Donald Trump gilt nicht gerade als Workaholic. Der 72-jährige US-Präsident verbringt viel Zeit vor dem Fernseher und auf dem Golfplatz. Dieser Ruf wird durch die neuste Indiskretion scheinbar erhärtet. Die News-Website Axios erhielt von «einer Quelle im Weissen Haus» Trumps Terminkalender der letzten drei Monate zugespielt, genauer seit den Midterms.
Er zeigt vor allem eines: Der Präsident verbringt einen grossen Teil seines Arbeitstags von 8 bis 17 Uhr mit so genannter «Executive Time», also nicht klar definierten Aktivitäten. Vom 7. November 2018 bis 1. Februar 2019 waren es 297 Stunden und 15 Minuten oder rund 60 Prozent der gesamten Arbeitszeit. Auf Sitzungen entfielen gerade mal 77 Stunden und 5 Minuten.
Auffällig ist, dass fast jeder Vormittag von 8 bis 11 Uhr auf «Executive Time» entfällt. Laut der Agenda befindet sich Trump während dieser Zeit jeweils im Oval Office, seinem Büro im Westflügel des Weissen Haus. Axios jedoch schreibt mit Berufung auf sechs informierte Quellen, dass er nie dort ist, sondern sich in den privaten Räumlichkeiten der Residenz aufhält.
Trump steht in der Regel vor 6 Uhr auf und sieht fern, vor allem die Sendung «Fox & Friends» auf seinem Lieblingssender. Auch ein grosser Teil seiner Twitter-Aktivitäten entfällt auf den frühen Morgen. Daneben liest er gemäss Axios Zeitungen und telefoniert mit Mitarbeitern, Kongress- und Regierungsmitgliedern, Beratern und Freunden über das, was er gesehen und gelesen hat.
Ist der Präsident also ein Faulenzer, der erst um 11 Uhr am Arbeitsplatz erscheint und auch sonst seine Tage mit Larifari verbringt? Nicht unbedingt. Das Konzept der «Executive Time» soll der frühere Stabschef John Kelly eingeführt haben. Er reagierte damit auf die Tatsache, dass Trump strukturierte Terminpläne hasst und einen Hang zu chaotischen und impulsiven Handlungen besitzt.
Häufig würden Besprechungen und Sitzungen spontan erfolgen, sagte ein hoher Mitarbeiter des Weissen Hauses zu Axios. Andere würden absichtlich nicht in der Agenda eingetragen, damit möglichst wenige Mitarbeiter davon erfahren und sie an den Medien weiterleiten können. «Executive Time» ist somit auch eine Art Tarnbegriff, um sensible Aktivitäten zu verschleiern.
So traf sich Trump am letzten Mittwoch mit Herman Cain, dem früheren Chef einer Pizzakette und gescheiterten Präsidentschaftskandidaten 2012. Gemäss Bloomberg erwägt der Präsident, Cain in den Aufsichtsrat der Notenbank Fed zu berufen. Im Terminkalender ist dieses Meeting nicht eingetragen, es fand wohl während der «Executive Time» statt.
Der unstrukturierte Terminplan wirft so oder so ein schiefes Licht auf Trumps Amtsführung. Sie ist chaotisch und paranoid. Dies zeigt vor allem der Vergleich mit seinen Vorgängern. Die Arbeitstage von Barack Obama und George W. Bush waren durchstrukturiert und enthielten wenig Freiräume. Vergleichbar mit Trump waren laut Axios allenfalls die ersten Amtsjahre von Bill Clinton, in denen er notorisch undiszipliniert und verspätet war. Später besserte er sich.
Trumps Sprecherin Sarah Sanders teilte mit, der Präsident habe «einen anderen Führungsstil als seine Vorgänger, und die Resultate sprechen für sich». Donald Trump nehme sich Zeit für ein «kreativeres Umfeld». Dies habe dazu beigetragen, ihn zum «produktivsten Präsidenten der modernen Geschichte» zu machen. Seine Büroleiterin Madeleine Westerhout twitterte, Trump arbeite «härter für das amerikanische Volk als sonst jemand in der jüngeren Geschichte».
What a disgraceful breach of trust to leak schedules. What these don’t show are the hundreds of calls and meetings @realDonaldTrump takes everyday. This POTUS is working harder for the American people than anyone in recent history. https://t.co/n1HrxmCsiB
— Madeleine Westerhout (@madwest45) 3. Februar 2019
Davon sind längst nicht alle überzeugt. Der «Washington Post»-Kolumnist Dana Millbank verweist darauf, dass Justiz-, Verteidigungs- und Innenministerium sowie weitere hochrangige Posten nur interimistisch besetzt sind. Angesichts des Schadens und Chaos, das Trump mit seinen Aktivitäten anrichte, müsse man aber erleichtert sein, dass er wenig mache, meint Millbank süffisant.