International
Brexit

Ein Faktencheck zum verbreiteten Brexit-Meme über feige Briten wie Dyson.

Sind das die 12 feigsten Briten? Ein Faktencheck zeigt: So einfach ist es nicht

01.03.2019, 13:2402.03.2019, 06:52
Mehr «International»

Die Uhr tickt. Bereits in einem Monat werden die Briten die EU offiziell verlassen. So lautet noch immer der offizielle Plan, auch wenn es immer mehr nach einem Aufschub aussieht. Komme, was wolle, der Schaden ist in jedem Fall angerichtet: Firmen und Projekte verlassen die Insel, die Rechtsunsicherheit wirkt abschreckend für prosperierende neue Geschäfte.

Dementsprechend steigt die Wut gegenüber den Architekten dieses Schlamassels. Der Vorwurf, sie würden Wasser predigen, aber selber Wein trinken, ist ein immer wieder zurückkehrendes Echo. Memes machen die Runde. Und ein sehr populäres ist folgendes:

Bild
bild: irgendwo im Internet / Autor: unbekannt / quellen: unbekannt

Doch was ist dran an den Vorwürfen? Ist das Meme korrekt? Wir lösen von Fall zu Fall auf.

Nigel Farage

Bild
epa07331798 Nigel Farage, British Member of the European Parliament and former leader of the British Independence Party (UKIP) attends a plenary session at the European Parliament in Brussels, Belgium ...
Bild: EPA/EPA

Wer ist Farage und was für eine Rolle spielte er beim Brexit?
Farage gilt als Vater des Brexits. Er war Leader der europakritischen Rechtsaussenpartei UKIP und einer der lautstärksten Befürworter des Brexits.

Der Vorwurf:
Er habe für seine Kinder deutsche Pässe organisiert, damit diese weiterhin die Vorteile einer EU-Bürgerschaft geniessen können.

Was ist am Vorwurf dran?
Farage bestätigte in einem Interview mit Nick Clegg, dass zwei seiner vier Kinder neben dem britischen auch einen deutschen Pass besitzen. Seine zweite Frau Kirsten Mehr stammt aus Deutschland. Das Paar hat sich mittlerweile getrennt.

Die Aussage, Farage habe seinen Kindern deutsche Pässe organisiert, unterstellt einen direkten Bezug zum Brexit. Den gibt es aber nicht.

Christopher Chandler

Bild

Wer ist Christopher Chandler und was für eine Rolle spielte er beim Brexit?
Chandler ist ein Milliardär aus Neuseeland und Mitbegründer eines in London ansässigen Thinktanks, der sich für den Brexit aussprach.

Der Vorwurf:
Er habe für seine Familie maltesische Pässe organisiert, um die Vorteile einer EU-Bürgerschaft geniessen zu können.

Was ist am Vorwurf dran?
Chandler bewarb sich bereits vor dem Referendum für die maltesische Staatsbürgerschaft. Ausserdem ist er Neuseeländer – und nicht Brite.

Interessanter als seine Staatsangehörigkeit sind Chandlers Verbindungen zu Russland. Eine Gruppe britischer Parlamentarier hatte Einsicht in Dokumente, die nahelegen, dass es sich beim Neuseeländer um einen russischen Agenten mit Verbindungen zum Geheimdienst handelt. Er bestreitet diese Anschuldigungen vehement.

Viscount Rothermere

Bild

Wer ist Viscount Rothermere und was für eine Rolle spielte er beim Brexit?
Viscount (das ist ein Adelstitel zwischen Baron und Graf) Rothermere ist ein Milliardär und der Besitzer des Medienimperiums DMG Media. DMG Media gibt unter anderem die «Mail on Sunday» und die «Daily Mail» heraus.

Der Vorwurf:
Jonathan Harmsworth, wie der Viscount mit bürgerlichem Namen heisst, habe mit der Pro-Brexit-Haltung der «Daily Mail» das Wahlergebnis stark beeinflusst. Er selber aber «flüchte» nach Frankreich.

Was ist am Vorwurf dran?
Harmswoth ist Gerüchten zufolge selbst ein «Remainer» – so genau weiss man das aber nicht. Der Einfluss der «Daily Mail» auf die Referendums-Abstimmung ist sicher unbestritten. Die ebenfalls von DMG Media herausgegebene «Mail on Sunday» plädierte aber für einen Verbleib in der EU.

Hamsworth hat aus Steuergründen seit den 70er-Jahren nie mehr als 90 Tage in England verbracht – offiziell residiert er seit Jahren in Frankreich, obwohl er in England ein luxuriöses Anwesen besitzt. Der britische Steuerzahler kann sich über diesen Umstand selbstverständlich ärgern. Eine serielle Kausalität mit dem Brexit gibt es aber nicht.

Sir Jim Ratcliffe

Bild
Jim Ratcliffe, Chairman of Ineos, listens during a press conference in London, Thursday, Nov. 20, 2014. Chemicals firm Ineos announced plans to invest 640 million pounds ($1 billion) in shale gas expl ...
Bild: AP/AP

Wer ist Jim Ratcliffe und was für eine Rolle spielte er beim Brexit?
Jim Ratcliffe war 2018 mit einem Vermögen von über 20 Milliarden Pfund der reichste Brite. Sein Vermögen machte er mit seinem Chemiekonzern INEOS. Ratcliffe sprach sich wiederholt gegen die Mühlen der EU aus, welche sich immer mehr gegen Industrielle wie ihn richten würden. Ratcliff ist ein Euroskeptiker.

Der Vorwurf:
Ratcliffe verlasse das sinkende Schiff.

Was ist am Vorwurf dran?
Der Guardian berichtete 2018 – also nach dem Referendum – über Ratcliffes Steuerflucht. Dass sich der Yachten-Liebhaber nach Monaco absetzt, ist nicht weiter erstaunlich. Ratcliffe versicherte aber, das Hauptquartier seines Konzerns verbleibe in England.

Andrew Wigmore

Bild
epa06802680 Leave.EU Brexit campaign co-founder Arron Banks (R) and political campaigner Andy Wigmore (L) leave after facing questions by members of the British Parliament, Digital, Culture, Media and ...
Bild: EPA/EPA

Wer ist Andrew «Wiggy» Wigmore und was für eine Rolle spielte er beim Brexit?
Herr Wigmore ist ein politischer Aktivist für die UKIP und Sportler. Er war Nigel Farages rechte Hand bei der «Leave»-Kampagne und sah sich gerne als Mann, der hinter den Kulissen die Fäden in der Hand hält. Ihm wird eine gewisse Bewunderung für die Nazis nachgesagt.

Der Vorwurf:
Wigmore verlasse das sinkende Schiff in Richtung Belize.

Was ist am Vorwurf dran?
Wigmore ist Halb-Belizer und besitzt seit 1998 die Staatsbürgerschaft des zentralamerikanischen Staates. Er vertrat das Land an den Comonwealth-Spielen 2014 als Tontauben-Schütze und versuchte, für Belize die Olympia-Qualifikation für Rio 2016 zu schaffen. Er scheiterte dabei. Dass er sich wegen dem Brexit nach Belize zurückzieht, wie das Meme suggeriert, ist nicht korrekt.

Interessanter an Wigmore ist, dass er im Verdacht steht, für die Exit-Kampagne Gelder aus Russland angenommen zu haben. Mehrere Male traf er sich mit dem russischen Botschafter. Er bestreitet jedoch jegliche finanziellen Zuwendungen aus Russland.

Rupert Murdoch

Bild
FILE - In this Oct. 14, 2011 file photo, News Corp. CEO Rupert Murdoch delivers a keynote address at the National Summit on Education Reform in San Francisco. Sibling rivalries. A quest for power. An  ...
Bild: AP/FR34727 AP

Wer ist Rupert Murdoch und was für eine Rolle spielte er beim Brexit?
Rupert Murdoch ist ein weltweit tätiger Medienmogul. Er ist Verwaltungsratsvorsitzender der News Corp, die über eine Tochterfirma The Sun herausbringt – eine der einflussreichsten Tageszeitungen Grossbritanniens. Die Ausrichtung der Sun ist eher eurokritisch.

Der Vorwurf:
Murdoch lebt in den USA und ist Amerikaner australischer Abstammung.

Was ist am Vorwurf dran?
Murdoch lebt tatsächlich in den USA.

Lord Edmiston

Bild

Wer ist Lord Edmiston und was für eine Rolle spielte er beim Brexit?
Das ehemalige Mitglied des House of Lords (Oberhaus) belegt den siebten Platz in der Liste der reichsten Briten 2018. Edmiston ist gläubiger Christ und setzte sich prominent gegen die Homoehe ein. Edmiston unterstützte das Pro-Brexit-Lager mit einer Spende von einer Million Pfund.

Der Vorwurf:
Edmiston bringt seine Schäfchen ins Trockene.

Was ist am Vorwurf dran?
Edmistons Name taucht mehrmals in den Paradise Papers auf. Sein Wohnsitz lautet auf eine portugiesische Adresse – er ist seit 2016 in ein Firmennetz mit Ablegern in Malta und den Virgin Islands verstrickt.

Lord Nigel Lawson

Bild
FILE - In this Oct. 9, 1986 file photo Britain's Finance Minister Nigel Lawson pauses at the annual conference of the Conservative Party in Bournemouth, England. A leading campaigner for Britain& ...
Bild: AP/AP

Wer ist Lord Nigel Lawson und was für eine Rolle spielte er beim Brexit?
Der ehemalige Schatzkanzler von Margaret Thatcher sprach sich mehrere Male pointiert für einen Austritt aus der EU aus.

Der Vorwurf:
Lawson beantrage, seinen offiziellen Wohnsitz nach Frankreich zu verschieben.

Was ist am Vorwurf dran?
Der Guardian berichtete im Mai 2018, also lange nach dem Referendum, von Lawsons Bemühungen. Der Vorwurf ist korrekt. Ob seine Entscheidung aufgrund des Brexits erfolgte oder ob er, wie viele alte Briten, dem Ruf des milden Klimas folgt, bleibt sein Geheimnis.

Arron Banks

Bild
epa06801922 Leave.EU Brexit campaign co-founder Arron Banks (R) eats a pie on his arrival to face questions by members of the British Parliament, Digital, Culture, Media and Sport committee, at Portcu ...
Bild: EPA/EPA

Wer ist Arron Banks und was für eine Rolle spielte er beim Brexit?
Der Besitzer einer Privatbank auf der Isle of Man war neben Farage und Wigmore die treibendste Kraft hinter der Leave-Kampagne (Bad Boys of Brexit). Für diesen Zweck spendete er über 8 Millionen Pfund. Banks Bank Conister steht im Verdacht, für die Pokerstar-Familie Scheinberg illegal Geld in Empfang genommen zu haben.

Der Vorwurf:
Banks habe aus Angst vor dem Brexit Gelder aus Grossbritannien abgezogen.

Was ist am Vorwurf dran?
Banks Firmengeflecht erstreckt sich über die Virign Islands und Gibraltar – und das schon seit mehreren Jahren und noch weit vor der Diskussion um einen Austritt aus der EU. Gegenüber dem Guardian betonte sein Sprecher Wigmore 2016, Banks sei Bürger von Grossbritannien und bezahle Steuern. 1,8 Millionen Pfund seien es im Jahre 2015 gewesen.

Wie Wigmore wird auch Banks vorgeworfen, er habe eine versteckte russische Agenda. 12 Tage nach dem Referendum wurde Banks angeboten, in russische Gold- und Diamantminen zu investieren, welche einer staatlichen Bank gehören. Unmittelbar nach einem Treffen mit Donald Trump in New York im Jahre 2016 besprach er dies mit dem russischen Botschafter in London.

Jacob Rees-Mogg

Bild
epa07369662 Chairman of the European Research Group (ERG) Jacob Rees-Mogg walks in Westminster near the Houses of Parliament in London, Britain, 14 February 2019. MPs will vote on the next steps in th ...
Bild: EPA/EPA

Wer ist Jacob Rees-Mogg und was für eine Rolle spielte er beim Brexit?
Rees-Mogg ist ein vermögender konservativer Politiker und einer der prominentesten Vertreter eines harten Brexits.

Der Vorwurf:
Verschob Geld nach Irland.

Was ist am Vorwurf dran?
Rees-Mogg ist eng verknüpft mit Somerset Capital Management (SCM), das nach dem Referendum einen Investment-Fund in Irland kreierte – und nicht in Grossbritannien. In Unterlagen äusserte die Firma Befürchtungen, in Grossbritannien von EU-Kunden abgeschnitten zu sein.

James Dyson

Bild
FILE - In this Wednesday, Sept., 14, 2011 file photo, Inventor James Dyson launches the Dyson DC41 Ball vacuum and the Dyson Hot heater fan on in New York. Dyson, the British company best known for in ...
Bild: AP/AP Images

Wer ist James Dyson und was für eine Rolle spielte er beim Brexit?
James Dyson gehört zu den reichsten Briten. Die ungebrochene Saugkraft seiner Staubsauger machten den Ingenieur dazu. Er sprach sich mehrere Male in der Öffentlichkeit für einen Austritt aus der EU aus.

Der Vorwurf:
Dyson verschob seine Firma nach Singapur.

Was ist am Vorwurf dran?
Dyson kündigte nach dem Referendum an, das Hauptquartier seiner Firma nach Singapur zu verschieben. Der Vorwurf ist korrekt.

Barclay Brothers

Bild

Wer sind die Barclay Brothers und was für eine Rolle spielten sie beim Brexit?
Sir Frederick und Sir David Barclay sind eineiige Zwillinge und Medienmogule mit einem Milliardenvermögen. Sie sind Herausgeber des «Telegraphs» und des «Spectators». Beide Presseerzeugnisse ermutigten ihre Leser zu einem Austritt aus der EU. Ihr Eingreifen in die redaktionelle Ausrichtung der Blätter führte zu Tumulten und zu Kündigungen.

Der Vorwurf:
Die Barclay Brothers sollen vor dem Brexit Vermögen ausser Land gebracht haben.

Was ist am Vorwurf dran?
Die Barclay Brothers operieren von Monaco und Brecqhou aus, einer kleinen Insel im Kanal zwischen Frankreich und England. Die Namen der Barclay-Brüder tauchen ebenfalls in den Paradise-Papieren auf. Seit Jahren gelten sie als Steuerflüchtlinge – einen direkten Zusammenhang mit dem Brexit gibt es nicht.

Zusammenfassung

Welchen Eindruck das Meme hinterlässt:
In vielen Fällen suggeriert das Meme einen direkten Bezug zwischen dem Brexit-Referendum und nachträglicher Steuerflucht. Diesen direkten Zusammenhang gibt es nicht. Das Meme ist deshalb sehr ungenau.

Welchen Eindruck das Meme hinterlassen hätte können und sollen:
Die Pro-Brexit-Bewegung wurde wesentlich von verschiedenen Milliardären und sehr reichen Menschen befeuert, die seit Jahren internationale Werkzeuge benutzen, die nur den Superreichen zur Verfügung stehen, um Steueroptimierung auf Kosten des britischen Steuerzahlers zu betreiben.

Emily und Oliver – unsere zwei Briten erklären den Brexit

Video: watson/Oliver Baroni, Emily Engkent
DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
24 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
TanookiStormtrooper
01.03.2019 13:37registriert August 2015
Zeigt aber auch, dass keiner dieser Typen bei einem allfälligen Brexit was zu verlieren hatte. Den Wohn- oder Firmensitz Notfalls in ein anderes Land zu verlegen ist für jemanden, der über genügend "Kleingeld" verfügt kein Problem. Angeschissen ist am Ende einfach der normale Pöbel, der von der Queen keinen Adelstitel spendiert bekommt.
26623
Melden
Zum Kommentar
avatar
Chriguchris
01.03.2019 13:32registriert November 2018
Nun ja, ein Teil Heuchler, ein Teil Steuerflüchtlinge, ein Teil Feiglinge, ein Teil Lügner und ein Teil Blender. Hatte man etwas anderes erwartet?
21620
Melden
Zum Kommentar
avatar
Hosenabe
01.03.2019 13:34registriert März 2014
also genau genommen sind das 13 Briten mit den Barclay Brothers ;)
857
Melden
Zum Kommentar
24
Spanien lässt aus Versehen Drogenboss laufen, der Prinzessin Amalia entführen wollte
Karim Bouyakhrichan soll geplant haben, die niederländische Prinzessin Amalia zu entführen und Premierminister Mark Rutte zu ermorden. In Spanien wurde er festgenommen – und dann aus Versehen wieder freigelassen.

Nur schon die Zusammenfassung des Falles hört sich vollkommen absurd an: Ein berüchtigter marokkanisch-niederländischer Drogenboss sitzt in Spanien im Gefängnis, weil er Geld gewaschen haben soll. Und auch, weil er 2022 geplant haben soll, die niederländische Prinzessin Amalia zu entführen. Und den Premierminister des Landes, Mark Rutte, wollte er angeblich sogar ermorden lassen.

Zur Story