Der Pro-Chemnitz-Vorsitzende Martin Kohlmann hat auf Nachfrage, wer denn seiner Meinung nach die Hitlergrüsse getätigt habe, geantwortet, er habe RTL in Verdacht, da mehrere Hitlergrüsser sich hinterher freundlich mit einem RTL-Team unterhalten hätten.
Darauf angesprochen, dass die Neonazi-Partei «Der III. Weg» teilgenommen habe, erwiderte Kohlmann, dass er es nicht gut gefunden hätte, dass diese mit ihren Parteisymboliken anwesend waren.
Er wolle und könne aber niemanden ausschliessen, sondern wolle mit jedem gemeinsam demonstrieren zu diesem gemeinsamen Anliegen. Kohlmann hat sich also auf explizite Nachfrage nicht von der Neonazi-Partei «Der III. Weg» distanziert.
Die Kundgebung ist beendet. Der Vorsitzende von "Pro Chemnitz" wollte sich auf meine Nachfrage hin übrigens nicht einmal von knallharten Neonazis distanzieren, die am Montag mitgelaufen sind. So viel zu "nicht rechtsextrem"... #Chemnitz #c3008 pic.twitter.com/gbeSHy48Zs
— Felix Huesmann (@felixhuesmann) 30. August 2018
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer hat die Chemnitzer dazu aufgerufen, eine klare Grenze zu Rechtsextremisten zu ziehen. Gleichzeitig erklärte der CDU-Politiker am Donnerstag, er werde sich gegen eine pauschale Verurteilung aller Bürger als Anhänger rechter Losungen stemmen.
Kretschmer war mit mehreren Mitgliedern seines Kabinetts nach Chemnitz gekommen, um mit Einwohnern in den Räumen des Stadions der Stadt über die fremdenfeindlichen Ausschreitungen am Sonntag und Montag zu sprechen.
Der Ministerpräsident begann seine Ansprache vor rund 500 Menschen in den Räumen des Stadions mit der Aufforderung zu einer Schweigeminute: «Wir erinnern an einen Chemnitzer Bürger, um den heute seine Familie, Angehörige, Freunde trauern.» Der Deutsche war in der Nacht zum Sonntag getötet worden.
Die Staatsanwaltschaft verdächtigt zwei Migranten, den Mann erstochen und zwei weitere Deutsche schwer verletzt zu haben. Einer der Verdächtigen ist mehrfach vorbestraft, unter anderem wegen Körperverletzung.
Es werde alles dafür getan, dass dieses Verbrechen aufgeklärt und gesühnt werde, sagte Kretschmer. Nach der Tat war es zu den Ausschreitungen gekommen, die bundesweit Sorgen und Empörung auslösten und auch den UNO-Kommissar für Menschenrechte zu mahnenden Worten veranlassten.
Vor dem Stadion versammelten sich gleichzeitig rund 1000 Menschen zu einer Protestkundgebung der rechtspopulistischen Bewegung Pro Chemnitz. Die Kundgebung war begleitet von einem massiven Polizeiaufgebot und scharfen Kontrollen, verlief aber ohne grössere Zwischenfälle. Insgesamt war die Polizei am Abend mit mehr als 1200 Kräften im Einsatz.
Die Stimmung unter den Demonstranten war aufgeheizt, aber nicht bedrohlich wie bei den Protesten am vergangenen Montag. Die Protestierenden bemängelten ein aus ihrer Sicht zu lasches Vorgehen gegen kriminelle Migranten und kritisierten die Politik der sächsischen Landesregierung.
Bei der Protestkundgebung registrierte die Polizei mindestens acht Straftaten. Dabei handelte es sich um Verstösse gegen das Versammlungsgesetz und das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, wie die Polizei mitteilte. Zudem erkannten die Beamten Teilnehmer wieder, die sich bei den Protesten am Montag strafbar gemacht hatten.
Nachdem am Montag deutlich zu wenig Polizisten im Einsatz waren, wurden am Donnerstag die sächsischen Beamten von Kollegen aus anderen Bundesländern, von der Bundespolizei und Bereitschaftspolizei unterstützt. «Wir werden nicht dulden, dass Chaoten und gewaltbereite und rechte Gewalttäter die Strassen erobern», sagte Sachsens Innenminister Roland Wöller.
"Nette Grüße mit dem rechten Arm gen Himmel werden heute rigoros mit Platzverweis bestraft", kündigt ein Demo-Organisator an. So kann man Hitlergrüße natürlich auch verharmlosen. #c3008 #chemnitz pic.twitter.com/GNd9os6gHe
— Felix Huesmann (@felixhuesmann) 30. August 2018
Zuvor hatte das sächsische Justizministerium einen Erfolg bei der Suche nach einer undichten Stelle bei den Behörden vermelden könen. Den im Internet veröffentlichten Haftbefehl eines mutmasslichen Täters der Messerattacke von Chemnitz hatte offensichtlich ein Dresdner Justizvollzugsbediensteter weitergegeben. Der Mann sei mit sofortiger Wirkung vom Dienst suspendiert worden, teilte das Ministerium mit.
Der illegal veröffentlichte Haftbefehl hatte für viel Kritik gesorgt. Das teilweise geschwärzte Dokument war unter anderem auf Internetseiten von Pro Chemnitz, einem Kreisverband der AfD sowie des Pegida-Gründers Lutz Bachmann verbreitet worden.
Auf der Suche nach der undichten Stelle seien bereits am Mittwoch zahlreiche Objekte durchsucht worden, hiess es vom Justizministerium weiter. Die Ermittlungen hätten sich bald auf die Justizvollzugsanstalt Dresden konzentriert.
Neben dem getöteten 35-jährigen Deutschen waren bei der Messerattacke zwei 33- und 38-Jährige zum Teil schwer verletzt worden. Mittlerweile wurde einer der Männer aus dem Spital entlassen. Der dritte Geschädigte befinde sich noch in stationärer Behandlung, schwebe aber nicht in Lebensgefahr, teilte die Staatsanwaltschaft mit.
Nach der Tat zogen überwiegend rechte Demonstranten durch die Stadt und hetzten gegen Ausländer, einige wurden sogar angegriffen. Die rechtsextremen und ausländerfeindlichen Übergriffe stiessen bundesweit und international auf Ablehnung. Die sächsische Polizei geriet in die Kritik, weil sie das Ausmass des Protestes unterschätzt und zu wenig Personal zu Demonstrationen geschickt hatte. (sda/dpa/reu/watson.de)