In Frankreich geht ein Verdacht um. Ein Verdacht, der für den Präsidenten fatale Folgen haben könnte. Denn wie die Geschichte lehrt: Je königlicher sich der Herrscher im Élysée gibt, desto revolutionärer wallt es im Volk. Die Wahlguillotine ist in Paris nie weit. Der Verdacht also lautet: Macron I. frönt wie seine erlauchten Vorfahren in Versailles dem schnöden Luxus. Kann das sein?
Nun liesse sich einwenden, diese Ausgaben seien doch gar nicht so extravagant. Das Tischgeschirr des Élysées ist buchstäblich ein tragendes Element der – in Frankreich sehr politischen – Esskultur. Zudem ist es teils so verblichen wie die Erinnerung an den Präsidenten Coty, der einzelne noch heute verwendete Sèvres-Teller schon vor 60 Jahren ins Sortiment aufgenommen hatte.
Was das Planschbecken in der imposanten Küstenfestung betrifft, soll es nicht mehr wie geplant in den Boden eingelassen werden, sondern demontierbar sein. Laut Macrons Entourage kostet das zehn auf vier Meter grosse Becken kaum die Hälfte des Schutzdispositivs für elf Gendarmen und zwei Rettungsschwimmer (60'000 Euro pro Sommer). Die gingen bisher in Alarmstellung, wenn sich Monsieur le Président am Fusse von Fort Brégançon unter das biedere Volk am Sandstrand mischte. Der eigene Pool hingegen läge paparazzigeschützt hinter dicken Mauern, was vor allem für Brigitte ein Argument sein soll.
Der böse Verdacht hält sich dennoch. Schuld ist wieder einmal das Enthüllungsblatt «Le Canard Enchaîné». Es berichtet, die teils handgemalten Élysée-Teller kosteten über 400 Euro pro Exemplar. Damit würde der Zähler nicht bei 50'000 Euro stehen bleiben, sondern fast 50'0000 Euro erreichen. In Sachen Swimmingpool heisst es ferner, mehrere Ex-Präsidenten hätten schon den Einbau eines selbigen in Fort Brégançon geprüft, aber als zu kostspielig verworfen. Erst Macron wurde konkret; dafür verheimlichte er seinen Plan zuerst vor der Öffentlichkeit.
Dem 40-jährigen Präsidenten, dessen Popularität in den Umfragen ohnehin auf Sinkflug ist, fliegen nun sarkastische Reaktionen um die Ohren. Um nicht zu sagen die Teller: Aus dem Burgund schickte ein Ehepaar sein Geschirr den Macrons ins Élysée. Lästerte der Staatschef doch kürzlichüber die «Wahnsinnskohle, die das verschlingt» – wobei er nicht seinen Swimmingpool meinte, sondern generell die Sozialausgaben Frankreichs. Mit seinem Tellergeschenk wolle es Macron aus der Not helfen, meinte das Rentnerpaar aus der Nähe von Cluny mit beissender Ironie.
Wütend sind die Franzosen nicht so sehr über die Höhe der Beträge, sondern über das Gemisch von Ausreden, Vertuschungsversuchen und falschen Zahlenangaben. Das kennen sie von ihren Präsidenten nur zu gut. Auf diese Weise versuchte sich schon Nicolas Sarkozy herauszureden, als er im neuen Präsidenten-Airbus auch eine Badewanne und Sauna einrichten wollte. Erst nach heftigen Publikumsreaktionen verzichtete er darauf.
Pensionierte Präsidenten müssen gar nicht mehr mogeln, erhalten Sie doch fürstliche Renten von bis zu 20'000 Euro im Monat; dazu verfügen sie über ein Grossbüro, eine Limousine mit zwei Chauffeuren, ein Dutzend Angestellte sowie Gratisreisen mit der Staatsbahn oder Air France. Letzteres stets «in der besten Klasse», wie ein Dekret schon im Jahre 1985 bestimmte. Bekannt wurde diese vierseitige Privilegienliste für ehemalige Élysée-Herrscher erst ein Vierteljahrhundert später – natürlich dank dem «Canard».
Macrons direkter Vorgänger François Hollande limitierte einzelne Vorrechte der Ex-Présidents auf fünf Jahre nach Amtsende. Das Budget des Élysées von 109 Millionen Euro im Jahr bleibt trotzdem dreimal höher als das des deutschen Kanzleramtes. Die meisten Ausgaben des französischen Präsidialamtes sind zudem in den Budgets anderer Ministerien versteckt. Niemand vermöchte deshalb zu sagen, wie viel Geld Frankreich für seine Präsidenten ausgibt. Und niemand glaubt den offiziellen Zahlen. Schon gar nicht einem präzisen Sonderposten wie dem Élysée-Geschirr, das zum Schluss zehnmal mehr kostet als angegeben.
Das Paradoxe ist, dass die französischen Präsidenten gar nicht wie ein Krösus leben. Oder zumindest weniger als die ehemaligen Präsidenten, von denen heute gleich deren vier nocham Leben sind: Valéry Giscard d’Estaing, Jacques Chirac, Nicolas Sarkozy und François Hollande. Zusammen fallen sie dem Staat laut Rechnungshof jährlich mit insgesamt zehn Millionen Euro zur Last.
Monsieur le président verdient 15'000 Euro im Monat, weniger als die deutsche Kanzlerin (18'000 Euro). Sein Wohnsitz, das Élysée, wird zwar von Eingeweihten «Château» genannt, bietet aber weder die Ausmasse noch den Komfort eines Schlosses. Als blosse Dépendance des Königshofes beherbergte es im 18. Jahrhundert die königliche Mätresse, Madame de Pompadour. Heute vermag der schöne Schein der Kristalllüster und Gobelin-Wandteppiche nicht zu verbergen, dass das Gebäude ziemlich heruntergekommen ist. Während der Amtszeit Sarkozys verfehlte ein herunterfallendes Stück eines Stuckengels nur knapp das Haupt eines fremden Staatschefs. Dessen Identität wurde diplomatisch verschwiegen.