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#MeToo Skandal: US-Schule zensiert Abschlussrede über sexuelle Belästigung

Lulabel Seitz nimmt kein Blatt vor den Mund und lässt sich auch nicht unterkriegen.
Lulabel Seitz nimmt kein Blatt vor den Mund und lässt sich auch nicht unterkriegen.Bild: screenshot twitter

#MeToo Skandal: US-Schule zensiert Abschlussrede über sexuelle Belästigung

11.06.2018, 03:2611.06.2018, 09:16
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Am 2. Juni 2018 wurde an der Petaluma High School in Petaluma (Kalifornien) – rund 40 Meilen nördlich von San Francisco – die jährliche Abschlussfeier abgehalten. Mit dabei war auch die 17-jährige Lulabel Seitz. Die Jahrgangsbeste wurde zuvor als Rednerin auserkoren.

Die frischgebackene Absolventin startete ihre Rede mit Erinnerungen an die ersten Schultage, dann nannte sie einschneidende Ereignisse während der vierjährigen Schulzeit. Da waren die verheerenden Flächenbrände, die zur temporären Schliessung der Schule geführt hatten und dann gab es noch einen Lehrerstreik. Auch Persönliches liess sie nicht aus: In ihrer Familie herrschten nicht immer harmonische Verhältnisse. Vorfälle, die für sie prägend waren.

Heikle Themen unerwünscht

Es gab da aber noch ein prägendes Erlebnis: Als Lulabel Seitz im Begriff war, das Thema sexuelle Nötigung anzuschneiden, war dann aber ganz schnell Schluss. Die Schule stellte einfach das Mikrofon ab.

«Because the class of 2018 has demonstrated time and time again that we may be a new generation but we are not too young to speak up, to dream and to create change. Which is why, even when some people on this campus, those same people ...,»

«Unsere Abschlussklasse 2018 hat immer wieder bewiesen, dass wir eine neue Generation sind und wir sind nicht zu jung, um unsere Meinung zu äussern, zu träumen und einen Wandel herbeizuführen. Und genau deshalb, selbst wenn einige Personen auf diesem Campus, jene Personen …»
Dies waren die letzten beiden Sätze der Rede. Dann wurde das Mikrofon auf stumm gestellt. 

Die 17-Jährige war gemäss eigenen Angaben Opfer eines sexuellen Übergriffs geworden. Lulabel Seitz habe mehrfach mit der Schulleitung in dieser Angelegenheit Kontakt aufgenommen, man habe aber nichts unternommen. Der Beschuldigte geht im Übrigen auf die gleiche Schule. 

Man habe versucht, Lulabel Seitz mundtot zu machen. Seitens der Schulleitung seien wiederholt Warnungen ausgesprochen worden, dass an der Abschlussfeier nicht über diesen Vorfall berichtet werden dürfe. Ebenso wurde vorgängig verlangt, das Skript der Rede zur Überprüfung einzureichen.

Die Petaluma High School liess verlauten, dass aus Gründen der Privatsphäre zum Vorfall während der Abschlussfeier keine Auskunft geben werden kann. 

«Let her speak»

Nach dem Unterbruch begab sich Lulabel Seitz in Richtung Publikum und sprach mit lauter Stimme weiter. Die Zuschauer skandierten: «Let her speak». 

Ihre Familie habe sie nach der Feier ermutigt, ihre Rede in voller Länge als Video aufzunehmen und ins Internet zu stellen. Das tat sie dann auch: 

Diesmal ohne Zensur: Lulabel Seitz sagt, was sie denkt.Video: YouTube/Lulabel Seitz

Reaktionen im Netz

Im Internet verbreitet sich die Nachricht sehr rasch. Lulabel Seitz erhält dabei auch prominente Unterstützung: Schauspielerin Mira Sorvino lobt ihren Mut in die Öffentlichkeit zu treten. Die Oscarpreisträgerin kann mir ihr sehr gut mitfühlen, denn sie selber wurde von Harvey Weinstein sexuell belästigt. 

«Lulabel Seitz ist mutig genug die Wahrheit zu sagen und sie [die Schulleitung] versuchten sie zum Schweigen zu bringen. Versteht ihr nicht, dass Opfer sexueller Übergriffe nicht mehr (so leicht) zum Schweigen gebracht werden können? Die Jahrgangsbeste sagt, dass Ihre Rede abgebrochen wurde, als sie begann über sexuelle Übergriffe zu reden.»

Lob erhält Seitz aber auch von nicht-prominenter Seite.

(vom)

So poetisch zerstört diese Inderin sexistische Kackscheisse

Video: watson
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16 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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mbr72
11.06.2018 05:46registriert Mai 2015
Hahaha... herrlich, wenigsten eines der wenigen Beispiele, bei dem Social Media was Gutes bewirkt.
Wenn diese Schulleitung ein Minimum an Ahnung hätte, wie Medien heute funktionieren, hätte sie diese Ergebnis vorausgesehen! So ein Pech aber auch, nun weiss es einfach die ganze Welt.
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walsi
11.06.2018 07:48registriert Februar 2016
Was ist mit den Rechten des Beschuldigten? Wenn sein Name veröffentlicht wird ist er gesellschaftlich tot, auch wenn sich später seine Unschuld herausstellt. Bestes Beispiel ist Kachelmann. Er wurde frei gesprochen und die ex Freundin später sogar verurteilt wegen den falschen Besculdigungen. Dennoch ist er heute für die meisten ein Vergewaltiger.
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Süffu
11.06.2018 07:21registriert Februar 2016
Wie soll man hier nun beurteilen, wie das ganze ablief und ob allenfalls ein Unschuldiger durch die vor einem Leben als Schuldiger bewahrt wurde? Warum geht man davon aus, dass da alles mit rechten Dingen zu und her ging?
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