War das ein Vorgeschmack auf die Präsidentschaftswahl 2020? Donald Trump absolvierte am Montagabend in El Paso im westlichsten Zipfel von Texas einen Auftritt vor mehreren Tausend Anhängern. Für US-Medien handelte es sich um den Auftakt zu seiner Wiederwahlkampagne. Denn der 72-jährige US-Präsident will es nächstes Jahr erneut wissen.
Fast gleichzeitig und nur etwa eine halbe Meile entfernt sprach ein Politiker, der Trump im November 2020 womöglich herausfordern wird: Robert «Beto» O'Rourke, ein 46-jähriger Shootingstar der Demokratischen Partei, seit er im letzten November die Senatswahl in Texas nur knapp gegen den erzkonservativen Republikaner Ted Cruz verloren hat.
Das Fernduell an der Grenze zu Mexiko war nicht nur ein Clash der Generationen und Ideologien. Es war ein Aufeinandertreffen zweier Lebenswelten, die sich weit voneinander entfernt haben und kaum noch Gemeinsamkeiten kennen. Hier das weisse, auf Abschottung setzende Amerika der Republikaner, dort das bunte, weltoffene Land, das von den Demokraten repräsentiert wird.
Die Realität ist etwas komplexer. Unter den Trump-Anhängern, die sich im El Paso County Coliseum versammelt hatten, befanden sich viele Latinos. Es sei «die vielleicht vielfältigste Gruppe, die Trump je an einem Auftritt angezogen hat», meinte die «Washington Post». Seine Botschaft aber war altbekannt: «Finish the Wall» hiess es auf Transparenten neben einer riesigen amerikanischen Flagge.
Damit machte der Präsident einmal mehr Werbung für seine Grenzmauer. Er verwies auf den 2008 in El Paso erbauten Grenzzaun und behauptete, die Zahl der Gewaltverbrechen sei seither rückläufig: «Mauern retten Leben, Mauern retten eine enorme Zahl von Leben.» Beto O'Rourke, der aus El Paso stammt, widersprach vehement: «Mauern retten keine Leben, Mauern beenden Leben.»
Die Fakten hat der Demokrat – wen wundert es – auf seiner Seite. Am letzten Samstag hatte O'Rourke einen Beitrag auf der Website Medium veröffentlicht. Darin postete er einen Artikel aus der Lokalzeitung, in dem El Paso als zweitsicherste Grossstadt des Landes bezeichnet wurde. Veröffentlicht wurde er 2003, fünf Jahre vor dem Bau des Grenzzauns.
El Paso was NEVER one of the MOST dangerous cities in the US. We‘ve had a fence for 10 years and it has impacted illegal immigration and curbed criminal activity. It is NOT the sole deterrent. Law enforcement in our community continues to keep us safe #SOTU
— Mayor Dee Margo (@mayor_margo) 6. Februar 2019
Die Kriminalität in El Paso erreichte ihren vorläufigen Tiefpunkt 2006, also ebenfalls vor dem «Mauerbau». Laut der Statistik des FBI war die Mordrate 2017 mit 19 Opfern etwa halb so hoch wie im nationalen Durchschnitt. Darauf verwies auch Stadtpräsident Dee Margo – ein Republikaner – via Twitter. El Paso sei «nie eine der gefährlichsten Städte der USA gewesen».
Finish that wall? Pres. Trump and possible 2020 rival Beto O'Rourke held dueling rallies last night in El Paso with opposite points of view on the wall. @CeciliaVega has the story. https://t.co/B2QbV7zat2 pic.twitter.com/aIUsFeAe34
— Good Morning America (@GMA) February 12, 2019
Die Reaktion von Donald Trump am Montag: «Egal ob Republikaner oder Demokrat, sie erzählen nur Mist, wenn sie behaupten, die Mauer hätte keinen grossen Unterschied bedeutet.» Für die mögliche Präsidentschaftskandidatur von Beto O'Rourke hatte er nur Spott übrig. Er habe die Wahl gegen Ted Cruz verloren. «Man sollte gewinnen, wenn man antreten will.»
Für viele Demokraten ist der frühere Kongressabgeordnete trotzdem ein Hoffnungsträger, weil er im rechten Cowboy-Staat eine linke Kampagne geführt und trotzdem nur knapp gegen Cruz verloren und erst noch die Rekordsumme von 80 Millionen Dollar an Spendengeldern gesammelt hat. Bei seinem Open-Air-Auftritt am Montag auf einem Baseballfeld hielt sich O'Rourke bedeckt.
Bis Ende Monat wolle er entscheiden, ob er zur Präsidentschaftswahl 2020 antreten werde, hatte er angekündigt. Er wird es sich gut überlegen, denn das Feld der demokratischen Bewerber ist schon jetzt kaum überschaubar. Am letzten Wochenende gesellten sich die Senatorinnen Amy Klobuchar und Elizabeth Warren – sie hatte ihre Kandidatur bereits Ende letzten Jahres vorgespurt – hinzu.
Warren wurde bei ihrem Auftritt in Boston vom Kongressabgeordneten Joe Kennedy unterstützt. Dies liess Politbeobachter aufhorchen, denn der Enkel des 1968 ermordeten Präsidentenbruders Robert Kennedy gilt als enger Freund von Beto O'Rourke. Allerdings vertritt Kennedy wie Warren den Bundesstaat Massachusetts in Washington.
Gut möglich, dass O'Rourke verzichten wird. Er ist noch jung, und einiges spricht dafür, dass die Demokraten mit einer Frau gegen Donald Trump antreten werden. Eines allerdings hat für ihre Wählerschaft Priorität, wie die Meinungsforscherin Jill Normington der «Washington Post» sagte: Er oder sie muss Trump schlagen. Alles andere ist nebensächlich.
Ein dynamischer Texaner, der trotz seiner Niederlage ein Winner-Image besitzt, ist dafür vielleicht nicht die schlechteste Option. Für seine Fans, die ihn am Montag in seiner Geburtsstadt wie einen Rockstar feierten, ist der Fall klar. Sie trugen T-Shirts mit dem Aufdruck «Beto for President».