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Gesellschaft & Politik

Interview mit USA-Experte James David nach Hausdurchsuchung bei Trump

USA-Experte: «Nach der Hausdurchsuchung lohnt es sich für Trump umso mehr zu kandidieren»

Die Anhänger des ehemaligen US-Präsidenten protestieren gegen die Justiz. Drohen in den Vereinigten Staaten nun Ausschreitungen auf der Strasse? Politikprofessor James Davis gibt Antworten.
09.08.2022, 20:09
Pascal Ritter / ch media
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Am Montagabend hatte die Bundespolizei FBI das Anwesen des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump durchsucht. Es geht um Dokumente der Präsidentschaft, die er unbefugterweise aus dem Weissen Haus entfernt haben soll. Der 76-Jährige machte den Vorgang selbst publik: «Mein wunderschönes Zuhause, Mar-A-Lago in Palm Beach, Florida, wird derzeit von einer grossen Gruppe von FBI-Agenten belagert, durchsucht und besetzt», schrieb Trump in den sozialen Medien.

Armed Secret Service agents stand outside an entrance to former President Donald Trump's Mar-a-Lago estate, late Monday, Aug. 8, 2022, in Palm Beach, Fla. Trump said in a lengthy statement that t ...
Hausdurchsuchung beim Ex-Präsidenten: Bewaffnete Secret-Service-Agenten stehen am Montag, 8. August 2022, in Palm Beach, Florida, vor einem Eingang zum Mar-a-Lago-Anwesen des ehemaligen Präsidenten Donald Trump.Bild: keystone

Seine Anhänger protestieren seither wütend, trumptreue Republikaner verurteilen die Vorgänge als «politische Justiz». Was bedeutet die Hausdurchsuchung und welche Folgen könnten sie haben für die US-amerikanische Politik? James W. Davis unterricht an der Universität St.Gallen Politikwissenschaften mit dem Schwerpunkt Internationale Beziehungen. Er ordnet das Geschehen im Interview ein.

Trumps Anwesen wurde offenbar vom FBI durchsucht. Wie beurteilen Sie diesen Vorgang?
James W. Davis:
Das ist sehr aussergewöhnlich. Ich weiss von keinem Fall, wo die Bundespolizei ein Anwesen eines ehemaligen Präsidenten durchsuchte.​

Hat ein ehemaliger Präsident keine Restimmunität? Ist er nun ein Bürger wie jeder andere?
Es wird ja vermutet, Trump habe gewisse Dokumente aus dem Weissen Haus mitgenommen, was verboten ist. Hat er das getan, wäre das eine Straftat und ruft wie bei jedem anderen Bürger die Strafverfolgungsbehörden auf den Plan.

Politikprofessor James W. Davis
James W. Davis ist Professor für Politikwissenschaft mit besonderer Berücksichtigung der Internationalen Beziehungen und Direktor des Instituts für Politikwissenschaf der Universität St. Gallen. Er forscht zu internationaler Sicherheit, Methoden der Politikwissenschaft, politischer Psychologie und den transatlantischen Beziehungen.
Bild
bild: zvg

Darf ein Präsident in den USA keine Unterlagen mit nach Hause nehmen?
Klar kann er Unterlagen unter Einhaltung gewisser Regeln mitnehmen. Zudem hat der Präsident die Möglichkeit, geheime Dokumente abzustufen, sodass er sie mitnehmen kann. Allem Anschein nach hat er das bei den fraglichen Dokumenten aber nicht gemacht.​

Es scheint, als seien die Gesetze im Bezug auf Dokumente der Regierung streng. Warum ist das so?
Das geht zurück auf die Watergate-Affäre, als Richard Nixon wegen Missbrauch von Regierungsbehörden zurücktreten musste. Im Nachgang führte man in den USA strenge Regeln für den Umgang mit Regierungsdokumenten ein. Jegliche Kommunikation, die mit der Amtsführung des Präsidenten zu tun hat, gehört dem Staat, also letztlich dem Volk, und muss archiviert werden. Offenbar hat sich Trump nicht an dieses Gesetz gehalten.

Trumps Seite spricht von einer Politisierung der Justiz. Können Sie in den USA eine solche erkennen?
Wir erlebten während der Trump-Administration eine starke Politisierung der Justiz. Man denke an den Justizminister Trumps, der vor der Veröffentlichung des Muller-Report über Trumps Aktivitäten mit Russland bereits eine Art Zusammenfassung freigegeben hat, die deutlich vom Abschlussbericht abwich. Wir hatten auch immer wieder Versuche seitens der Politik die Justiz auf Mitglieder der demokratischen Partei oder die Familie von Biden loszulassen. Unter der aktuellen Regierung habe ich nicht den Eindruck einer politischen Justiz. Justizminister Garland war extrem vorsichtig, was Ermittlungen gegen Trump angeht. Zudem befand ein unabhängiger Richter über die Hausdurchsuchung beim ehemaligen Präsidenten. Es ist unwahrscheinlich, dass diese Aktion politisch motiviert war. Aber natürlich nimmt das nun sofort politische Dimensionen an.​

Was bedeutet die Strafuntersuchung gegen ihn für Trump?
Für ihn besteht die Gefahr, dass er nicht erneut kandidieren darf, sollte er vor Beginn des nächsten Wahlkampfes verurteilt werden.

Könnte er nicht trotzdem kandidieren? Gewisse Kommentatoren sehen das nicht als ausgeschlossen an.
Als Vorbestrafter könnte er gemäss meiner Lesart nicht kandidieren. Anders stellt sich die Situation dar, wenn das Verfahren noch offen wäre. Das Interessante daran ist: für Trump lohnt es sich nun umso mehr zu kandidieren, weil er dadurch das Verfahren verzögern könnte. Es gibt eine Tradition, dass die Bundesbehörden sich während eines Wahlkampfes zurückhalten. So gesehen dürfte die Hausdurchsuchung Trump zusätzlich zu einer Kandidatur motivieren. Diese Überlegung liefert auch eine Erklärung, warum die Strafverfolgungsbehörde jetzt handelt. Sobald Trump offiziell Kandidat ist, steht der Vorwurf der politischen Einflussnahme noch viel deutlicher im Raum.

Wenn er kandidiert: Nützt oder schadet die Durchsuchung seiner Kandidatur?
Bei seiner Basis nützt ihm das Verfahren. Es untermauert scheinbar sein Mantra von «Ich werde verfolgt, der Deep State ist ausser Kontrolle». Die «Make America Great Again»-Truppe wird dadurch mobilisiert und angespornt. Für die republikanische Partei, beziehungsweise den vernünftigeren Teil davon, ist die Hausdurchsuchung eher ein Problem. Sie wollen nicht noch einmal verlieren. Ein angeklagter oder vorbestrafter Donald Trump könnte eine Hypothek sein. Vor allem Wechselwähler dürften abgeschreckt werden. Insofern schadet ihm das Verfahren.​

Ein Republikaner aus Florida sinnierte darüber, ob man nicht FBI-Beamte verhaften solle. Entspricht das dem aktuellen Niveau der Debatte oder ist hier ein weiterer Tiefpunkt erreicht?
Das ist schon ein neues Niveau. Diese Aussage zeigt, wie populistisch und undiszipliniert der rechte Rand der Republikaner geworden ist. Polarisierende und populistische Rhetorik nimmt Überhand.​

Auch die Gefahr von Zusammenstössen auf der Strasse wird diskutiert. Wie schätzen Sie das ein?
Dass diese Gefahr real ist, haben wir am 6. Januar 2021 schon gesehen, als Trump-Anhänger das Kapitol stürmten. Das kann jederzeit wieder vorkommen.​

Wie bewerten Sie denn dieses Ereignis? War das ein versuchter Staatsstreich oder eine aus dem Ruder gelaufene Demonstration?
Was der Sonderausschuss im Repräsentantenhaus während seiner Untersuchung zu Tage gefördert hat, weist darauf hin, dass die Ereignisse viel mehr Eigenschaften eines geplanten Putsches hatten als gedacht. Es gab mehr Planung und Koordination als man unmittelbar nach den Vorfällen annahm.​

Was erwartet Trump bei der Aufarbeitung des Kapitol-Sturms? Droht auch hier ein Verfahren?
Bisher sind noch keine stichhaltigen Beweise für eine Beteiligung an der Planung eines Staatsstreiches aufgetaucht. Es warten aber auch noch andere Verfahren auf ihn. Im Bundesstaat Georgia ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen Verdachts auf versuchte Manipulation von Wahlergebnissen. Trump hatte im Nachgang der Wahl telefonisch bei den Behörden Giorgias Druck gemacht. In New York laufen Verfahren, wegen Manipulation der Bewertung seiner Immobilien. Auf der Steuererklärung hat er deren Wert offenbar kleiner angeben als gegenüber den Banken. So wollte er vermutlich Steuern vermeiden ohne Kreditwürdigkeit zu verlieren. Da diese Verfahren auf der Ebene der Gliedstaaten laufen, haben sie nicht die gleiche politische Dimension wie ein Bundesverfahren. Die Strafverfolgungsbehörden stehen aber auch weniger im Verdacht, politisch zu agieren. Ich erwarte darum mehr von diesen Verfahren.​

Der Kapitolsturm hat das Land geschockt. Mancher Demonstrant bereut mittlerweile seine Tat. Hat sich die Situation seither also beruhigt oder ist es schlimmer geworden?
Es gibt beide Tendenzen. Wir sehen schon, dass sich mehr und mehr gemässigte Republikaner davon distanzieren. Gleichzeitig sehen wir am rechten Rand Versuche, ihre Leute auf der Ebene der Gliedstaaten in Position zu bringen. Das Ziel scheint zu sein, neue Verfahrensregeln durchzubringen, um künftig Wahlergebnisse besser manipulieren zu können.​

Wie machen die Republikaner das?
In einigen Bundesstaaten gibt es Versuche, die Unabhängigkeit der Kommissionen, welche die Wahlergebnisse zertifizieren zu schwächen. Trumps Vertraute bemühen sich um das Amt des «Secretary of State», das für die Einhaltung von Verfahren verantwortlich ist. Man weiss nicht, ob sie das Amt unabhängig ausführen werden. Es gibt zudem Versuche, Gliedstaatsparlamente in der Wahlzertifizierung zu involvieren. Bei umstrittenen Resultaten sollen sie eingreifen können. Zudem werden Wahlkreise verändert, um republikanische Kandidaten zu bevorteilen. Bevölkerungsgruppen, die traditionell für die Demokraten abstimmen, wird der Gang zur Wahlurne erschwert, zum Beispiel, indem Wahllokale an andere Orte verschoben werden. Zusammengefasst gibt es jede Menge Versuche, die Spielregeln so zu ändern, dass die Republikaner, wenn sie bei den nächsten Wahlen verlieren, etwas aus dem Hut zaubern können.​

Sie sprachen nun von institutionellen Verfahren. Wie steht es aber um die Wut auf der Strasse?
Es gibt viel Wut auf beiden Seiten. Die Trump-Anhänger glauben, dass die Wahlergebnisse gefälscht wurden und dass Biden ein illegitimer Präsident sei. Auf der anderen Seite des politischen Spektrums sind Leute empört, dass der oberste Gerichtshof Entscheide - zum Beispiel zum Schwangerschaftsabbruch - über Bord wirft und das Land in eine neue Richtung steuert. Aus deren Sicht ernannte Trump illegitimerweise drei neue konservative Richter. Auf beiden Seiten, werden also Institutionen des Staates in Frage gestellt. Das ist kein guter Zustand. (aargauerzeitung.ch)

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39 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Forest
09.08.2022 20:24registriert April 2018
Trump und Biden sind langsam zu alt für diesen Posten...
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Heinzbond
09.08.2022 21:00registriert Dezember 2018
Da muss man nun wirklich kein Experte sein um zu diesem Schluss zu kommen, dann begnadigt er als erstes sich selber und macht so weiter wie bisher...
Leider sehen das halt nicht alle Amerikaner als Gefahr....
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