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Tatverdächtiger im Fall Cox soll psychisch krank sein

Gedenkstätte für Jo Cox in London.
Gedenkstätte für Jo Cox in London.
Bild: WILL OLIVER/EPA/KEYSTONE

Erschossene Politikerin in England: Cox-Angreifer soll rechtsextrem und psychisch krank gewesen sein

Nach dem tödlichen Überfall auf die britische Labour-Parlamentarierin Jo Cox sind erste Details zum mutmasslichen Täter bekannt geworden. Er soll nach Angaben seines Bruder psychisch krank sein. Eine US-Organisation will von Nazi-Sympathien des Festgenommenen wissen.
17.06.2016, 04:3217.06.2016, 06:22
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Der Bruder des 52-jährigen Festgenommenen berichtete in der Zeitung «Daily Telegraph» von einer langen Vorgeschichte psychischer Probleme des Mannes. «Es fällt mit schwer zu glauben, was passiert ist», sagte der er. «Mein Bruder ist nicht gewalttätig, und er ist nicht besonders politisch.» Der Bruder habe aber «eine Vorgeschichte psychischer Erkrankungen». Allerdings sei er in Behandlung gewesen.

In britischen Medien wurden auch Nachbarn zitiert, die den mutmasslichen Täter als Einzelgänger beschrieben, der meistens für sich geblieben sei.

Derweil teilte das Southern Poverty Law Center, eine renommierte Anti-Rassismus-Organisation in den USA, mit, ihm lägen Unterlagen vor, die den Tatverdächtigen als jahrzehntelangen Unterstützer der US-Neonazi-Gruppierung National Alliance (NA) auswiesen. Der Verdächtige habe die Gruppierung engagiert unterstützt und hunderte Dollar für Schriftgut ausgegeben. Die NA vertritt einen Rassismus, der sich gegen alle Nicht-Weissen richtet.

Behörden zurückhaltend

Die pro-europäische Labour-Abgeordnete Cox war am Donnerstagmittag vor einer Bibliothek in Birstall in Nordengland auf offener Strasse attackiert worden, wenig später starb sie. Die Behörden hielten sich mit Angaben zum Verlauf der Tat und zu den möglichen Beweggründen des Täters zurück. Am Tatort seien eine Schusswaffe und andere Waffen sichergestellt worden, teilte die Polizei mit.

Britische Medien berichteten unter Berufung auf Zeugen, der Täter habe auf Cox eingestochen und dann auf sie geschossen. Dabei ging der Mann offenbar mit grosser Brutalität vor: Er habe der bereits zu Boden gegangenen Politikerin ins Gesicht geschossen, sagte ein Augenzeuge - der Café-Besitzer Clarke Rothwell - der BBC.

Dabei habe der Täter «Britain First» (Grossbritannien zuerst) und «Vorrang für das Vereinigte Königreich» gerufen - dies sind Slogans der Befürworter eines EU-Austritts. «Er hat es zwei oder drei Mal gerufen», sagte Rothwell. «Er rief es, bevor er auf sie schoss und nachdem er auf sie geschossen hatte.»

Mahnwachen für Cox

Bürger und Politiker gedachten am Donnerstagabend der Abgeordneten mit Mahnwachen und Blumen. «Hass wird niemals Probleme lösen», sagte Labour-Chef Jeremy Corbyn bei einer Mahnwache für seine getötete Parteikollegin. Auf dem britischen Parlament wurde die Flagge auf Halbmast gesetzt.

Premierminister David Cameron würdigte Cox als «Politikerin mit grosser Leidenschaft und grossem Herzen». Er begrüsste die Unterbrechung der Kampagnen zum EU-Referendum: «Es ist richtig, dass nach dem schrecklichen Angriff auf Jo Cox die gesamte Kampagne ausgesetzt ist.» Die 41-Jährige hatte wie die meisten Labour-Abgeordneten für den EU-Verbleib geworben.

«Angriff gegen alle, denen Demokratie wichtig ist»

Ausserhalb Grossbritanniens wurde die Bluttat mit Bestürzung aufgenommen. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel sagte, der Angriff sei «schrecklich, dramatisch, und unsere Gedanken sind bei den Menschen, die betroffen sind». Der Vorfall bedürfe angesichts des möglichen Zusammenhangs mit dem EU-Referendum in einer Woche «dringendster Aufklärung».

US-Aussenminister John Kerry sprach von einem «Angriff gegen alle, denen Demokratie wichtig ist und die an sie glauben». Der französische Premierminister Manuel Valls äusserte sich «tief betrübt». «Unser demokratisches Ideal» sei getroffen, schrieb er auf Twitter.

Die Briten stimmen am kommenden Donnerstag über einen Verbleib ihres Landes in der EU ab. Nachdem das Pro-EU-Lager lange Zeit vorne lag, verfügte das «Leave»-Lager (Verlassen) in Umfragen zuletzt über einen Vorsprung von etwa vier Punkten. (cma/sda/afp)

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