Die Beschlagnahmung grosser Kokainlieferungen bringt gemäss einer Studie nicht viel. Diese Strategie ist ineffizient und mithin sogar kontraproduktiv.
«Unsere Arbeit zeigt, dass angebotsorientierte Anti-Drogen-Strategien allein bestenfalls ineffektiv sind und schlimmstenfalls das Problem des Drogenhandels sogar noch verschärfen», sagt Nicholas Magliocca von der Universität von Alabama. Er hat die in den «Proceedings» der US-Akademie der Wissenschaften («PNAS») veröffentlichte Studie geleitet.
Insgesamt zwölf Tonnen Kokain hat die US-Küstenwache in den ersten drei Monaten des Jahres vor den Küsten von Mexiko, Mittelamerika und Südamerika beschlagnahmt. «Wenn wir die Drogen tonnenweise auf dem Meer beschlagnahmen können, müssen wir sie nicht kiloweise auf den Strassen von Miami suchen», sagt Vizeadmiral Daniel Abel. Polizisten und Drogenschmuggler liefern sich in Mittelamerika seit Jahrzehnten ein Katz-und-Maus-Spiel.
Gemeinsam mit Kollegen hat Nicholas Magliocca das Computermodell NarcoLogic entwickelt. Es zeigt, dass Verbrechersyndikate nach dem Abfangen von Drogenlieferungen schnell ihre Schmuggelrouten ändern. Dadurch vergrössern sich die für den Drogenschmuggel genutzten Gebiete, was wiederum das Aufspüren und Beschlagnahmen weiterer Lieferungen erschwert.
«Wir müssen diese Anpassungsfähigkeit der Drogenhändler verstehen, um über die auf Beschlagnahmungen konzentrierte Anti-Drogen-Strategie hinwegzukommen», sagte Magliocca.
Die Beschlagnahmung von Suchtgift ist einer der wichtigsten Pfeiler der US-Drogenpolitik. Mit 4.7 Milliarden Dollar flossen zuletzt 18 Prozent der Gesamtausgaben für Anti-Drogen-Massnahmen in diesen Bereich. Der Versuch, den Schmuggel durch Razzien oder Beschlagnahmungen in Mittelamerika zu stoppen, kann trotzdem als gescheitert angesehenen werden: Immer mehr Kokain gelangt in die USA.
Verstärkt wird das Problem durch immer mehr produziertes Kokain. Die Anbaufläche von Koka-Pflanzen in den Haupterzeugerländern Kolumbien, Peru und Bolivien stieg gemäss dem Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNDOC) 2016 gegenüber dem Vorjahr um 36 Prozent auf 213'000 Hektar. Die Zunahme dürfte unter anderem damit zu tun haben, dass in Kolumbien die Behörden nach einer Gerichtsentscheidung Koka-Felder nicht mehr mit Pflanzenvernichtungsmitteln zerstören dürfen.
Die weltweite Kokainproduktion stieg um 25 Prozent auf 1410 Tonnen pures Kokain. Beschlagnahmt wurden 1129 Tonnen Kokain, allerdings in gestreckter Form. Wie viel Kokain wirklich auf dem Schwarzmarkt in den USA und Europa landet, ist unklar.
Nur elf Prozent des weltweit beschlagnahmten Kokains wird in Mittelamerika gefunden. Durch die in der Studie beschriebenen Ausweicheffekte dürfte es in der Zukunft noch schwieriger werden, spektakuläre Funde zu erzielen. Je grösser das Gebiet, desto schwieriger die Überwachung.
Wenn die Polizeieinsätze an den Schmuggelrouten dazu führen, dass die Drogenhändler ihr Operationsgebiet weiter ausweiten, leiden zudem immer mehr Menschen in den betroffenen Gebieten unter den Begleiterscheinungen der illegalen Geschäfte. «Diese Ausdehnung führt zu einer ganzen Reihe von Kollateral-Schäden», hiess es in der Studie. «Wo Drogen geschmuggelt werden, kommt es oft zu Gewalt und Korruption, Enteignung von Ländereien und Umweltzerstörung.»
Solange eine Nachfrage nach Kokain besteht und der Suchtgifthandel enorme Gewinne abwirft, werden die Kartelle weiterhin ein Weg finden, den Stoff zu den Konsumenten zu bringen. Das Modell NarcoLogic könnte dabei helfen, künftig Personal und Ressourcen im Kampf gegen den Drogenschmuggel effizienter einzusetzen.
Magliocca und sein Team schrieb: «Wir bieten ein Werkzeug an, um verschiedene Politikansätze zu testen sowie deren mögliche Auswirkungen auf das Verhalten der Drogenhändler und die Kollateral-Schäden des militärischen Anti-Drogen-Kriegs vorauszusagen.» (aeg/sda/dpa)
"Wegen der Nachfrage"
Der Preis beträgt z.B. für ein Gramm Kokain etwa 100 Franken.
Hochgerechnet auf ein Kilo gibt das 100'000 Franken, bei Produktionskosten von ungefähr 1'000 Franken. Insgesamt beträgt die Gewinnmarge damit satte 10'000%.
So lange die Kartelle ein simples Landwirtschaftsprodukt so rentabel vertreiben können, werden sie Wege finden, es zu tun. Der Drogenkrieg ist damit nicht zu gewinnen.
Man kann den Markt nicht zerstören. Den Preis jedoch schon. Deshalb: Legalize it!