mit einem Ausstieg aus dem Atomabkommen gedroht. Das geistliche Oberhaupt Ali Chamenei sagte, wenn die Europäer das Abkommen fortführen wollten, müssten sie «solide» Garantien abgeben. Der iranische Präsident Hassan Ruhani erklärte, er wolle das Abkommen retten. Dafür brauche er aber «Garantien» der Europäer für eine weitere wirtschaftliche Zusammenarbeit.
Maas sprach in Moskau überdies die möglichen Folgen von Trumps Iran-Entscheidung für die europäische Wirtschaft an. Die USA müssten erklären, wie sich die US-Sanktionen auf Unternehmen auswirkten, die mit dem Iran und den USA Geschäfte machen wollten, sagte er. Der britische Aussenminister Boris Johnson forderte die USA auf, «auf alle Schritte zu verzichten, die andere Vertragsparteien davon abhalten würden, weiter an dem Abkommen festzuhalten».
Laut Trumps Sicherheitsberater John Bolton gelten die Iran-Sanktionen allerdings «ab sofort» für alle Neuverträge. Ausländische Firmen, die bereits im Iran seien, hätten drei bis sechs Monate Zeit, das Land zu verlassen. Ansonsten werde ihnen der Zugang zum US-Markt verwehrt.
Die US-Regierung hat drei Firmen und sechs Personen mit Sanktionen belegt, weil sie die Eliteeinheit Al-Kuds der Iranischen Revolutionsgarden mit Millionen von Dollar versorgt haben sollen.
Die iranische Zentralbank habe ihren Zugriff auf Firmen in den Vereinigten Arabischen Emiraten missbraucht, um mit dem Geld die Aktivitäten von Al-Kuds zu finanzieren, erklärte US-Finanzminister Steven Mnuchin am Donnerstag. Dazu gehöre Hilfe für die Stellvertretergruppen in der Region.
Die Personen und Firmen wurden den Angaben zufolge auf eine Liste gesetzt, die auf mutmassliche Terroristen und die Finanzaktivitäten des Irans zielt.
Im Februar 2015 hatte die Nachrichtenagentur Reuters berichtet, dass vor dem Atomabkommen vom Juli desselben Jahres mindestens eine Milliarde Dollar in die Islamische Republik geschmuggelt worden sei. Dafür wurden Insidern zufolge Firmen in den Vereinigten Arabischen Emiraten und im Irak genutzt. (mik/sda/afp/reu)