Am Samstagabend fuhr ein Lieferwagen auf der London Bridge in eine Menschenmenge. Die Attentäter fuhren weiter bis ins Londoner Ausgehviertel Borough Market, wo sie wahllos auf Passanten einstachen. Acht Minuten, nachdem der erste Notruf bei der Polizei eintraf, waren die drei Attentäter tot – erschossen von der Polizei.
Diese fünf Fragen beschäftigen uns nach dem dritten Attentat in London innert weniger Monate:
Im März rast ein mutmasslich islamistischer Attentäter auf der Westminster Bridge im Zentrum Londons mit seinem Auto in eine Gruppe von Passanten und tötet vier Menschen. Im Mai reisst ein Selbstmordattentäter am Ende eines Konzertes von US-Popstar Ariana Grande in Manchester 22 Menschen mit in den Tod.
Der Anschlag am Samstag auf der London Bridge war damit der dritte Anschlag in Grossbritannien innert kürzester Zeit. Doch warum trifft es so oft London und Paris? Erstens haben Städte wie London, Paris und Istanbul viele neuralgische Punkte. Die Pubs im Borough Market sind rammelvoll an Wochenenden. «Wir leben in der Öffentlichkeit», schreibt Dan Stewart, Journalist der «Time» und selbst gebürtiger Londoner.
Zweitens ist die Symbolkraft eines Attentats in einer europäischen Hauptstadt am grössten. Ähnlich verhält es sich mit Paris, der Stadt der Liebe. Diese Städte sind der Inbegriff des Lebensstils, den die Terroristen treffen möchten.
Ein Angriff kurz vor einer Wahl kann unvorhersehbare Konsequenzen haben, schreibt CNN-Sicherheitsanalyst Peter Bergen und nimmt damit Bezug auf den Anschlag in Madrid von 2004. Damals habe der Anschlag zu einem Regierungswechsel geführt. Die neue Administration zog sämtliche spanischen Truppen aus dem Irak zurück.
Robb Willer, Soziologieprofessor in Standford, sagte nach dem Angriff auf der Champs-Elysées in einem Artikel der Uni-Zeitung: «Im Allgemeinen hilft das Gespenst des Terrorismus den konservativen Parteien mehr als den liberalen.» Der Grund dafür sei schlicht, dass viele Wähler nach solchen Attacken eine «harte Hand» wollen – und konservative Regierungen sind eher für ihre Law-and-Order-Politik bekannt.
In Frankreich konnte sich Marine Le Pen trotz des Attentats nicht gegen Emmanuel Macron durchsetzen. Das Beispiel in Spanien zeigt jedoch Gegenteiliges. Wie stark diese Attentate die Wahlen in England beeinflussen werden, wird sich erst mit den Ergebnissen deutlich zeigen. Zuletzt konnte die linksliberale Labour-Partei gegenüber den Konservativen aber zulegen.
#GE2017 Parteistärken für britische Unterhauswahlen: Cons. mit Höhepunkt bei 45%(zulasten UKIPbei 5%), steiler Anstieg für Lab. auf 33%. pic.twitter.com/2BhCrgUA2g
— Claude Longchamp (@claudelongchamp) 31. Mai 2017
Der «Islamische Staat» hat den Anschlag offiziell für sich reklamiert. In jüngster Zeit kamen aber Zweifel auf, ob alle Anschläge in Europa tatsächlich auf die Terrormiliz zurückführen. Es sei schwierig, die Radikalisierung einzelner Individuen zurückzuverfolgen. Die drei Attentäter von London könnten auch von Al-Kaida-Ideologien inspiriert worden sein, meint Berger.
Es sei jedoch sehr unwahrscheinlich, dass die drei Männer vom «IS» ausgebildet wurden. Die Art und Weise des Anschlages – drei mit Messern Bewaffnete, die mit einem grösseren Auto in eine Menschenmasse fahren – spreche dagegen. Es ist also wahrscheinlicher, dass die Angreifer auf dem Internet durch «IS»- oder Al-Kaida-Propaganda zum Angriff angestiftet wurden, als dass sie in einem Terror-Camp spezifisch dafür ausgebildet wurden.
Die Polizei hatte die drei Attentäter acht Minuten, nachdem der erste Notruf eingetroffen war, unschädlich gemacht. Einigen Schätzungen nach gibt es alleine in London eine halbe Million Sicherheitskameras. So kann die Polizei potenzielle Angreifer sehr schnell lokalisieren und eingreifen.
Weiter fand der Angriff im Zentrum von London statt. Hier sind die meisten Streifenpolizisten stationiert. So reichten die Einheiten vor Ort vermutlich bereits aus, um die Täter zu neutralisieren.
Die britische Premierministerin Theresa May hat ihren Ton nach dem jüngsten Angriff in London verschärft. Am Sonntagmorgen präsentierte sie einen Vier-Punkte-Plan zur Bekämpfung des Terrorismus. Der «IS» müsse auch in den Gedanken potenzieller Attentäter besiegt werden und nicht nur auf militärische Art und Weise.
Dafür soll der Cyber-Kampf gegen Radikalisierung im Internet verschärft werden. Das Internet biete bisher zu viele «Rückzugsorte» für die Islamisten. Die Militäreinsätze in Syrien werden weitergeführt und das Sicherheitskonzept in Grossbritannien selber ausgebaut. Sprich: Mehr Kompetenzen für Polizei und Geheimdienst.
Wie diese aber konkret aussehen, dazu äusserte sich May vorerst nicht. (leo)