International
Brexit

Johnson droht offen mit Rückzug des Brexit-Gesetzes und Neuwahlen

Johnson droht offen mit Rückzug des Brexit-Gesetzes und Neuwahlen

22.10.2019, 15:5422.10.2019, 16:28
Mehr «International»
epa07940403 A grab from a handout video made available by the UK Parliamentary Recording Unit shows British Prime Minister Boris Johnson speaking in the House of Commons in London, Britain, 22 October ...
Boris JohnsonBild: EPA

Der britische Premierminister Boris Johnson hat offen damit gedroht, seinen Brexit-Deal aus dem Parlament zurückzuziehen und Neuwahlen anzustreben. Dies sagte Johnson am Dienstag im Unterhaus in London nur wenige Stunden vor einer entscheidenden Abstimmung.

Dies sei dann nötig, wenn ihm die Abgeordneten die Zustimmung für den Zeitplan zur Beratung des Brexit-Gesetzes verweigerten, machte Johnson deutlich. Eine Ablehnung des Zeitplans würde «den Pfad für einen No-Deal-Brexit in neun Tagen öffnen».

Johnson steuerte am Dienstagabend auf eine hauchdünne und möglicherweise wegweisende Parlamentsentscheidung zum Brexit zu. Die Abgeordneten des Unterhauses werden nach der zweiten Lesung des Brexit-Deals nicht nur ein Meinungsbild zu dem Gesetzespaket abgeben, sondern auch über den von Johnson vorgeschlagenen Zeitplan abstimmen.

Der Premierminister sagte weiter, eine Abstimmungsniederlage würde die Macht über den weiteren Verlauf an die EU weitergeben. Der beste Weg, einen No-Deal-Brexit zu vermeiden, sei es, einem Deal zuzustimmen.

Unklare Mehrheitsverhältnisse

Am Mittag, als Johnson die Debatte im Unterhaus eröffnete, waren die Mehrheitsverhältnisse für die Abstimmung am Abend nicht eindeutig. «Wir können den Brexit erledigen und unser Land voranbringen», sagte Johnson an die Abgeordneten gerichtet. Gleichzeitig könnten dann auch die Vorbereitungen für einen ungeregelten Brexit beendet werden.

Während der Premierminister bessere Chancen hat, die Abstimmung zum Meinungsbild zu gewinnen, könnte ihm die Mehrheit für den Zeitplan fehlen.

Unter anderem überlegen nach britischen Medienberichten die zehn Abgeordneten der DUP, gegen den straffen Zeitplan Johnsons zu stimmen, der das 110 Seiten starke Gesetz mit zahlreichen Querverweisen auf weitere Bestimmungen in nur drei Tagen durchboxen will.

Kritik an Brexit-Deal

Kritik war daran zuvor auch von Labour und der schottischen SNP gekommen. Nach BBC-Informationen überlegen auch Rebellen aus Johnsons eigener konservativer Tory-Partei, ihren Regierungschef im Stich zu lassen.

Normalerweise gilt für solche Vorhaben eine Mindestdauer von 21 Tagen für den parlamentarischen Prozess. Die Kritiker machen geltend, in drei Tagen seien die Implikationen des Gesetzes nicht zu erfassen.

Der Labour-Experte Keir Starmer bezeichnete das Vorgehen als «skandalös». Auch Pete Wishart von der Schottischen Nationalpartei war erbost: «Wie um Himmels willen sollen wir die Chance haben, das angemessen zu beurteilen?»

Nach Angaben des Brexit-Experten Joe Owen von der Denkfabrik «The Institute for Government» bekommt das Gesetz zum EU-Austritt weniger Zeit im Unterhaus als ein Gesetz für Wildtiere in britischen Zirkussen.

EU-Parlament stellt Bedingungen

Der Brexit-Beauftragte des EU-Parlaments, Guy Verhofstadt, stellte unterdessen Bedingungen für die Ratifizierung des Austrittsvertrags. Es seien noch einige Probleme zu lösen, sagte er am Dienstag im EU-Parlament in Strassburg.

So dürften EU-Bürger aus Grossbritannien nicht ausgewiesen werden, weil sie Fristen zur Registrierung verpasst hätten oder bedürftig seien. «Ich möchte, dass dieses Problem gelöst ist.»

Im übrigen werde das Parlament dem Austrittsvertrag erst zustimmen, wenn das Ratifizierungsverfahren in London abgeschlossen sei, sagte Verhofstadt. Das werde nicht mehr diese Woche geschehen. Johnson hatte auf Geheiss seines Parlaments - widerwillig - eine Verlängerung der Austrittsfrist bis Ende Januar beantragt, die die EU-Staaten bewilligen könnten.

Der scheidende EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker zog vor dem EU-Parlament eine ernüchternde Brexit-Bilanz: «Es war eine Zeit- und Energieverschwendung.» Die EU wird laut EU-Ratspräsident Donald Tusk alles tun, um einen Brexit ohne Vertrag zu verhindern. «Ein No-Deal-Brexit wird niemals unsere Entscheidung sein.» (aeg/sda/dpa)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das Brexit-Chaos seit Johnsons Amtsübernahme
1 / 22
Das Brexit-Chaos seit Johnsons Amtsübernahme
Im Sommer 2019 hat Boris Johnson das Amt von Theresa May übernommen.
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Das sagt Boris Johnson zu seinem Brexit-Deal
Video: srf
Das könnte dich auch noch interessieren:
3 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Heinzbond
22.10.2019 16:16registriert Dezember 2018
Könnte man den politspinner nicht mit dem scheisshaus Besen aus der Stadt jagen, bitte...
226
Melden
Zum Kommentar
3
Papst im Oster-Stress: Was auf den 87-Jährigen zukommt – und wie er das durchhalten will
Die Osterfeierlichkeiten sind für das katholische Kirchenoberhaupt die intensivste Woche des ganzen Jahres. Der gesundheitlich angeschlagene Franziskus muss bis an seine Belastungsgrenze gehen.

Für die zehntausend Gläubigen und Touristen auf dem Petersplatz war es ein banger Moment: Papst Franziskus sass während der Palmsonntagsmesse auf seinem Platz vor der Basilika, lauschte dem Verlesen des Evangeliums und als die Textstelle erreicht war, die vom Tod Jesu berichtet, erhob er sich, um seine vorbereitete Predigt zu halten. Aber er blieb zwei oder drei endlos wirkende Minuten lang stumm und wirkte dabei müde und gebrechlich.

Zur Story