Der gemeine islamistische Hassprediger funktioniert im Prinzip exakt gleich wie der banale rechte Störsender.
Der eine Fundamentalist behauptet, der dekadente Westen passe nicht zu seiner (Interpretation von) Religion und habe sich seit der Kolonialzeit auf die Fahnen geschrieben, den guten und gerechten Muslim systematisch auszubeuten und zu unterdrücken.
Der andere Fundamentalist schert 1,6 Milliarden Menschen über einen Kamm und behauptet, Islam sei dasselbe wie Islamismus und dass der gute und gerechte Westler systematisch unterwandert und angegriffen werde.
Wenn man nun Marcus Pretzell einordnen müsste, würde der Deutsche in letzterer Gruppe landen: Der AfD-Politiker lässt keine Gelegenheit aus, um die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung zu kritisieren und bezeichnet Kanzlerin Merkel auf Facebook schon mal als «gefährlich irre oder wahlweise auch irre gefährlich».
Pretzell meldete sich dann auch nach dem Attentat von Berlin zu Wort. Auf Twitter fragte er, wann «die Heuchelei» aufhöre und der deutsche Rechtsstaat «zurückschlage». Das tönt taff, das wirkt stark – das ist populistisch. Ziemlich konkret ist dagegen dieser Satz: «Es sind Merkels Tote.»
Wann schlägt der deutsche Rechtsstaat zurück? Wann hört diese verfluchte Heuchelei endlich auf? Es sind Merkels Tote!#Nizza#Berlin
— Marcus Pretzell (@MarcusPretzell) 19. Dezember 2016
Dass das politische Berlin von dieser Aussage empört ist, wie das «Handelsblatt» berichtet, liegt auf der Hand. Die beste Antwort gab Pretzell aber einer, der nicht im Reichstag oder in den Parteizentralen sitzt: Comedian Kurt Krömer, ein waschechter «Balina»:
Krömer hat einen Punkt: Der grausame Anschlag wird gnadenlos dazu genutzt, die eigene politische Marschrichtung zu rechtfertigen. Das zeigt sich auch auf Pretzells Facebook-Seite, wo der Mann behauptet, deutsche Medien hätten ihren Lesern Fakten vorenthalten.
Ein frühes Tat-Bekenntnis von «ISIS» etwa – das nicht ungeprüft übernommen wird, um keine «Werbung» für solche Gruppen zu machen. Oder dass es sich um Absicht handelte, weil der polnische LKW erst nicht auf einen islamistischen Anschlag hindeutete. Ein Unfall konnte also nicht ausgeschlossen werden.
.@cem_oezdemir ruft zu Zusammenhalt u. Anstand auf: "Hassprediger haben wir schon genug" als Reaktion auf Tweet von @MarcusPretzell #ZDFmoma pic.twitter.com/z5aarjtzuN
— ZDF Morgenmagazin (@morgenmagazin) 20. Dezember 2016
Optionen offenhalten und Zurückhaltung üben, bis Gewissheit besteht, ist aber nicht Pretzells Sache:
Dass es eine islamistische Gefahr gibt, ist unbestritten. Auch ein Kurt Krämer schreibt, Deutschland sei «wenn überhaupt im Krieg mit dem Terror». Aber das Problem ist leider auch, dass mit dem einen Fundamentalisten auch der andere Fundamentalist ins Rampenlicht tritt.
@MarcusPretzell Sie instrumentalisieren die Opfer in #Berlin für ihre widerliche Hetze.Geschmacklos & menschenverachtend.
— Niema Movassat (@NiemaMovassat) 19. Dezember 2016
Neben wütenden Reaktionen deutscher Bürger hat sich Pretzell mit seinem Tweet auch juristisch in eine Grauzone begeben: Die Polizei prüft, ob die Aussage strafrechtliche Folgen haben wird.
Polizei München lässt Anti-Merkel-Tweet der #AfD prüfenhttps://t.co/9ge7iHw0oq#BerlinAttack #Weihnachtsmarkt #AfD #Pretzell #Berlin https://t.co/9RXHCfpBhZ
— Bananenrepublik (@Stimmbuerger) 21. Dezember 2016
Mein lieber Herr @MarcusPretzell, Dank Ihnen hat jetzt der Begriff des hässlichen Deutschen für mich ein Gesicht bekommen. Shame on you.
— Dingenskirchen (@hubertsrevier) 20. Dezember 2016
(phi, auch via Meedia)
Es hat fast den Eindruck, dass gewisse Leute richtiggehend auf so ein Ereignis gewartet haben... Bedenklich...
Und juristisch gegen dumme Tweets vorzugehen dünkt mich auch eher kontraproduktiv.
Aber Klappspaten finde ich ein gutes Wort. Das benutze ich mal demnächst.