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EU-Gipfel beschliesst Aufnahmelager für Flüchtlinge

EU-Gipfel beschliesst Aufnahmelager für Flüchtlinge in Europa – aber wo?

29.06.2018, 06:1229.06.2018, 09:36
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Getrieben von der deutschen Regierungskrise und Forderungen aus Italien hat sich die Europäische Union auf eine Verschärfung ihrer Asylpolitik geeinigt. Künftig können demnach gerettete Bootsflüchtlinge in geschlossenen Aufnahmelagern in der EU untergebracht werden.

Ähnliche Lager in Nordafrika werden geprüft. Die Grenzschutzagentur Frontex soll schon bis 2020 verstärkt und die EU-Aussengrenzen stärker abgeriegelt werden. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel begrüsste die in der Nacht auf Freitag erzielte Einigung.

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Italiens Premierminister Giuseppe Conte nach der Verhandlungsrunde.Bild: EPA/EPA

Allerdings blieb zunächst unklar, wie die Beschlüsse Merkel im erbitterten Koalitionsstreit mit der CSU helfen könnten. Innenminister Horst Seehofer droht damit, an den deutschen Grenzen Asylbewerber zurückzuweisen, die bereits in einem anderen EU-Land registriert sind. Merkel wollte dies unbedingt mit einer europäischen Lösung verhindern.

Zwar ist in der Abschlusserklärung nun auch eine Klausel zu dieser sogenannten Sekundärmigration enthalten. Allerdings steht dort nur recht allgemein: «Mitgliedstaaten sollten alle nötigen internen gesetzgeberischen und administrativen Massnahmen ergreifen, um solchen Bewegungen entgegenzuwirken, und dabei eng zusammenarbeiten.»

Kein Wunschkonzert

Merkel sagte, damit sei eine stärkere Ordnung und Steuerung der «Sekundärmigration» vereinbart worden. Klar sei, dass alle sich an Regeln halten müssten und sich kein Asylbewerber einen EU-Staat aussuchen dürfe.

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Eine müde Angele Merkel nach dem EU-Gipfel.Bild: EPA/EPA

Insgesamt nannte die CDU-Chefin die Einigung auf einen gemeinsamen Text der 28 Staats- und Regierungschefs eine «gute Botschaft». Es warte zwar noch eine Menge Arbeit am gemeinsamen europäischen Asylsystem. «Aber ich bin optimistisch nach dem heutigen Tag, dass wir wirklich weiter arbeiten können.»

«Italien ist nicht mehr allein»

Geradezu euphorisch äusserte sich am Ende der italienische Regierungschef Giuseppe Conte, der zeitweilig mit einer Blockade des Gipfels gedroht und eine ganze Reihe Forderungen aufgestellt hatte. Nach dem Durchbruch sagte er: «Bei diesem europäischen Rat wird ein verantwortungsvolleres und solidarischeres Europa geboren. Italien ist nicht mehr allein.» Conte hatte darauf gedrungen, dass die übrigen EU-Länder Italien mehr Flüchtlinge abnehmen und sich an der Aufnahme aus Seenot geretteter Menschen beteiligen.

Dazu könnten die Aufnahmelager in der EU dienen, die einzelne Mitgliedstaaten freiwillig bei sich errichten können. Schutzbedürftige sollen aus diesen Lagern dann ebenfalls freiwillig von Ländern übernommen werden. Wer dazu bereit ist, blieb offen. Ob zusätzlich noch Aufnahmelager in Drittstaaten – also wohl in Nordafrika – entstehen sollen, soll zunächst geprüft werden.

Sammelstellen für Bootsflüchtlinge

Bei diesen möglichen Sammelstellen für Bootsflüchtlinge ausserhalb der EU werde mit dem UNO-Flüchtlingswerk UNHCR und der Internationalen Organisation für Migration zusammengearbeitet und internationales Recht eingehalten, versicherte Merkel: «Ich habe sehr viel Wert darauf gelegt, dass wir gesagt haben: Wir wollen in Partnerschaft mit Afrika arbeiten.»

Der französische Präsident Emmanuel Macron lobte den Beschluss als «europäische Lösung». Diese sei besser als nationalstaatliche Einzellösungen, die ohnehin nicht getragen hätten, sagte Macron. «Das ist für Frankreich eine gute Nachricht.» Der österreichische Kanzler Sebastian Kurz äusserte sich erfreut, dass viele EU-Staaten nun den Fokus ganz klar auf die Reduzierung von Migration und den Schutz der EU-Aussengrenzen legten.

Die EU-Staaten einigten sich im Zuge der Migrationsdebatte auch auf die Finanzierung weiterer drei Milliarden Euro, die der Türkei für Syrienflüchtlinge zugesagt sind. Ausserdem wollen sie die Wirtschaftssanktionen gegen Russland um weitere sechs Monate verlängern, weil in der Ostukraine Fortschritte im Friedensprozess fehlen. (sda/dpa)

Tausende Menschen stranden zwischen Algerien und dem Niger

Video: srf
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