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Jetzt ist es offiziell: Nervengift von Skripal-Attentat stammt tatsächlich aus Russland

Skripal-Attentat: Chemiewaffen-Experten stützen Vorwürfe an Russland

12.04.2018, 13:2412.04.2018, 17:32
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Knapp sechs Wochen nach dem Attentat auf den früheren russischen Doppelspion Sergej Skripal und seine Tochter Julia in Südengland haben unabhängige Experten den Einsatz des Nervengiftes Nowitschok bestätigt, aber keine Hinweise auf die Täter oder Drahtzieher geliefert. London beantragte für kommende Woche eine Sitzung des Uno-Sicherheitsrates.

Die Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) veröffentlichte am Donnerstag in Den Haag die Ergebnisse der Untersuchung ihrer Experten. Diese bestätigen britische Angaben, nach denen der in den 1970 und -80er Jahren in der damaligen Sowjetunion fabrizierte Stoff Nowitschok verwendet worden war.

Die Ergebnisse der Analyse in den Labors «bestätigen die Ergebnisse Grossbritanniens», teilte die Den Haager Organisation mit. Der Stoff, dessen Name nicht genannt wird, sei von hoher Reinheit. Name und Struktur des chemischen Stoffes seien allerdings im Bericht aufgeführt, der nichtöffentlich sei.

Der britische Aussenminister Boris Johnson sagte, der OPCW-Bericht stütze seine Schlussfolgerung, dass Russland für den Anschlag verantwortlich sei. Er bestätige, dass das in Russland entwickelte Nowitschok bei dem Anschlag eingesetzt worden sei. Das Ergebnis basiere auf Tests von vier unabhängigen, hoch angesehenen Labors aus aller Welt. Alle hätten dieselben schlüssigen Ergebnisse.

epa06659883 British Foreign Secretary Boris Johnson leaves Downing Street after attending a meeting of the National Security Council to discuss the suspected chemical attack in Syria in London, Britai ...
Boris Johnson: Der britische Aussenminister vermutet Russland hinter dem Giftgas-Angriff.Bild: EPA/EPA

Moskau weist Bericht zurück

Die russische Regierung wies die Verdächtigungen erneut zurück. Russland habe keine anderen Kampfstoffe besessen als jene, die der OPCW gemeldet worden seien, sagte der stellvertretende Industrieminister Georgi Kalamanow in Moskau. Sie seien alle bis 2017 unter Aufsicht der Organisation vernichtet worden, bekräftigte er.

London hatte Moskau bereits zuvor als Drahtzieher des Anschlags beschuldigt. Das wiederum wurde von Russland vehement zurück gewiesen. Der Skripal-Fall führte zu einer schweren diplomatischen Krise zwischen Russland und dem Westen. Mehr als hundert Diplomaten wurden wechselseitig ausgewiesen.

Grossbritannien hatte die OPCW mit einer unabhängigen Untersuchung beauftragt. Die Experten hatten Bodenproben entnommen und auch Gewebe- und Blutproben der Opfer in internationalen Labors untersuchen lassen.

Nicht an OPCW-Untersuchung beteiligt

Russland hatte vergeblich gefordert, an der Untersuchung des Anschlags beteiligt zu werden. Andernfalls, so hatte Moskau angedroht, werde es die Ergebnisse der OPCW-Untersuchung nicht akzeptieren.

Skripal und seine Tochter waren vor knapp sechs Wochen bewusstlos auf einer Parkbank im südenglischen Salisbury gefunden worden. Julia Skripal war kürzlich aus dem Krankenhaus entlassen worden und befindet sich nach eigenen Angaben an einem sicheren Ort. Ihr Vater wird weiter in der Klinik behandelt. Er ist seiner Tochter zufolge ernsthaft krank. Auch sie selbst leide noch unter den Folgen der schweren Vergiftung.

Julia Skripal lehnt russische Hilfe ab

Julia Skripal lehnte unterdessen die angebotene Hilfe der russischen Botschaft in London ab. «Im Moment möchte ich von deren Leistungen nicht Gebrauch machen. Aber wenn ich meine Meinung ändere, lasse ich sie es wissen», teilte die 33-jährige Russin am Mittwochabend in einer über Scotland Yard verbreiteten Stellungnahme mit.

Die russische Botschaft zweifelte umgehend die Echtheit des Schreibens an. Der Text sei so verfasst, dass er die Positionen der britischen Behörden untermauere und jeden Kontakt von Julia Skripal mit der Aussenwelt verhindere.

Darüber hinaus erklärte Julia Skripal, keinen Kontakt mehr zu ihrer in Russland lebenden Cousine Viktoria Skripal haben zu wollen. «Ihre Meinungen und Behauptungen sind nicht meine und die meines Vaters», heisst es in dem von der Polizei veröffentlichten Schreiben.

Die Verwandte spielt eine undurchsichtige Rolle. So hatte sie behauptet, die Skripals könnten sich mit Fisch vergiftet haben. London fürchtet laut dem Sender BBC, dass sie vom Kreml instrumentalisiert wird.

Sergej Skripal hatte früher für den russischen Militärgeheimdienst GRU gearbeitet und dem britischen MI6 Informationen weitergeleitet. 2004 flog er auf. Er wurde in Russland zu 13 Jahren Lagerhaft verurteilt. Bei einem Gefangenenaustausch kam er 2010 nach Grossbritannien. (cma/sda/dpa/reu/afp)

Russland ist «höchstwahrscheinlich» verantwortlich

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61 Kommentare
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Posersalami
12.04.2018 13:52registriert September 2016
Hier gibts das Paper der OPCW:

https://20years.opcw.org/wp-content/uploads/2018/04/s-1612-2018e.pdf

Ich kann darin irgendwie nichts finden, das Russland beschuldigen würde?

Ich lese nur, dass die von GB festgestellte "Identität" des Gifts bestätigt wurde (Punkt 10)? Ich versehe das eher so, dass Novichok verwendet wurde, aber der Bericht sagt doch nichts über die Herkunft aus?

Mein Englisch ist nicht das beste, evtl. ist mir da etwas durch die Lappen gerutscht? Kann mir bitte jemand das Zitat herausziehen, dass den Artikel von Watson bestätigt?
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Posersalami
12.04.2018 13:40registriert September 2016
"Nervengift Novichok aus russischer Herkunft "

Woher will die OPCW wissen, dass der Stoff in Russland hergestellt wurde? Wie geht das? Haben die Vergleichsproben?

Oder hat Watson das einfach dazu gedichtet? Steht das wörtlich so im Bericht? Novichok wurde zB. schon im Iran hergestellt, so weiss ja die OPCW erst von dem Zeugs..
http://www.spectroscopynow.com/details/ezine/1591ca249b2/Iranian-chemists-identify-Russian-chemical-warfare-agents.html?tzcheck=1,1,1,1,1&&tzcheck=1&tzcheck=1&tzcheck=1

Wenn der Iran das herstellen kann, kann es wohl so gut wie jedes Land der Welt.
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Mandelbrot
12.04.2018 15:45registriert April 2018
Ich (promovierter Natutwissenschafter,Chemiker,Biologe) habe den OPCW-Bericht mehrmals durchgelesen.Weder Russland, noch der Name des Giftes sind darin erwähnt. Erwähnt wird aber der hohe Reinheitsgrad der Proben. Damit wird es aber praktisch unmöglich, die Herkunft des Giftes zu ermitteln. Die OPCW kann auch nicht untersuchen, wer das Gift eingesetzt hat. Warum berichten dann die Medien etwas, was gar nicht in diesem Bericht steht . Zudem wird von Blutproben gesprochen , nicht aber von Proben von der Türfalle !
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