«Unbekannte fackeln in Deutschland Halle ab, in die Flüchtlinge ziehen sollten», «Erneut Brandanschlag auf Flüchtlings-Unterkunft in Leipzig» – wenn es um Deutschland und den dortigen Umgang mit Flüchtlingen geht, ist es diese Art von Schlagzeilen, die die hiesige Presse dominiert. Von guten Neuigkeiten und gelungenen Projekten liest man so gut wie nie.
Dabei stammen die unerfreulichen News einerseits grösstenteils aus Ostdeutschland – also aus einem relativ kleinen Teil des Landes – und andererseits ist es wie so oft: Ein paar wenige Negativ-Beispiele übertönen lautstark die positiven Begebenheiten.
Dem CDU-Politiker Geert Mackenroth ist diese verzerrte Darstellung ein Dorn im Auge. Er ist Ausländerbeauftragter für das ostdeutsche Bundesland Sachsen. In einem Interview vom Echo der Zeit hält er fest, dass im Moment ein falscher Eindruck von Sachsen entstehe – und dieser dringend korrigiert werden müsse.
Auf die Frage, was man tun kann, damit die Fremdenfeindlichkeit nicht noch weiter wächst, antwortet Mackenroth: «In dem Moment, wo die Menschen ein Gesicht bekommen und ihre Geschichten erzählt werden, gibt es in der Bevölkerung eine grosse Akzeptanz dafür, diesen Menschen zu helfen.»
Und genau das tun die folgenden 8 Aktionen: Sie zeigen Gesichter, erzählen Geschichten. Und sie tun noch etwas: Sie helfen, den Flüchtlingen in Deutschland Fuss zu fassen.
In den Hamburger Messehallen – und somit mitten in der Hansestadt – ist eine vorübergehende Flüchtlingsunterkunft errichtet worden, in der momentan 1200 Menschen untergebracht sind. Um die Integration der Flüchtlinge zu erleichtern und die Bevölkerung zur Mithilfe zu animieren, ist ein Projekt entstanden, welches sich das Motto «Das Karoviertel sagt: Refugees welcome!» auf die Fahnen geschrieben hat.
Ihr konkretes Ziel formulieren die Organisatoren so: «Wir wollen die Menschen nicht alleine lassen und bieten Anwohner/innen eine Plattform, um Hilfe und Spenden für unsere neuen Nachbarn zu organisieren.» Auch für Aussenstehende greif- und sichtbar wird diese Hilfe bei Aktionen wie dem grossen Grillfest, das am Samstag stattgefunden hat. Die dort entstandenen Fotos liefern einen guten Eindruck davon, wie das Zusammenleben dort funktioniert.
Wie gross die Solidarität in Hamburg ist, zeigt auch die Beteiligung der Bürger an dem Projekt «Kleiderkammer Messehallen». Hier werden Sachspenden für die in Hamburg angelangten Flüchtlinge gesammelt, sortiert und verteilt – und das alles von freiwilligen Helfern.
Liest man die Einträge auf der Facebook-Seite des Projektes, bekommt man einen Eindruck davon, wie sehr sich das Volk einbringen will. Leute erkundigen sich, welche Art von Spenden genau gebraucht werden, kündigen grössere Lieferungen an oder fragen, wann sie wie vor Ort helfen können.
Dass es keine grosse Organisation, keinen Projektleiter und keine Bürokratie braucht, um zu helfen, beweist die folgende Geschichte: «Einfach machen, haben Stefanie und ich gesagt, wir machen das einfach», so beginnt die Anekdote, die Georg Moeller auf seiner Facebook-Seite schildert.
Was genau er gemacht hat? Ganz einfach: Er ist zu den Hamburger Messehallen gefahren, hat sich 13 Kinder und 23 dazugehörige Elternteile geschnappt und hat mit ihnen einen Ausflug zum Elbstrand unternommen.
Der Dank, den die Gruppe dem Deutschen am Abend entgegenbringt, ist unbezahlbar. Georg Moeller schreibt: «Am Ende muss ich vor den Messehallen 36-mal aushalten, gedrückt zu werden und reichlich Küsse einzufangen, smacksmack, links rechts; ohne Vorwarnung, von Frauen, Männern, Kindern. Bei den Kids muss ich auf die Knie, damit auch die Zweijährigen zulangen können. Es gibt schlimmere Momente.»
Auf dem Nachhauseweg befällt ihn dann noch dieser Gedanke: «Ihr verdammten Ewiggestrigen, ihr Hassbacken, ihr Neomenschenfeinde: Niemand wird euch je umarmen und euch schenken, was aus Menschen Menschen macht.»
Einfach machen, haben Stefanie und ich gesagt, wir machen das einfach. Wir reden mit den Menschen die dort in den...
Posted by Georg E. Moeller on Sonntag, 23. August 2015
Wie wichtig Begegnungen sind, um zu der Flüchtlingsthematik einen echten Zugang zu bekommen, zeigt das Projekt «Über den Tellerrand kochen», welches in der deutschen Landeshauptstadt ins Leben gerufen wurde. Die Initianten organisieren alle zwei Wochen einen Kochkurs, bei dem ein Flüchtling die Rolle des Kochlehrers übernimmt und circa 15 Leuten beibringt, wie man Gerichte aus seiner Heimat zubereitet.
Die Berliner Initiative "Über den Tellerrand kochen" veranstaltet alle zwei Wochen Kochkurse: Flüchtlinge bereiten Gerichte aus ihrer Heimat zu - ein Besuch.
Posted by SPIEGEL ONLINE on Samstag, 15. August 2015
Auf die Idee sind die Organisatoren gekommen, als ihnen klar wurde, dass das Thema Flüchtlinge oftmals ein rein politisches ist: «Aber die Menschen, die sich eigentlich dahinter verbergen, die hat man nie kennengelernt», so Gerrit Kürschner.
Im flächenmässig kleinsten Bundesland – nämlich dem Saarland – ist ein Projekt entstanden, welches den Bürgern auf ganz einfache Art und Weise die Möglichkeit gibt, Flüchtlingen zu helfen. Die Rede ist hier von der «Refugee Welcome Box».
Das Prinzip dahinter ist simpel wie genial: Jeder, der mitmachen will, nimmt eine Kiste und füllt sie mit Sachen, von denen er denkt, dass sie für einen Flüchtling von Nutzen sein könnten. So bekommt jeder Refugee, der neu im Saarland ankommt, ein persönliches und individuelles Willkommensgeschenk. Einzige Einschränkung: Die Zielgruppe sind männliche Flüchtlinge, im Alter zwischen 15 und 18 Jahren.
Auch der deutsche Langenscheidt Verlag, der vor allem für seine Wörterbücher bekannt ist, hat sich mit dem Thema Flüchtlingshilfe beschäftigt. Er trägt seinen Teil dazu bei, indem er das Online-Wörterbuch «Arabisch-Deutsch/Deutsch-Arabisch» ab sofort gratis zur Verfügung stellt. Da Sprache eine zentrale Rolle bei der Integration spielt, eine durchaus sinnvolle Idee.
Haben Flüchtlinge in ihrer Heimat eine akademische Ausbildung angefangen, so fehlt ihnen in Deutschland meist die Möglichkeit, diese fortzuführen – beispielsweise aufgrund fehlender Papiere oder mangelnder Sprachkenntnisse.
Der Berliner Student Markus Kressler hat es sich deshalb zur Aufgabe gemacht, den Flüchtlingen dennoch eine Möglichkeit zu bieten, um weiter zu studieren. Gemeinsam mit Freunden hat er die Wings University ins Leben gerufen – eine Universität, die für jedermann zugänglich ist und deren auf englisch gehaltenen Vorlesungen allesamt online verfügbar sind.
Bisher steckt das Projekt noch in den Kinderschuhen, die Abschlüsse sind noch nicht staatlich anerkannt. Doch das soll sich möglichst bald ändern: «Gerade beginnen Gespräche mit deutschen, aber auch internationalen Universitäten», sagt Kressler in einem Gespräch mit dem Bayrischen Rundfunk. «Wenn wir mit anderen Unis zusammenarbeiten, könnten unsere Studenten komplett bei uns studieren und betreut werden, aber den Abschluss von einer staatlichen Uni bekommen.»
Der Wissenschaftsjournalist und TV-Moderator Ranga Yogeshwar lebt in Hennef, einer Stadt in der Nähe von Köln. Auch er hat eine Story auf Lager, die das Thema Flüchtlingshilfe in Deutschland in ein deutlich besseres Licht rückt: Auf seiner Facebook-Seite berichtet er davon, mit welch grossem Erfolg Flüchtlingen in seiner Heimat geholfen wird:
«Bei uns haben wir etwa 150 Menschen aufgenommen und ich bin begeistert vom Mitgefühl und vom Einsatz der Menschen in meiner Gemeinde. Eine Turnhalle wurde in kürzester Zeit umgerüstet. Mit Betten, Tischen etc. Das Rote Kreuz leistete grossartige Arbeit, Ärzte helfen freiwillig und auch der Bürgermeister und die Beamten der Stadtverwaltung sind tatkräftig dabei. Ich selbst bringe mich als Dolmetscher ein und erfahre hierüber auch viel über das Leben und die Odysseen der Flüchtlinge.
(...) Flüchtlinge haben häufig ein Smartphone und das Internet ist oft ihre einzige Chance, mit anderen Kontakt zu halten. Ich versuchte also ein kostenloses WLAN in der Turnhalle zu organisieren und wandte mich an die Telekom. Binnen vier Tagen stand der Anschluss – Toll. Die Telekom hat das alles umsonst gemacht. Schnell, unbürokratisch und engagiert. Danke!! Mir zeigt das, wie viel Herzlichkeit und Altruismus einem in Deutschland begegnet. Die vielen Flüchtlinge ändern meinen Blick auf unsere Welt und sie machen mich stolz auf Deutschland!»
In diesem Sommer suchen viele Flüchtlinge Schutz bei uns. Bei uns haben wir etwa 150 Menschen aufgenommen und ich bin...
Posted by Ranga Yogeshwar on Dienstag, 25. August 2015
Geschichten wie diese gibt es in Deutschland wahrscheinlich unzählig viele. Wichtig ist aber, dass sie auch erzählt – und von den Medien aufgenommen werden. Und das ist auch der Grund dafür, dass genau diese Geschichte in dem letzten Punkt unseres Listicles aufgegriffen wird. Eben weil sie exemplarisch für unzählige weitere positive Beispiele stehen soll.