Läuft alles nach Plan, dann wird am Mittwoch verkündet, wer nächsten Januar ins Weisse Haus einzieht. Kamala Harris oder Donald Trump.
Vieles deutet aber darauf hin, dass die US-Wahlen nicht nach Plan verlaufen. Dass nach dem hässlichen Wahlkampf auch die Wahl zum hässlichen Kampf wird. Vor allem, wenn die Demokratin Harris gewinnt.
Bereits 2020 versuchte Donald Trump, die Wahlen zu seinen Gunsten zu drehen. So wies er unter anderem den republikanischen Staatsminister von Georgia, Brad Raffensperger, am Telefon an, 11’780 Stimmen für ihn «zu finden» – und damit Wahlbetrug zu begehen.
In Arizona versammelten sich derweil hunderte auch bewaffnete Demonstranten vor dem Rathaus, als das Trump-Lager das Gerücht streute, Stimmen für ihn seien aufgrund der Verwendung von Sharpies (einer speziellen Filzstiftsorte) systematisch nicht gezählt worden. Vor Gericht entpuppten sich die Vorwürfe als erfunden und falsch. Der Fall ging als «Sharpiegate» in die Geschichtsbücher ein.
Und als Bidens Sieg in Arizona feststand, versuchte eine Gruppe um den Anwalt Rudy Giuliani mit falschen Elektoren, den Staat doch noch für Trump zu reklamieren. Der Plan misslang. Die Verschwörer, unter ihnen Giuliani, müssen sich im Januar 2026 vor Gericht erklären. Um harte Strafen zu vermeiden, haben sich zwei der Angeklagten bereits für schuldig bekannt.
Auch auf legalem Weg versuchte es Trump. Nicht weniger als 63 Klagen reichte sein Team wegen angeblichen Wahlbetrugs ein. Sie wurden ohne Ausnahme abgeschmettert.
Die beschriebenen Fälle sind nur die Spitze des Eisbergs. Der Wikipedia-Eintrag «Attempts to overturn the 2020 United States presidential election» – «Versuche, die US-Präsidentschaftswahlen 2020 umzustossen» – umfasst (ohne die über 650 Quellenverweise) 44 ausgedruckte A4-Seiten. Zu sagen, Trumps Team habe 2020 nichts unversucht gelassen, ist noch untertrieben.
Eins hatten die damaligen Bemühungen alle gemeinsam. Sie entstanden ad hoc – aus der Not heraus. Es gibt nun aber Hinweise, dass sich das Trump-Lager akribisch darauf vorbereitet, die Legitimität der Wahlen 2024 zu hinterfragen und den Prozess mit allen Mitteln zu stören.
Den Grundstein für diese Operation legt Donald Trump selbst: Bis heute wird er nicht müde, die «Big Lie» zu wiederholen, sich als Opfer zu präsentieren, immer wieder zu behaupten, die Wahlen 2020 seien ihm gestohlen worden. Zusätzlich suggeriert er immer wieder, dass dies auch 2024 passieren könne: «Wenn die Wahlen nicht manipuliert werden, gewinne ich. Wenn sie manipuliert sind, dann ist das eine andere Geschichte», sagte er kürzlich, aber zum wiederholten Male, in einem Podcast-Interview mit Patrick Bet-David.
Die Botschaft ist klar: Trump wird nur einen Trump-Sieg akzeptieren. Und bei einer drohenden Niederlage? Dann wird geklagt und der Gegnerschaft Betrug vorgeworfen: «Es ist möglich, dass ich verliere», sagte er an einer Wahlkampfveranstaltung in Michigan, «aber nur, wenn sie bescheissen.»
«Wir waren beim letzten Mal nicht vorbereitet», sagt Roger Stone, «In diesem Jahr sind wir wesentlich besser aufgestellt.» Trumps krimineller Wahlkampfberater (2020 wurde er für Falschaussagen, Zeugenbeeinflussung und Behinderung von Ermittlungen zu 40 Monaten Haft verurteilt) gibt sich kämpferisch: «Wir sind gewappnet mit Anwälten, Richtern und Technologie» erklärte er in einem heimlich gefilmten Gespräch im Juni.
Seither hat sich einiges getan. Über 100 Klagen reichte das Trump-Lager in den Swing States vorbeugend ein. Die Beanstandungen gehen mehrheitlich in dieselbe Richtung: Nicht-US-Bürger würden illegale Stimmen in die Urnen werfen. Im grossen Stil. Es ist, wie NBC-News es kürzlich nannte, die Big Lie 2.0.
Dabei handelt es sich um eine koordinierte Attacke. Neben Trumps stetem Mantra fabriziert eine Armee von fanatischen Trump-Anhängern Videos, welche diese Behauptung stützen sollen. Einer der erfolgreichsten ist Anthony Rubin. Der Hobby-Kämpfer filmte sich dabei, wie er sich unter anderem im Swing State Georgia auf die Suche nach illegal registrierten Wählern macht. Das heftig editierte Resultat wurde auch von Elon Musk kommentiert – und kam so auf über 56 Millionen Views. Rubins nicht so überraschende Erkenntnis: In Georgia wimmelt es nur so illegalen Wählern.
🚨NON-CITIZENS REGISTERED IN GA🚨
— Oversight Project (@OversightPR) July 31, 2024
Footage obtained by @realmuckraker shows numerous non-citizens admitting to being registered voters.
A staggering 14% of the non-citizens spoken to admitted to being registered to voters. pic.twitter.com/0p38irDBZH
Tage später besuchten Journalisten von «Lead Stories» die von Rubin «untersuchte» Wohnüberbauung. Dabei erfuhren sie, dass viele der Befragten den Mann nur abwimmeln wollten. Einige gaben zu, die Fragen gar nicht erst verstanden zu haben.
Dass die Faktenchecker die Ungereimtheiten entdeckten, blieb eine Randnotiz mit einem einzigen Like auf X. Oft zielen die Recherchen von «Lead Stories» auf rechte Propaganda. Doch trotz über 20’000 Abonnenten werden die Posts auf X kaum ausgespielt, geschweige denn geteilt.
Was aber dank Millionen von Views hängen blieb, bleibt Anthony Rubins Trugschluss, dass 14 Prozent der Wähler in Georgia keine US-Bürger sein können. Ihm kann die Wahrheit egal sein. Er verdient mit solchen Inhalten gutes Geld: Wie die BBC berichtet, entstand während des Wahlkampfs ein regelrechter Markt für Falschinformationen. Mehrere tausend Dollar pro Monat lassen sich mit Fake-News, KI-Bildern und Memes verdienen. Nicht alles ist erfunden – aber die Grenzen zwischen Fiktion und Wahrheit werden bewusst verschleiert.
Ein anderer bleibt korrekt: der Staatsminister von Georgia. Dabei handelt es sich noch immer um den unverwüstlichen Republikaner Brad Raffensberger. Auch er liess untersuchen, wie viele illegale Wähler sich in Georgia tummeln. Auch er wurde fündig: 20 illegale Wähler wurden identifiziert. 20 unter 8,2 Millionen Wählern. Oder in Prozent: 0.00024.
Doch Abweichler der Big Lie 2.0, auch solche in den eigenen Reihen, werden von Elon Musks Medienpower übertönt. Dort kennt der Chor nur eine Stimme – und sie zeigt Wirkung: In einer kürzlich veröffentlichten Umfrage von «USA Today» gaben 46 Prozent aller Republikaner an, einen Sieg von Harris nicht akzeptieren zu wollen. Die Wunde, welche die Desinformationskampagne von Donald Trump der amerikanischen Demokratie gerade schlägt, wird noch lange bluten – und das Land nachhaltig schwächen.
Die Big Lie 2.0 wird auch konkrete Auswirkungen auf den Wahlprozess haben. Mithilfe von lokalen Wahlbeamten, staatlichen Gesetzgebern und sogar Richtern wird Trumps Team versuchen, in Swing States Auszählungen zu verzögern oder gar zu stoppen, Nachzählungen zu verlangen oder den Zertifizierungsprozess der Resultate zu verhindern. Immer unter dem Vorwand, dass diverse illegale Stimmzettel abgegeben wurden. Merk dir schon einmal den Begriff «noncitizen votes / ballots» – «Wahlzettel von Nicht-Amerikanern». Du wirst ihn während der nächsten Wochen zur Genüge hören. So lange könnte es dauern, bis endlich das Wahlresultat fest steht.
Dass Donald Trump nicht mehr Präsident der Vereinigten Staaten ist, vereinfacht die republikanische Strategie nicht – und die seit 2020 zusätzlich erlassenen Richtlinien erschweren Proteste gegen Wahlbetrug ebenfalls. Doch Trump kann auf eine fanatische Gefolgschaft setzen – und die vereinte rechte Medienmacht. Was mit diesem Dünger aus der Saat wächst, welche aktuell ausgestreut wird, lässt sich heute noch nicht beurteilen. Aber es tut sich was. Der Boden, das lässt sich schon länger beobachten, bebt.
Experten gehen davon aus, dass Donald Trump, um den Druck zusätzlich zu erhöhen, sich bereits in der Nacht auf Mittwoch noch während der Auszählungen selbst zum Sieger ernennen wird. Das «Time Magazine» spekuliert, dass dann die eigentliche heisse Phase der US-Wahlen eingeläutet wird. Sie könnte sich im schlimmsten Fall bis zur finalen Auszählung der Elektorenstimmen im Kongress am 6. Januar hinziehen. Bis dahin traut man dem Trump-Lager jeden schmutzigen Trick zu. Und der bewaffneten Bevölkerung fast jeden Kurzschluss.
Das mag sein.
Dieses Szenario haben die Sicherheitsbehörden aber hoffentlich bereits durchsimuliert. Sie hatten jetzt 4 Jahre Zeit, auf diesen 5. November vorbereitet zu sein.
Auch die Nationalgarde. Und das FBI.
Das FBI wird vermutlich die militanten "Anführer" der MAGA Meute bereits auf dem Schirm haben.
Es wird auf jeden Fall keinen Kindergeburtstag geben..
🇺🇸 Kamala Harris 2024
Falls Trump verliert und die Gefahr durch ihn abgewehrt werden kann, soll man mit aller Härte durchgreifen. Das heisst, Trump, Giuliani, Stone und wie sie allen heissen sollen knallhart bestraft werden. Den mit einer Präsidentin Harris wird es keine Begnadigungen mehr geben.