James Comey war die meiste Zeit seines Lebens ein eingetragener Republikaner. Seine Mitgliedschaft in der Partei hat der frühere FBI-Direktor vor einiger Zeit aufgekündigt. Nun ging er einen Schritt weiter. Der von den Republikanern kontrollierte Kongress habe sich als unfähig erwiesen, ein Gegengewicht zum Präsidenten zu bilden, schrieb Comey sinngemäss auf Twitter: «Wer an die Werte dieses Landes glaubt, muss im Herbst die Demokraten wählen.»
This Republican Congress has proven incapable of fulfilling the Founders’ design that “Ambition must ... counteract ambition.” All who believe in this country’s values must vote for Democrats this fall. Policy differences don’t matter right now. History has its eyes on us.
— James Comey (@Comey) 18. Juli 2018
Comey hat mit Trump eine Rechnung offen. Der Präsident hatte ihn im Frühjahr 2017 als Chef des FBI gefeuert, weil er sich geweigert hatte, ihm bedingungslose Loyalität zu garantieren. Was er über Trump denkt, hielt Comey am Dienstag auf Twitter fest: Beim Gipfel in Helsinki «stand er neben einem mörderischen, lügenden Gauner und weigerte sich, sein Land zu verteidigen».
This was the day an American president stood on foreign soil next to a murderous lying thug and refused to back his own country. Patriots need to stand up and reject the behavior of this president.
— James Comey (@Comey) 16. Juli 2018
Mit seiner Kritik steht er nicht allein. Der devote Umgang des US-Präsidenten mit seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin hat viele in den USA erzürnt. Sogar von «Hochverrat» war die Rede. Trump sah sich nach seiner Rückkehr gezwungen, sich in einer peinlichen Wortkapriole hinter die von ihm in Helsinki desavouierten Geheimdienste zu stellen.
Unter die Kritiker mischten sich auch führende Republikaner, allen voran der alte Haudegen John McCain oder Paul Ryan, der Vorsitzende des Repräsentantenhauses. Er war einst ein Versprechen für die Zukunft, doch bei den Wahlen im November tritt er nicht mehr an, zermürbt durch den Trumpismus, der bei den Republikanern die Oberhand gewonnen hat.
Auch nach dem desaströsen Trump-Putin-Gipfel sind die Kritiker die Ausnahme. Die meisten republikanischen Politiker hüllen sich in Schweigen. Dafür wittern die Demokraten Morgenluft. Sie erkennen in Trumps Schmusekurs mit Russland eine neue Möglichkeit, um die «Midterms» im November zu gewinnen, schreibt die «Washington Post».
Die Russland-Ermittlungen von Sonderermittler und Comey-Vorgänger Robert Mueller nehmen in den Medien viel Raum ein. In der Prioritätenliste der amerikanischen Bevölkerung aber stehen sie ziemlich weit unten, weshalb die Demokraten bislang nicht davon ausgingen, sie im Wahlkampf ausschlachten zu können. Die neusten Entwicklungen könnten dies ändern.
Dazu gehört neben dem Helsinki-Gipfel auch Muellers Anklage gegen zwölf Mitglieder des russischen Militärgeheimdienstes und vor allem die Verhaftung der angeblichen Spionin Maria Butina. In diesem Fall werden immer pikantere Details bekannt. So soll die Waffennärrin versucht haben, sich gegen Sex Zugang zu einer politischen Interessengruppe zu verschaffen.
Im Zentrum aber steht Donald Trumps «Bromance» mit Wladimir Putin. Chuck Schumer, der führende Demokrat im US-Senat, stellte sie in einen historischen Kontext: «Stellen Sie sich vor, Präsident Kennedy hätte sich gegenüber Chrustschow ähnlich verhalten, oder Präsident Reagan gegenüber Gorbatschow. Wir würden heute in einer ganz anderen Welt leben.»
Für die Demokraten eröffnen sich damit neue Möglichkeiten, im November die Mehrheit im Repräsentantenhaus und vielleicht sogar im Senat zu erobern. In den letzten Monaten hatten sich ihre Hoffnungen eingetrübt. Vor allem die brummende Wirtschaft schien ihnen einen Strich durch die Rechnung zu machen. Doch schon vor Helsinki waren sie in den Umfragen im Aufwind.
Experten gehen davon aus, dass die Demokraten landesweit sieben Prozent Vorsprung auf die Republikaner benötigen, um die Mehrheit der 435 Sitze im Repräsentantenhaus zu erobern. Sie werden von der politischen Landkarte benachteiligt, wegen der Dominanz ländlich-konservativer Regionen und einer «kreativen» Wahlkreiseinteilung vorab in republikanisch dominierten Bundesstaaten.
Im Frühjahr schrumpfte der Vorsprung in den Querschnittumfragen von RealClearPolitics und FiveThirtyEight auf rund vier Prozent, zuletzt aber betrug er wieder acht Prozent und mehr. Das könnte für eine Mehrheit genügen. Für die Demokraten spricht auch, dass sie laut Politico in umkämpften Wahlkreisen deutlich mehr Geld beschaffen konnten als die Republikaner.
Alle zwei Jahre wird rund ein Drittel des 100-köpfigen Senats neu gewählt. 2018 ist die Konstellation für die Demokraten sehr ungünstig, sie müssen 26 Sitze verteidigen (inklusive zwei Parteilose) und die Republikaner nur neun. Dennoch könnte die knappe Mehrheit von 51:49 für die republikanische Partei kippen, denn ihre Mandate in Arizona und Nevada sind stark gefährdet.
Allerdings müssen sich auch mehrere demokratische Senatorinnen und Senatoren in Bundesstaaten zur Wiederwahl stellen, in denen Donald Trump 2016 teilweise klar gewonnen hat. Im schlimmsten Fall könnten sie sogar Sitze verlieren. Fast noch mehr als in der grossen Kammer kommt es darauf an, welche Partei ihre Wählerschaft besser mobilisieren kann.
In diesem Punkt sind die Demokraten ohnehin im Vorteil. Und die Aussicht auf einen weiteren Konservativen am Obersten Gerichtshof könnte ihnen zusätzliche Stimmen von Frauen einbringen. Der unerwartete Erfolg der 28-jährigen «Sozialistin» Alexandria Ocasio-Cortez bei einer Vorwahl für das Repräsentantenhaus in New York ist ein Sinnbild für den Enthusiasmus der linken Wählerschaft.
Ermutigend für die Demokraten ist auch das Ergebnis einer Umfrage der Universität Quinnipiac. Demnach wollen 71 Prozent, dass der Kongress ein Gegengewicht zum Präsidenten bildet. Sogar 51 Prozent der Republikaner äusserten sich in diesem Sinne. 50 Prozent wollen bei der Wahl des Repräsentantenhauses für einen Demokraten stimmen, nur 41 Prozent für einen Republikaner.
Die Beliebtheit von Präsident Trump selbst verharrt bei rund 42 Prozent. Ein bedenklicher Wert in einer Zeit des wirtschaftlichen Booms. Er verdeutlicht auch die Polarisierung in den USA, denn von den republikanischen Wählern sind rund 90 Prozent mit ihrem Präsidenten zufrieden. Seine Russland-Politik aber billigen laut einer neuen Reuters-Umfrage «nur» rund 70 Prozent.
Eine Momentaufnahme oder Anzeichen für eine Erosion? Der altgediente demokratische Parteistratege Joe Trippi, der am unerwarteten Erfolg von Doug Jones bei der Senats-Nachwahl in Alabama im letzten Dezember mitgewirkt hatte, tippt auf das zweite, wie er der «Washington Post» erklärte: «Der Damm ist noch nicht gebrochen, aber er hat ein Leck erhalten.»
Bis zur Wahl sind es fast vier Monate. Sollten Trumps Strafzölle sich negativ auf die eigene Bevölkerung auswirken und der konservative Richter Brett Kavanaugh bestätigt werden, könnten die Demokraten einen zusätzlichen Schub erhalten.