Knapp vier Monate vor der Europawahl unterstützt die Regierung in Rom ganz offen die Protestbewegung, die den Rücktritt von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron fordert. Damit hat die Fehde zwischen Paris und Rom einen neuen Höhepunkt erreicht.
Den französischen Politologen Dominique Moïsi erinnern die Vorgänge an das Liebesdrama «Scheidung auf Italienisch» mit Marcello Mastroianni von 1961: «Eine italienische Regierung, die in diesem Ausmass Oppositionskräfte in Frankreich unterstützt – das ist in der Europäischen Union beispiellos», sagt der Wissenschaftler, der Geopolitik am Europakolleg in Warschau lehrt.
«Gelbwesten – bleibt standhaft!» – mit dieser Parole hatte Di Maio von der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung die Demonstranten bereits zu Jahresbeginn angefeuert. Italiens Innenminister Matteo Salvini von der fremdenfeindlichen Lega-Partei erklärte, er unterstütze «ehrenhafte Bürger» im Protest gegen Präsident Macron, der «gegen sein Volk» regiere.
Diese Woche traf Di Maio dann in Paris mehrere Kandidaten der «Gelbwesten» für die Europawahl Ende Mai und einen Sprecher der Protestbewegung, Christophe Chalençon. Dieser ist wegen fremden- und islamfeindlicher Äusserungen umstritten.
Das Vorgehen ist ein Affront gegen Macron. Damit spitzt sich die Krise zwischen Italien und Frankreich zu, die mit dem Antritt der neuen Regierung in Rom im März des vergangenen Jahres begonnen hat und die bereits zur Einbestellung der Botschafter beider Seiten führte. Am Donnerstag zog Frankreich dann seine Botschafter in Rom vorübergehend ab.
Entzündet hat sich der Konflikt an der Flüchtlingspolitik: Macron warf Rom «Zynismus» und «Verantwortungslosigkeit» vor, nachdem Italien sich weigerte, Rettungsschiffe mit Migranten in seinen Häfen anlegen zu lassen.
Doch schnell wurde daraus ein Richtungsstreit zwischen «Progressiven», wie Macron sich nennt, und «Populisten». Der französische Staatschef hat die Europawahl zu einer Volksabstimmung über beide Lager erklärt.
Macron ist an der Zuspitzung nicht ganz unschuldig: In einer Rede mit Blick auf die Europawahl Ende des Jahres verglich er Populisten mit der «Lepra» – eine Bemerkung, die in Rom auf Empörung stiess. Ein Videoclip der französischen Regierung zur Europawahl zeigt Salvini und den ungarischen Regierungschef Viktor Orban als Vertreter einer «Spaltung» Europas, dazu erklingt bedrohliche Musik.
Salvini nannte Macron daraufhin einen «sehr schlechten Präsidenten». Macron stichelte zurück und betonte: «Das italienische Volk ist unser Freund und verdient Anführer, die seiner Geschichte würdig sind.»
Dabei standen noch vor einem Jahr alle Zeichen zwischen Rom und Paris auf Annäherung. Beide Länder wollten einen «Quirinals-Vertrag» schliessen – ähnlich dem Aachener Vertrag, den Macron und die deutsche Kanzlerin Angela Merkel im Januar besiegelten.
Die deutsch-französische Freundschaft sei nicht «exklusiv», betonte Macron im Januar 2018 nach einem harmonischen Treffen mit dem damaligen italienischen Regierungchef Paolo Gentiloni in Rom. «Unsere Verbindung zu Italien ist spezieller Natur.»
Nur ein Jahr später hat dieser Satz einen völlig anderen Klang. Diplomaten und Experten in Paris und Brüssel machen sich Sorgen, dass die Spannungen mit Italien europäische Projekte blockieren könnten – nicht nur die schwierige Reform der gemeinsamen Asylpolitik.
Politologe Moïsi führt den Streit zum Teil auf Wahlkampfgetöse zurück. Nach der Europawahl seien «die Möglichkeiten für einen Kompromiss wieder grösser», glaubt er. Hauptsache, der Konflikt endet nicht wie im Film «Scheidung auf Italienisch»: tödlich. (sda/afp)