Im September 2018 schlug ein Gastbeitrag in der «New York Times» hohe Wellen: Die Zeitung druckte damals das Meinungsstück «A Warning» eines anonymen hochrangigen Regierungsmitarbeiters ab, in dem von aktivem Widerstand gegen Präsident Donald Trump innerhalb der US-Regierung berichtet wurde.
«Ich weiss es. Ich bin einer von ihnen», hiess in diesem Text. Lange wurde spekuliert, wer ihn geschrieben hat. Miles Taylor, ehemaliger Berater von Trumps Heimatschutzministerium, outete sich am Mittwoch als Verfasser des Meinungsstücks.
Auf Twitter schreibt er: «Donald Trump ist ein Mann ohne Charakter. Das ist, wieso ich ‹A Warning› verfasst habe und wieso ich und meine Kollegen uns gegen ihn monatelang ausgesprochen haben.» Es sei nun für alle Zeit, aus dem Schatten zu treten.
Donald Trump is a man without character. It’s why I wrote “A Warning”...and it’s why me & my colleagues have spoken out against him (in our own names) for months. It’s time for everyone to step out of the shadows. My statement: https://t.co/yuhTgZ4bkq
— Miles Taylor (@MilesTaylorUSA) October 28, 2020
Trump warf dem 2018 noch anonymen Autor Hochverrat vor. Taylor widerspricht ihm und zitiert den überparteilich beliebten ehemaligen US-Präsidenten Theodore Roosevelt:
In seinem Statement schreibt Taylor, dass er Republikaner sei und gehofft habe, dass Trump Erfolg habe. «Deshalb bin ich mit John Kelly in die Regierungsbehörde gekommen und deshalb bin ich als Stabschef im Heimatschutzministerium geblieben. Aber allzu oft habe ich in Krisenzeiten gesehen, wie Donald Trump bewiesen hat, dass er ein Mann ohne Charakter ist.»
Taylor wirft dem US-Präsidenten vor, wegen «persönlichen Fehlern» Führungsfehler verursacht zu haben, die so schwerwiegend seien, dass sie anhand der Anzahl Verstorbenen gemessen werden könnten. «Ich habe miterlebt, wie Trump im Laufe von zweieinhalb Jahren unfähig war, seine Arbeit zu tun. Jeder sah es, obwohl die meisten aus Angst vor Repressalien zögerten, sich zu äussern.»
Das ist eine gute Frage. 68 Tage zuvor, Mitte August, wurde Taylor in einer CNN-Sendung gefragt, ob er den Autor des Meinungsstücks kenne. Taylor verneinte damals, selbst diese Person zu sein.
Kayleigh McEnany, Sprecherin des Weissen Hauses, bezeichnete ihn deshalb am Mittwoch als «Lügner». «Das ist, was alle Leute in Washington hassen: Heuchlerische Lügner, die ihre politische Agenda auf Kosten des Volkes durchsetzen wollen. Das ist der Inbegriff des Sumpfes!»
“I wear a mask for two things, Anderson: Halloween and pandemics. So, no,” says @MilesTaylorUSA, when asked by @AndersonCooper if he is the author of the op-ed book written by someone called Anonymous. pic.twitter.com/sPjs4OoAnp
— CNN Newsroom (@CNNnewsroom) August 21, 2020
Die «New York Times» veröffentlichte zunächst keine Bestätigung, dass es sich beim Autoren wirklich um Miles Taylor handle. Sie nahmen sein Outing in der Berichterstattung am Mittwoch auf, betonten jedoch, dass die Meinungsseite ihrer Zeitung unabhängig von der Nachrichtenredaktion geleitet werde und die hauseigenen Journalisten zu keinem Zeitpunkt die Identität der anonymen Person erfuhren.
Das Weisse Haus bezeichnete ihn in einem ersten Statement als «verärgerten ehemaligen Mitarbeiter». Er sei ein «Lügner und Feigling», der Anonymität und Führungsschwäche vorziehe.
In a statement, @PressSec calls former DHS Chief of Staff, who just revealed himself as "Anonymous," a "low-level, disgruntled former staffer" who is a "liar and a coward." pic.twitter.com/m0aopRyfSi
— Sara Cook (@saraecook) October 28, 2020
Trump war am Mittwoch an einer Wahlkampfveranstaltung in Arizona und twitterte zunächst nichts zu Taylors Outing. Er nannte ihn im August jedoch einen «ehemaligen, verärgerten Angestellten» und verneinte, je von ihm gehört zu haben.
Many thousands of people work for our government. With that said, a former DISGRUNTLED EMPLOYEE named Miles Taylor, who I do not know (never heard of him), said he left & is on the open arms Fake News circuit. Said to be a real “stiff”. They will take anyone against us!
— Donald J. Trump (@realDonaldTrump) August 18, 2020
Die «New York Times» hielt 2018 seinen Namen anonym, betonte aber, ihn zu kennen. Die Zeitung schrieb damals: «Wir glauben, dass die anonyme Veröffentlichung dieses Essays die einzige Möglichkeit ist, unseren Lesern eine wichtige Sichtweise zu übermitteln.» Das überraschende Outing von Taylor kam nun überraschend kurzfristig eine Woche vor den Präsidentschaftswahlen.
Taylor berichtete 2018 von Trump-Beamten, die geschworen hätten, gegen seine fehlgeleiteten Impulse anzutreten. Im Essay wird auch die Ursache für den Widerstand thematisiert.
(pit)