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Verena Bahlsen: Keks-Erbin empört mit Aussagen zu Nazi-Zwangsarbeitern

ARCHIV - 26.03.2019, Berlin: Verena Bahlsen steht bei einem Pressedinner zur Vorstellung von speziellen Gerichten im Restaurant «Hermann's». Die Urenkelin des Gründers der Keks-Fabrik Bahlsen hat ...
Verena Bahlsen.Bild: DPA ZB

Zwangsarbeiter gut bezahlt? Deutsche Keks-Erbin Verena Bahlsen empört mit Interview

15.05.2019, 15:1815.05.2019, 15:39
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Verena Bahlsen ist 26 Jahre alt und verdient gerne Geld. Das sagte die Erbin des Keks-Unternehmens Bahlsen kürzlich bei einer Veranstaltung von «Online Marketing Rockstars» auch deutlich:

«Ich bin überhaupt nicht gegen Kapitalismus. Mir gehört ein Viertel von Bahlsen und ich freue mich auch drüber. Es soll mir auch weiterhin gehören. Ich will Geld verdienen und mir Segel-Jachten kaufen von meiner Dividende und sowas.»

Sie reagierte damit auch auf die Sozialismus-Debatte, die Juso-Chef Kevin Kühnert angestossen hatte. Auch Kühnert sprach beim «OMR»-Festival.

Bahlsens nicht ganz ernst gemeintes Plädoyer für Kapitalismus brachte ihr einen Shitstorm ein. Auf Twitter stellten Nutzer schnell eine Verbindung zu der Zeit des Bahlsen-Familienunternehmens während der NS-Zeit her.

So kommentierte das linke «Lower Class Magazine» giftig: «Hi, ich habe Geld aus Zwangsarbeit mit Nazi-Kriegsgefangenen geerbt und hol mir jetzt ne Segelyacht. Folgt mir auf instgramm und fresst meine Kekse. Heil Bahlsen. (sic).»

Ab 1940 mussten etwa 200 Zwangsarbeiter, vorwiegend Polinnen und Ukrainerinnen, für Bahlsen arbeiten. Sie waren in Barackenlagern untergebracht.

Am Montag reagierte Verena Bahlsen auf diese Kritik im Gespräch mit der Bild. Doch ihre Aussagen dort haben den Shitstorm nur wieder neu angefacht.

Der «Bild» sagte die 26-Jährige:

«Es ist nicht in Ordnung, meinen Vortrag damit in Verbindung zu bringen. Das war vor meiner Zeit und wir haben die Zwangsarbeiter genauso bezahlt wie die Deutschen und sie gut behandelt.»

Übrigens: Eine Klage von 60 ehemaligen Zwangsarbeitern gegen Bahlsen wurde 2000 wegen Verjährung abgewiesen. Bahlsen trat damals der «Stif­tungs­in­itia­tive der deutschen Wirt­schaft für die Entschä­di­gung ehema­liger Zwangs­ar­beiter» bei.

Die Aussage Bahlsens zeugt zumindest von Geschichtsvergessen, schreibt die «Zeit». Denn der Staat habe zur NS-Zeit per Gesetz vorgegeben, dass Zwangsarbeiter nur einen Drittel bis die Hälfte des Lohns eines Deutschen verdienen dürfe, sagt der Historiker Ulrich Herbert von der Uni Freiburg zur «Zeit».

Der Satz über die Bezahlung der Zwangsarbeiter sorgte für Ärger:

«Bild»-Reporter Paul Ronzheimer kommentierte: «Na dann ist ja alles gut. Die nächste Segelyacht kann kommen.»

«Zeit»-Redakteur Martin Eimermacher kritsierte: «Verena Bahlsen sagt: Im NS haben wir uns NICHTS ZUSCHULDEN kommen lassen. Ausser halt: Als Holocaust-Profiteure 200 Zwangsarbeiter deportieren lassen.»

Der Vorsitzende der Linkspartei, Bernd Riexinger, schrieb auf Twitter: «Dass sich eine Bahlsen-Erbin für den Kapitalismus ausspricht, ist nachvollziehbar: Wer leistungslos reich wird, profitiert eben vom System. Sich über Kritik daran zu aufzuregen, gerade wenn die eigene Firma Zwangsarbeiter im NS beschäftigt hat, ist unfassbare Ignoranz.»

(ll/watson.de)

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61 Kommentare
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Sapere Aude
15.05.2019 15:32registriert April 2015
Sie mag zwar recht haben damit, dass sie selbst sich nichts zu Schulden kommen lassen hat. Insofern liesse sich durchaus argumentieren, dass die NS Kritik auf diese plumpe Art nicht angebracht sei. Es ist jedoch nicht gerade hilfreich, wenn die eigene Kritik an Kühnert selbst an Plumpheit und Unreflektiertheit kaum zu überbieten ist. Wenn sie sich dann noch mit der Aussage rechtfertigen will, die Arbeiter seien gut bezahlt worden, lässt dies reichlich Verantwortungs- und Geschichtsbewusstsein vermissen.
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Hierundjetzt
15.05.2019 16:38registriert Mai 2015
Bahlsen: Ich habe mir nichts vorzuwerfen, Zwangsarbeit war vor 70 Jahren

Auch Bahlsen: Ich bin so stolz auf meinen Grossvater der das Geschäft vor 80 Jahren aufgebaut hat und wegen dem ich reich bin.

k.
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DichterLenz
15.05.2019 17:31registriert Juni 2017
Ja, wenn man Milliarden erbt ist es einfach Kapitalist zu sein.
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