Donald Trump hat eine miese Woche hinter sich. Sein Ex-Anwalt Michael Cohen beschuldigte ihn vor Gericht, im Wahlkampf 2016 die mutmasslich illegale Zahlung von Schweigegeld an zwei Frauen veranlasst zu haben, mit denen der Präsident eine Affäre hatte. Sein ehemaliger Wahlkampfleiter Paul Manafort wurde wegen Banken- und Steuerbetrugs schuldig gesprochen.
Die Verurteilung ist ein erster Erfolg für Sonderermittler Robert Mueller, auch wenn sie nicht direkt mit Trumps angeblicher Russland-Connection zusammenhängt. Ausserdem wollen weitere Leute aus seinem Umfeld mit der Justiz kooperieren, darunter sein einstiger Finanzchef. Der Präsident kämpft einen Mehrfronten-Krieg, ein Impeachment ist nicht mehr ausgeschlossen.
Was also tut Donald Trump in dieser misslichen Lage? Er greift zu einer bewährten Methode und appelliert schamlos an die Ängste seiner fast ausschliesslich weissen Wählerbasis.
I have asked Secretary of State @SecPompeo to closely study the South Africa land and farm seizures and expropriations and the large scale killing of farmers. “South African Government is now seizing land from white farmers.” @TuckerCarlson @FoxNews
— Donald J. Trump (@realDonaldTrump) 23. August 2018
Am letzten Mittwoch twitterte Trump über angebliche Enteignungen und «die weit verbreitete Ermordung» von weissen Farmern in Südafrika. Dabei berief er sich auf einen Beitrag auf seinem Haussender Fox News. Tags darauf musste der verantwortliche Moderator Tucker Carlson zurückrudern und zugeben, dass es bislang keine solchen Enteignungen gegeben habe.
Die Botschaft aber war angekommen: Im mehrheitlich schwarzen Südafrika sind die Weissen ihres Lebens und Eigentums nicht mehr sicher. Damit trifft Trump den Nerv vieler Amerikaner, die sich davor fürchten, dass die Weissen – genauer die Abkömmlinge europäischer Einwanderer – ihre traditionelle Vormachtstellung in den USA an die Schwarzen und vor allem die Latinos verlieren.
Der demografische Wandel ist eine Tatsache. 2013 wurden erstmals mehr nichtweisse als weisse Babys in Amerika geboren. Spätestens in der Mitte des Jahrhunderts wird es in den USA nur noch Minderheiten geben. Diese Aussicht erschreckt die konservativen Weissen und war ein wichtiges Motiv, warum sie dem Anti-Politiker Donald Trump 2016 scharenweise ihre Stimme gaben.
Der New Yorker liess keine Gelegenheit aus, diese rassistischen Befindlichkeiten zu bedienen. In seinem ersten Auftritt als Präsidentschaftskandidat beschimpfte er mexikanische Einwanderer als Vergewaltiger und Drogendealer. Nach der Wahl mässigte er sich keineswegs. Trump betreibe «weisse Identitätspolitik auf Steroiden», schrieb der Schriftsteller Richard North Patterson in seiner Kolumne für den Boston Globe.
Er kritisierte die Einwanderung aus «Drecksloch»-Ländern vorab in Afrika und fragte sich, warum nicht mehr Menschen aus Norwegen (Typus blond und blauäugig) in die USA kommen. Er begnadigte den rassistischen Sheriff Joe Arpaio. Tiefpunkt waren die Unruhen in Charlottesville, als der Präsident die Randale der Rechtsextremen verharmloste.
Letzte Woche kam ein weiterer Vorfall hinzu. In einem Maisfeld im Bundesstaat Iowa wurde die Leiche der seit fünf Wochen vermissten 20-jährigen Studentin Mollie Tibbetts gefunden. Ihr Mörder konnte dank Bildern eines Überwachungskamera überführt werden. Es handelte sich um den 24-jährigen Cristhian Bahena Rivera, einen Farmarbeiter aus Mexiko, der sich vermutlich illegal im Land aufhielt.
Die tragische Geschichte erinnert an ähnliche Fälle in Europa, etwa die Vergewaltigung und Ermordung einer 19-Jährigen in Freiburg im Breisgau durch einen afghanischen Asylbewerber. Während sich das linksliberale Amerika mit Cohen und Manafort beschäftigte, wurde der Fall Tibbetts in der rechten Filterblase weidlich ausgeschlachtet. Und Trump mischte kräftig mit.
In einer Videobotschaft sagte der Präsident, Mollie Tibbetts sei nun «permanent von ihrer Familie getrennt» – eine klare Anspielung auf die heftige Kritik an der von ihm verfügten Trennung der Kinder illegaler Einwanderer von ihren Eltern. Selbst Angehörige der ermordeten Studentin zeigten sich empört über die Versuche von rechts, die Tragödie politisch auszuschlachten.
— Donald J. Trump (@realDonaldTrump) 22. August 2018
Für Trump und seinen Anhang aber ist die Identität des mutmasslichen Täters ein klarer Beleg dafür, dass die berüchtigte Mauer an der Südgrenze notwendig ist. Ausserdem hoffen die Republikaner, dass der Fall Tibbetts ihnen dabei helfen wird, bei den Kongresswahlen im November ihre Mehrheiten im Repräsentantenhaus und im Senat zu verteidigen.
Linke Kritiker halten dieses Unterfangen angesichts der Demografie und von Trumps notorisch tiefen Popularitätswerten – sie bewegen sich trotz Wirtschaftsboom zwischen 40 und 45 Prozent – für aussichtslos oder gar kontraproduktiv. Doch man darf die Entschlossenheit der Republikaner niemals unterschätzen, ihre Vorherrschaft und jene der weissen Amerikaner zu verteidigen.
Mit weisser Identitätspolitik kennen sie sich aus. In den 60er und 70er Jahren begann die Partei des Sklavenbefreiers Abraham Lincoln, die durch die Bürgerrechtsbewegung geschürten Ängste der konservativen Weissen für sich zu nutzen, mit Codewörtern wie «States' Rights». Gemeint sind die Rechte der Bundesstaaten, andere Menschen zu diskriminieren.
So offen wie während der Rassentrennung lässt sich dies nicht mehr praktizieren. Aber die Republikaner haben andere Wege gefunden, um «die Wählerschaft weiss zu halten», wie Richard North Patterson schreibt. Dazu gehört das «Gerrymandering», die Zeichnung der politischen Landkarte mit dem Ziel, möglichst viele Wahlkreise mit rechter Mehrheit zu schaffen.
Ausserdem haben die Republikaner in den von ihnen beherrschten Gliedstaaten Gesetze verabschiedet, die junge und arme Wähler von der Stimmabgabe abhalten sollen. Sei es durch eine Ausweispflicht, eine Einschränkung der vorzeitigen Stimmabgabe oder die Schliessung von Wahllokalen, wie es zuletzt in einem mehrheitlich schwarzen Bezirk in Georgia beabsichtigt war.
Langfristig wird sich diese Blockadementalität kaum auszahlen. Vielmehr droht den Republikanern ein Schicksal wie in Kalifornien, wo sie in den 1990er Jahren mit einer rabiaten Anti-Latino-Politik versucht hatten, das Rad der Zeit zu stoppen. Heute sind sie im einwohnermässig grössten US-Bundesstaat politisch weitgehend marginalisiert.
Daraus lernen werden sie kaum. Vielmehr wird Donald Trump noch stärker auf dieser Klaviatur spielen, wenn sich die juristische Schlinge um seinen Hals zuziehen sollte. Die Republikaner werden ihm folgen, mit verheerenden Folgen für das Land, wie Richard North Patterson meint: «In ihrem verzweifelten Versuch, zu überleben, werden sie die weisse Identitätspolitik bis zum bitteren Ende vorantreiben und dabei das Land spalten und unsere Seelen verkümmern.»