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Du willst nur das Beste? Voilà:
Das war's. Die erste Staffel «Top Gear» ohne das Moderatoren-Trio Jeremy Clarkson, Richard Hammond und James May ist seit gestern Abend Geschichte. Nach der ersten Folge urteilten wir noch mild, doch auch unsere Toleranz hat Grenzen:
Er rüttelt am Steuerrad, er schreit «Power!»: Der Neue, Chris Evans, ist ein nicht ganz günstiger Jeremy-Clarkson-Imitator. Dass es dem bekanntesten Radio-DJ des Landes nicht gelingt, mehr von seiner eigenen Persönlichkeit in die Sendungen einfliesssen zu lassen, zeigt, wie gross die Fussstapfen sind, in die er sich wagt.
KENNST DU DIE LEUTE, DIE IN DEN KOMMENTARFELDERN IMMER ALLES IN GROSSBUCHSTABEN SCHREIBEN? EINFACH NUR, UM DAMIT IHREN AUSSAGEN EIN BESONDERES GEWICHT ZU GEBEN. DIESELBEN LEUTE BRAUCHEN AUCH IMMER EINE GANZE ARMADA VON AUSRUFEZEICHEN!!!!!!!!!!! SO EINER IST CHRIS EVANS. UND WIE ALLE DIESE LEUTE ERREICHT ER DAMIT MEIST DAS GEGENTEIL. MAN HÖRT NICHT MEHR HIN. DU HAST JA MIT SICHERHEIT AUCH SCHON WEITER GESCROLLT!
Chris Harris gehört seit dieser Staffel zum erweiterten Moderatorenteam von «Top Gear». Der YouTube-Star ist ein ausgewiesener Autokenner – doch das alleine reicht nicht, um auch Zuschauer ausserhalb der Zielgruppe von «The Fast and the Furious» zu unterhalten.
Harris leidet an einem Problem, das bereits George W. Bush zum Gespött machte: Während er verbal versucht Emotion zu vermitteln, scheitert sein Gesicht beim Aufbau der dazu passenden Mimik. Das Endprodukt ist dann eine unglaubwürdige Ton-Bild-Schere. Schade. Der Mann wüsste was zu erzählen.
Dass Harris sich durchaus bewusst ist, dass er kein «Top Gear»-Material ist, beweisen ein paar Zitate aus einem Jalopnik-Artikel kurz nach Clarksons Abgang:
Der grosse Erfolg hat «Top Gear» nicht den schönen Filmen, den exotischen Schauplätzen oder den teuren Autos zu verdanken. Der grosse Erolg der Sendung beruht auf der Chemie zwischen den Moderatoren. Unter Clarkson, Hammond und May hatte man stets den Eindruck, drei alten Freunden beim Spasshaben zu zuschauen.
Seit Evans und LeBlanc übernommen haben, ist das anders. Die beiden geigen nicht miteinander und es gibt bereits erste Gerüchte, LeBlanc wolle die Sendung wieder verlassen, sollte Evans im Team bleiben. Ja. Ich gebe zu, die Quelle ist fragwürdig (Daily Mail). Mit ihren Auftritten strafen Evans und LeBlanc das Revolverblatt aber leider keine Lügen.
Genug gelästert für den Moment, denn es gibt auch Positives zu berichten. Rory Reid ist der Gewinner der ersten Staffel: Charmant, witzig, überraschend und auch mal kritisch schafft er es am ehesten, an die Qualität der alten Filme anzuknüpfen. Reid dicht auf den Fersen ist Matt LeBlanc, der sich mit seiner Stig-Anmoderation in der letzten Folge für den besten Spruch der Staffel verantwortlich zeigte:
Noch mehr Effekte, noch schönere Aufnahmen, noch mehr qualmende Reifen – «Top Gear» hat sichtlich aufgerüstet. Doch das Problem ist dasselbe des immer schreienden Evans: Ohne Kontrast stellt sich schnell Langeweile ein. Dafür wurden hollywoodstyle sämtliche Ecken und Kanten abgefeilt. Und das führt dazu, dass ...
Ich habe sechs Folgen auf einen Witz in diesem Stil gewartet. Er kam nicht.
Ach wie derb waren die Sprüche doch früher ...
«Ambitious but rubbish» («Ambitioniert aber unfähig») – so lautete der Leitspruch von «Top Gear» früher. Schönes britisches Understatement. Leider hat Chris Evans nicht viel von diesem Spirit geerbt:
The new Top Gear is a hit. OFFICIALLY. 23 % audience share. 12% MORE than the opening episode of the last series. These are the FACTS.
— Chris Evans (@achrisevans) May 30, 2016
Die Autos stehen neu klar im Zentrum. Ausser dem Nordschleife-Fanclub Schwamendingen dürfte dies niemanden freuen. Und wenn sie mal nicht im Zentrum stehen, dann werden Promis angeheuert. Vermutlich ist dies das einzige Mittel, die nicht harmonierenden Moderatoren etwas in den Hintergrund zu verbannen.
Nicht mehr so:
Oder so:
Oder so:
Die Regeln sind eigentlich simpel: Bist du ein dunkelhäutiger Mann, mindestens zwei Meter gross und spielst du in der NBA? Nein? Dann lass die Finger von den High Fives vor laufender Kamera. Denn ausser bei dunkelhäutigen NBA-Spielern wirken High Fives im Fernsehen immer peinlich. Und bei 50-jährigen Briten noch etwas peinlicher. Matt LeBlanc versucht diese Regel so gut es geht zu verfolgen. Chris Evans ist high-five-süchtig.
Wie beim High Five gibt es auch eine Regel mit den Umarmungen vor der Kamera: Bist du eine kleine Emo-Tussi? Hast du Snapchat installiert? Und verstehst du es auch? Nein? Dann lass es mit den Umarmungen vor laufenden Kameras! James May kannte diese Regel:
Und jetzt ein paar Szenen der Frotteur-WM mit der «Top Gear»-Besetzung der 23. Staffel:
Nicht alles war besser früher. «Top Gear» schon. Weshalb? Weil peinlicher.
IMMER SCHREIEN!
IMMER DRIFTEN!
IMMER QUALM!
IMMER MEGALÄSSIGES AUTO!
IMMER AUCH NOCH DAS VORGÄNGERMODELL ZEIGEN!
IMMER SPEZIALEFFEKT!
IMMER FILTER!
IMMER BERECHENBARER!
IMMER LANGWEILIGER! (Und die Anbiederung an die Industrie ist offensichtlich.)
Nur Rory Reid ist anders. Kann der nicht zu «The Grand Tour» wechseln? Wir sind schon Fan bisschen.
Die Punkte 16-19 sind schnell abgehandelt. Und zwar mit einem Wort:
Das Sofa, die Stig-Anmoderationen, der Aufbau der Sendung, das Studio, die Musik, die Beleuchtung – Das Grundgerüst von «Top Gear» ist noch immer dasselbe. Die BBC hätte besser daran getan, sämtliche Spuren des Vorgängers zu verwischen. Der Vergleich zum alten Produkt wäre dann etwas schwerer gefallen. So aber kann es nur ein Fazit geben: «Top Gear» ist noch immer eine okaye und mangels Alternativen sehenswerte Sendung – mehr aber auch nicht. Ob das enorme Budget noch gerechtfertigt ist? Vermutlich nicht.
Jeremy Clarksons neue Show «The Grand Tour» kommt im Herbst. Wir freuen uns.