Demonstrationsteilnehmer an einer Kundgebung der rechtsextremen Bewegung «Pro Chemnitz» beim Karl-Marx-Denkmal in Chemnitz.Bild: DPA
01.09.2018, 11:3002.09.2018, 10:36
Das Wichtigste in Kürze
- Nach den Krawallen von Montag wird am Samstag in Chemnitz wieder demonstriert. Die Polizei ist dieses Mal mit einem Grossaufgebot vor Ort.
- Diese drei Demos finden am Samstag statt: Bereits am Vormittag hatte ein Bündnis aus Vereinen, Gewerkschaften und Parteien zur Kundgebung unter dem Motto «Herz statt Hetze» aufgerufen. Schätzungsweise 3500 Menschen nahmen daran teil.
- Gegen 16 Uhr gab es eine Demonstration von «Pro Chemnitz» vor dem Karl-Marx-Kopf geben. Das Bündnis wollte Neonazis im Vorfeld ganz explizit nicht von der Kundgebung ausschließen.
- Ab 17 Uhr hat der AfD-Landesverband Sachsen zu einer Kundgebung aufgerufen. Gemeinsam mit der fremdenfeindlichen Pegida plante man einen «Trauermarsch» mit schwarzen Anzügen und weißen Rosen. Teilgenommen hat auch der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke. Die Demonstranten der «Pro Chemnitz»-Kundgebung haben sich der AfD-Demo angeschlossen. An den Umzügen von AfD und Pro Chemnitz haben insgesamt rund 4500 Personen teilgenommen.
- Um 19 Uhr forderte die Polizei die Auflösung der Demonstration. Trotzdem verblieben auch danach noch zahlreiche Demo-Teilnehmer im Zentrum von Chemnitz.
- Am Rande der AfD-Demo kam es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen. Auch Journalisten sind während der Ausübung ihres Berufs angegriffen worden.
Bei den jüngsten Protesten in Chemnitz mit tausenden Teilnehmenden verschiedener Lager sind am Samstag nach neuen Angaben mindestens 18 Menschen verletzt worden. Unter ihnen seien drei Polizisten, teilte die Polizei Sachsen am Sonntag mit. Sie korrigierte auch die Zahl der Teilnehmenden an den Demonstrationen in der Stadt deutlich auf mehr als 11'000 nach oben.
Am Sonntagmittag lagen der Polizei 37 Strafanzeigen vor, vor allem wegen Körperverletzung, Sachbeschädigung und Straftaten nach dem Versammlungsgesetz. Diese Zahl könne noch steigen, erklärte die Polizei. Für sie gelte es nun, rasch zu ermitteln, insbesondere den Angriff auf die Gruppe des SPD-Bundestagsabgeordneten Sören Bartol.
Bartol hatte am Samstag auf Twitter geschrieben, seine Gruppe aus Marburg sei auf dem Weg zum Bus «von Nazis überfallen» worden. Alle SPD-Fahnen seien «zerstört» worden, einige seiner Begleiter seien «sogar körperlich angegriffen» worden. Es gab auch Angriffe auf Journalisten. (wst/sda)
Bei den Demonstrationen im deutschen Chemnitz sind nach einer ersten Bilanz der Polizei neun Menschen verletzt worden. Zudem wurden mindestens 25 Straftaten verzeichnet, wie die Polizei am späten Samstagabend mitteilte.
Details zu den Verletzten nannte die Polizei nicht. Bei den Straftaten handelte es sich den Angaben zufolge um Sachbeschädigungen, Körperverletzungen, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen.
Insgesamt waren 1800 Beamte im Einsatz. Die sächsischen Beamten wurden von Kollegen aus anderen Bundesländern und der Bundespolizei unterstützt. An den verschiedenen Kundgebungen beteiligten sich den Angaben zufolge rund 9500 Menschen. (sda/dpa)
Laut Angaben des Bundestagsabgeordneten Sören Bartol wurde eine aus Marburg angereiste Gruppe von Sozialdemokraten, welche an der« Herz statt Hetze»-Demonstration teilgenommen hatte, vor der Abreise angegriffen.
Obwohl die Polizei die Organisatoren aufgefordert hat, die Demonstration um 19 Uhr aufzulösen, befinden sich weiterhin zahlreiche Demonstranten im Zentrum von Chemnitz. Nachdem sie erst von einem Polizeikordon daran gehindert worden sind, wurden die Menschen jetzt zur «Gedenkstätte» des vergangene Woche getöteten Daniel H. vorgelassen. Dieser war Deutsch-Kubaner und stand laut
Spiegel politisch links. Auf Facebook hatte er zahlreiche Antifa-Seiten mit «gefällt mir» markiert.
Offenbar herrscht an der Demonstration der AfD beim Karl-Marx-Denkmal, deren Auflösung die Polizei fordert, aggressive Stimmung. Der Journalist Jan-Henrik Wiebe, der für t-online und watson.de aus Chemnitz berichtet, ist von Demonstrationsteilnehmern angerempelt worden. Dabei sei ihm auch das Mikrofon aus der Hand geschlagen worden. Folgendes Video einer Reporterin von BuzzFeed zeigt den Vorfall. Auch ihr wurde kurz danach von einem Demonstranten das Smartphone aus der Hand geschlagen.
Die von AfD und Pegida organisierte Demonstration muss aufgrund der nur bis 19 Uhr vorliegenden Demonstrationsbewilligung aufgelöst werden, teilt die Polizei mit. Zuvor hatten Gegendemonstranten mit einer Strassenblockade verhindert, dass der Umzug den ursprünglich geplanten Weg nehmen konnte.
Am Rande der Demonstration sind Journalisten des Fernsehsenders MDR angegriffen worden. Der Angriff fand gemäss MDR-Journalist André Berthold in einem Haus statt, in welchem sich das Kamerateam befand, um Aufnahmen des Demonstrationszugs von AfD und Pegida zu machen. Ein Angreifer hat den Kameramann die Treppe hinuntergestossen, wobei dieser an der Hand verletzt wurde.
Die Polizei bestätigt, dass eine Strafanzeige eingegangen ist.
Gegenüber dem
Blick sagte Köppel, er mache in Chemnitz seinen Job als Journalist und unterhalte sich mit den Leuten: «Ich bilde mir ein Urteil über die Stadt Chemnitz und die Vorgänge, die international zu reden geben.»
Mehrere tausend Menschen beteiligen sich Schätzungen zufolge daran, der grössere Anteil von ihnen stammt von «Pro Chemnitz». In einer Seitenstrasse hat die Polizei Wasserwerfer und Räumpanzer aufgefahren.
So lief die «Herz statt Hetze»-Demo
Vor zwei geplanten rechtspopulistischen Kundgebungen haben am Samstag mehrere hundert Menschen in Chemnitz für Frieden und gegen Ausländerfeindlichkeit demonstriert. Auf einem Parkplatz bei der Johanniskirche versammelten sich Teilnehmer einer Kundgebung des Bündnisses Chemnitz Nazifrei.
Mit dabei waren unter anderem SPD- Generalsekretär Lars Klingbeil und der Fraktionschef der Linken im Bundestags, Dietmar Bartsch. Rund 70 Vereine, Organisationen und Parteien hatte zu Demonstrationen unter dem Motto «Herz statt Hetze» aufgerufen.
«Hier ist der rationale Widerstand»
Zuvor waren zum Auftakt einer Reihe von Kundgebungen rund 50 Menschen für ein friedliches Miteinander durch Chemnitz gezogen. Nach Diskussionen, Reden und Musik am Roten Turm in der Innenstadt setzte sich der Zug in Bewegung. Die Route durch die Stadt führte auch unweit des Tatorts vorbei, wo es vor knapp einer Woche zu der tödlichen Messerattacke auf einen 35-jährigen Deutschen gekommen war.
Zu der Kundgebung an der Johanniskirche strömten am Nachmittag immer mehr Menschen. «Hier ist der rationale Widerstand», war auf einem selbst gebastelten Schild eines Teilnehmers zu lesen. «Hoch die internationale Solidarität», skandierten einige Teilnehmer.
Nachdem die Polizei zunächst zurückhaltend im Stadtgebiet auf Streife war, stieg die Präsenz zum Nachmittag sichtbar an. Die Beamten sicherten den Ort der «Chemnitz-Nazifrei-Kundgebungen» mit Absperrungen. Die Sicherheitskräfte bereiten sich auf einen Grosseinsatz vor. Sie gehen von einer Gesamtteilnehmerzahl im unteren fünfstelligen Bereich bis zum Abend aus.
Rechtsextreme in Chemnitz bedrohen Journalisten
Video: watson/felix huesmann, lia haubner, marius notter
Für den späteren Nachmittag hatte die rechtspopulistische Bürgerbewegung Pro Chemnitz zu einer eigenen Kundgebung aufgerufen. Im Anschluss war eine gemeinsame Demonstration der AfD und des ausländerfeindlichen Bündnisses Pegida geplant.
Vor knapp einer Woche war ein 35-jähriger Deutscher bei einer Messerattacke in Chemnitz getötet worden, zwei weitere wurden verletzt. Als Tatverdächtige sitzen ein Iraker und ein Syrer in Untersuchungshaft. Die Tat war Anlass für Demonstrationen, aus denen heraus es zu ausländerfeindlichen Attacken kam. Teilnehmer streckten auch den Arm zum Hitlergruss.
Panne bei der Polizei
Viel wurde in den vergangenen Tagen geredet über das Versagen der Polizei bei den Demonstrationen von Chemnitz. These: Es gab zu wenige Beamte, und die anwesenden Einsatzkräfte waren mit der Situation überfordert. Aber was jetzt kommt, klingt fast nach Satire:
Wie die «Welt am Sonntag» berichtet, hat eine Panne dazu geführt, dass es bei der Polizei während der Demo am vergangenen Montag zur Unterbesetzung kam.
Anders als in bisherigen Darstellungen behauptet, seien sehr wohl zusätzliche Kräfte der Bundespolizei als Verstärkung angefordert worden, berichtet die Zeitung. Das Innenministerium in Dresden habe auf Anfrage bestätigt, dass es während des Einsatzes am Abend einen Hilferuf der Polizeidirektion Chemnitz ans Lagezentrum des Innenministeriums gab und die Bundespolizeiinspektion Pirna um Unterstützung gebeten wurde. Das war allerdings die falsche Stelle.
Bild: AP/AP
Das Innenministerium in Dresden hätte seine Anfrage an die Zentrale der Bundespolizei und nicht an die untergeordnete Dienststelle in Pirna richten müssen. Die Bundespolizeidirektion in Pirna habe dem Lagezentrum des Landesinnenministeriums sogar empfohlen, sich an das Bundespolizeipräsidium in Potsdam zu wenden. Doch das sei gemäss zuverlässiger Quelle «schlicht nicht beachtet» worden.
Deshalb seien am Tag der Demonstration lediglich 58 Bundespolizisten in Chemnitz vor Ort. Dazu kamen 591 Polizisten aus Sachsen, die den rund 7500 Demonstranten gegenüberstanden.
Die Polizei bestreitet hingegen die Darstellung der «Welt am Sonntag».
(meg/cbe/sda/watson.de)
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