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Italiens Ministerpräsident Draghi vor erneutem Rücktritt

Italiens Staatschef nimmt Rücktritt von Ministerpräsident Draghi an

21.07.2022, 10:34
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Italiens Staatschef Sergio Mattarella hat den Rücktritt von Ministerpräsident Mario Draghi angenommen. Das teilte der Quirinalspalast am Donnerstag in Rom mit.

Die Regierung bleibe für die Abwicklung der laufenden Geschäfte aber noch im Amt.

Italian Premier Mario Draghi waves to lawmakers at the end of his address at the Parliament in Rome, Thursday, July 21, 2022. Premier Mario Draghi's national unity government headed for collapse  ...
Italiens Ministerpräsident Mario Draghi will erneut zurücktreten, weil er keine Möglichkeit zum Weiterregieren sieht.Bild: keystone

Zuvor reichte der Ex-Chef der Europäischen Zentralbank wie schon vor einer Woche sein Rücktrittsgesuch erneut bei dem 80 Jahre alten Oberhaupt der Italienischen Republik ein. Mattarella kommt damit eine wichtige Rolle für die Zukunft des Landes mit seinen fast 60 Millionen Einwohnern zu.

Als nächstes muss er entscheiden, ob er die Parlamentskammern auflöst und damit den Weg für eine vorgezogene Wahl ebnet oder ob er einen Experten oder Politiker sucht, um eine neue Regierungsmehrheit aus dem bestehenden Parlament zu formen.

Draghi wollte bereits am vergangenen Donnerstag zurücktreten, als er im Senat von der populistischen Regierungspartei Fünf-Sterne-Bewegung das Vertrauen im Zusammenhang mit der Abstimmung über ein Milliardenschweres Hilfspaket nicht ausgesprochen bekam. Mattarella lehnte das Angebot jedoch ab. Draghi sollte sich am Mittwoch stattdessen im Senat und am Donnerstag in der Abgeordnetenkammer zur Regierungskrise erklären.

Im Senat erhielt der parteilose Banker allerdings am Mittwochabend eine herbe Klatsche, als drei seiner Regierungsparteien bei einem Vertrauensvotum über seine Regierung nicht mit abstimmten. Er gewann zwar die Abstimmung mit 95 Ja- zu 38 Nein-Stimmen, bekam aber nicht die von ihm geforderte breite Zustimmung für einen neuen «Pakt des Vertrauens».

Italien rutscht damit immer weiter ins politische Chaos. Am Vormittag reagierten die Märkte auf die drohende politische Instabilität in der drittgrössten Volkswirtschaft der EU mit einer Abwärtsbewegung. Die Börse in Mailand stand zwischenzeitlich mit zwei Prozent im Minus.

Der Risikoaufschlag für zehnjährige italienische Staatsanleihen im Verhältnis zu deutschen Staatsanleihen stieg deutlich an. Das hoch verschuldete Italien könnte damit zu einer Gefahr für die EU und den Euro werden, der unter Druck geraten könnte.

Mattarellas Entscheidung könnte für das Mittelmeerland gravierende Auswirkungen haben. Eine vorgezogene Wahl würde zunächst politischen Stillstand bedeuten und in Italien, aber auch in Europa, für Instabilität sorgen. Eigentlich müsste das Parlament weitere Reformen durchsetzen, um sich die Corona-Wiederaufbaugelder aus Brüssel in Milliardenhöhe zu sichern. Ausserdem muss der Haushalt für 2023 geplant werden, was in der italienischen Politik traditionell für viel Streit sorgt.

Die Wahl könnte ausserdem Umfragen zufolge die politische Landschaft massgeblich verändern. Derzeit liegt die rechtsextreme Oppositionspartei Fratelli d'Italia von Giorgia Meloni in der Wählergunst vorne. Gemeinsam mit der rechten Lega und der konservativen Forza Italia könnte der Mitte-Rechts-Block damit sehr viele Menschen und am Ende vielleicht sogar eine Parlamentsmehrheit hinter sich vereinen. (sda/dpa)

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Italien: lustige Bilder von unserem südlichen Nachbarn
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Na ja, Alternativen gäbe es ja nicht gerade en masse.
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20 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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TommyGun
21.07.2022 09:51registriert Oktober 2020
Es ist ein Drama in Italien. Den rechten und linken Populisten ist das Land s.......egal, es geht nur um persönliche Eitelkeiten und Profit. Eigentlich sollten diese Populisten für ihre Machtspielchen persönlich haftbar gemacht werden, jeder zehntel Zinsanstieg bringt das Land dem Staatsbankrott näher. Wenn die Italiener allerdings diese Parteien bei der nächsten Wahl wieder wählen, sollte die europäische Solidarität enden. Wenn die ihr Land über die Klippe fahren wollen, sollen sie das tun, aber sie haben keinen Anspruch darauf, dass sie den Rest mitziehen dürfen.
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Sk8/Di3
21.07.2022 11:18registriert Juli 2019
"Draghi erhielt eine Klatsche..." Nein. Lega und Forzza Italia wollten 5 Stelle eins auswischen. Also haben die rechten sich enthalten um Neuwahlen herbeizuführen und sagen zu können Schuld haben die Linken. Einfach mal wieder Parteipolitik ohne Rücksicht auf Verluste. Ausbaden kann es dann ja das "Volk". Aber die Analyse, dass man Draghi ein Klatsche erteilte ist einfach schlecht. Nein sogar falsch.
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