Sie war ein Wahlschlager von Donald Trump: Die «grosse schöne Mauer» an der Grenze zu Mexiko. Sie sollte nach der Vorstellung des Kandidaten Trump Drogenhändler, sonstige Kriminelle und nicht zuletzt illegale Einwanderer davon abhalten, die USA zu «überfluten». Bezahlt werde sie von Mexiko, rief Trump bei seinen Wahlkampfauftritten unter dem Jubel seiner Fans.
Als eine der ersten Amtshandlungen nach seiner Vereidigung unterzeichnete Präsident Trump ein Dekret, das den Bau anordnete. Am Dienstagnachmittag lief die Eingabefrist für Bauunternehmen ab, die sich an der Errichtung des Grenzwalls beteiligen wollen. Mehrere hundert Firmen sollen sich beworben haben. Genauere Angaben verweigert die US-Grenzschutzbehörde.
Sicher ist jedoch, dass einige der grössten US-Baukonzerne abseits stehen. Bechtel, Fluor und Turner, die drei wichtigsten Empfänger von US-Regierungsaufträgen, befinden sich laut einem CNN-Bericht nicht auf der Liste. Von den 20 grössten Unternehmen hätten nur drei ein Interesse angemeldet. Ein Bauunternehmer begründete dies gegenüber CNN mit den vielen Bedenken gegenüber der Mauer, von politischen über finanzielle bis zum «sehr menschlichen Aspekt».
Nach der internationalen Kritik an der Trump-Mauer sorgten sich die Firmen auch um Aufträge in anderen Ländern, so der Unternehmer. In den USA droht ähnliches Ungemach. In den beiden grossen, demokratisch regierten Bundesstaaten Kalifornien und New York wurden politische Vorstösse eingereicht, die Firmen von öffentlichen Aufträgen ausschliessen wollen, die sich am Mauerbau beteiligen. Diese Aussicht soll viele Firmen abgeschreckt haben.
Es gibt jedoch Gegenbeispiele. Die Penna Group aus dem texanischen Fort Worth hat sich für den Mauerbau beworben, obwohl deren Inhaber Michael Evangelista-Ysasaga selber ein Nachkomme von illegalen Einwanderern ist. Einige Familienmitglieder leben laut US-Medienberichten noch immer ohne Aufenthaltsbewilligung in den USA. Das brachte Evangelista-Ysasaga Kritik und sogar Morddrohungen ein, wie er der «Washington Post» sagte.
Jede Nation habe die Pflicht, ihre Grenzen zu schützen, verteidigt sich der Unternehmer. Auf der anderen Seite dieser Grenze sieht man dies ein wenig anders. Ursprünglich hatten auch Firmen aus Mexiko ihr Interesse angemeldet. Nun machte etwa der Zement-riese Cemex einen Rückzieher. Zuvor hatte Aussenminister Luis Videgaray den Unternehmen ins Gewissen geredet. Die katholische Kirche bezeichnete eine Beteiligung am Mauerbau als «Landesverrat».
Schweizer Firmen scheinen weniger Hemmungen zu haben, etwa der Zementhersteller Lafarge-Holcim. Konzernchef Eric Olsen sagte an der Bilanzmedienkonferenz, als «grösster Zementproduzent in den USA» wolle man bei Trumps Infrastrukturprojekten mitmachen. Die Mauer erwähnte er nicht, im Gegensatz zu Jan Jenisch, dem Chef des Bauchemie-Konzerns Sika: «Wenn Trump die Mauer tatsächlich baut, in welcher Form auch immer, dann sind wir auch beteiligt.» Mitglieder der Zuger Juso demonstrierten darauf vor dem Konzernsitz in Baar.
Wie gross aber sind die Chancen, dass die umstrittene Grenzbefestigung tatsächlich gebaut wird? Sie muss einige Hindernisse überwinden.
Donald Trump träumte ursprünglich von einer neun Meter hohen Mauer. Nun wollen sich das Ministerium für Innere Sicherheit und der Grenzschutz offenbar mit fünfeinhalb Meter begnügen. Die Mauer soll selbst Presslufthämmern standhalten und so tief in die Erde gebaut werden, dass sie nicht untertunnelt werden kann. Das erhöht die Anforderungen und auch die Kosten.
Das Bollwerk soll auch ästhetisch ansprechend gestaltet werden, jedoch nur auf der Nordseite. Richtung Süden soll sie bekanntlich abschrecken. Die Firma Concrete Contractors Interstate aus San Diego schlägt eine polierte Mauer vor, die mit Steinen und Kunstwerken verziert wird. Eine andere Firma aus Las Vegas möchte sie mit Solarzellen bestücken. Damit könnten stündlich zwei Megawatt Strom produziert werden.
Trump schätzte die Baukosten für eine Mauer entlang der knapp 3200 Kilometer langen Südgrenze auf rund 12 Milliarden Dollar. Ein unveröffentlichter Bericht des Ministeriums für Innere Sicherheit geht laut dem Fernsehsender CNBC von 21 Milliarden Dollar aus. Mexiko denkt jedoch nicht daran, sich Trumps «Wahlversprechen» zu beugen und für die Mauer zu bezahlen.
Das Weisse Haus schlug deshalb eine Art Einfuhrzoll auf mexikanische Produkte vor. Nach Protesten aus dem Staat Texas, in dem der Handel mit Mexiko eine wichtige Rolle spielt, wurde sie fallengelassen. Nun muss wohl der US-Steuerzahler blechen. Im Budgetentwurf für das kommende Jahr sind 2,6 Milliarden vorgesehen. Ob der Kongress mitspielt, ist unklar.
Ein grosser Teil des Bodens an der Grenze befindet sich in Privatbesitz. Die Regierung Trump wird gemäss CNN Tausende Grundeigentümer enteignen müssen, um die Mauer bauen zu können. Widerstand ist programmiert. Man müsse mit jahrelangen Rechtsstreitigkeiten und Kosten von mehreren Dutzend Millionen Dollar rechnen, berichtet CNN, basierend auf die Erfahrungen mit dem Grenzzaun, den die Regierung von George W. Bush 2006 beschlossen hatte.
Der Fluss bildet die gesamte, rund 2000 Kilometer lange Grenze zwischen Texas und Mexiko. Die Grenze verläuft genau in der Mitte, eine Knacknuss für die Mauerbauer. Der neue Innenminister Ryan Zinke sorgte letzte Woche für Aufsehen, als er erklärte, man werde die Mauer «nicht auf unserer Seite bauen und den Fluss Mexiko überlassen». Dies wurde als Anspielung interpretiert, dass Zinke die Mauer auf der mexikanischen Seite des Rio Grande errichten will.
«Ich weiss nicht, wie das funktionieren soll», sagte der texanische Senator John Cronyn, ein konservativer Republikaner, der Zeitung «Dallas Morning News». Austin Evers, Direktor eine Anti-Mauer-Organisation, brachte es auf den Punkt: «Erst wollte Präsident Trump eine Mauer an der Südgrenze errichten und Mexiko dafür zahlen lassen. Nun plant seine Regierung den Bau einer Mauer in Mexiko und will die Amerikaner dafür zahlen lassen.»
Diese Punkte zeigen: Bis die Mauer gebaut ist, wird noch sehr viel Wasser den Rio Grande hinab fliessen. Sofern sie überhaupt jemals gebaut wird. Vorerst will die Regierung einige Prototypen erstellen, auf bundeseigenem Land im kalifornischen San Diego.