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Italiens harter Migrationskurs zwingt EU-Partner zu Zugeständnissen

epa06883438 Italian Coast Guard ship Diciotti with 67 migrants on board enters the port of Trapani, Sicily, Italy, 12 July 2018. According to reports, the migrants were rescued by a civilian ship, the ...
Bild: EPA/ANSA

Italien erzwingt Zugeständnisse – jetzt nimmt auch Deutschland 50 Flüchtlinge auf

15.07.2018, 16:0815.07.2018, 16:46
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Italiens Blockadehaltung in der Migrationsfrage hat EU-Partner zu Zugeständnissen bewegt. Am Sonntag erklärte sich Deutschland wie zuvor Malta und Frankreich bereit, 50 der insgesamt 450 Flüchtlinge aufzunehmen, die am Samstag im Mittelmeer gerettet worden waren.

Trotz der zugesagten Unterstützung war am Sonntag zunächst unklar, wann und wo die Geretteten an Land gehen können. Ein italienisches und ein Frontex-Schiff warteten laut Nachrichtenagentur Ansa weiter auf Zuweisung eines Hafens.

In den vergangenen Wochen hatte die italienische Regierung aus populistischer Fünf-Sterne-Bewegung und rechter Lega mehrfach Schiffe mit geretteten Flüchtlingen auf dem Meer blockiert. Hilfsorganisationen wurde die Einfahrt in italienische Häfen verwehrt.

Eine «gemeinsame, vorhersehbare und wirksame Einigung würde Zeit sparen, das Leiden verringern und Politiker davon abhalten, in einen Wettstreit zu treten, wer am wenigsten Verantwortung übernimmt»
Das Flüchtlingshilfwerk UNHCR auf Twitter

Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen kritisierte die erneute Blockade. Eine «gemeinsame, vorhersehbare und wirksame Einigung», wie mit aus Seenot Geretteten verfahren werden soll, «würde Zeit sparen, das Leiden verringern und Politiker davon abhalten, in einen Wettstreit zu treten, wer am wenigsten Verantwortung übernimmt», schrieb UNHCR auf Twitter.

Italien hatte sich am Freitag geweigert, ein Holzboot in einen Hafen einlaufen zu lassen, welches Medienberichten zufolge von Libyen aus gestartet war. Auch Malta fühlte sich nicht zuständig für die Flüchtlingen. Am Samstag wurden die Menschen schliesslich an Bord der Militärschiffe genommen - doch es war ungewiss, was mit ihnen passieren sollte.

«Unmissverständliches Zeichen» gefordert

Während der rechte Innenminister Matteo Salvini den Rücktransfer der Flüchtlinge nach Libyen ins Spiel brachte, wählte Ministerpräsident Giuseppe Conte mit Aussenminister Enzo Moavero Milanesi den Weg der Diplomatie. Conte schrieb Briefe an EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und Ratspräsident Donald Tusk sowie an die EU-Staats- und Regierungschefs.

Letztere forderte er zu einem «unmissverständlichen Zeichen» geteilter Verantwortung im Geist des EU-Gipfels Ende Juni auf. Dort hatte Conte darauf gedrungen, dass die übrigen Mitgliedsländer Italien mehr Flüchtlinge abnehmen und sich an der Aufnahme aus Seenot geretteter Menschen beteiligen.

In der Migrationskrise fühlt sich Italien seit langem allein gelassen. Obwohl seit Monaten signifikant weniger Flüchtlinge das Land erreichen - die Vorgängerregierung hatte die umstrittene Zusammenarbeit mit Libyen im vergangenen Jahr verstärkt -, feierte die Regierung die Unterstützung der EU-Partner wie einen Durchbruch.

Transportminister Danilo Toninelli von den Fünf Sternen twitterte, die Regierung habe in 45 Tagen mehr Ergebnisse erzielt als in vielen Jahren zuvor. Salvini twitterte: «Willen ist Macht.»

Private Seenotretter im Einsatz

Unterdessen machte sich trotz einer drohenden Blockade im Fall einer Rettung das Schiff «Open Arms» von der spanischen Hilfsorganisation Proactiva auf den Weg vor die libysche Küste. «Wir fahren dorthin, wo es weder Kriminelle, noch Übeltäter gibt, nur Menschenleben in Gefahr. Und zu viele Tote auf dem Grund», twitterte die Organisation.

Die spanische Seenotrettung und die Küstenwache retteten am Samstag Medienberichten zufolge rund 330 Flüchtlinge, die auf Booten in der Meerenge von Gibraltar und im Alborán-Meer zwischen der Iberischen Halbinsel und Nordafrika unterwegs waren. Sie wurden zu verschiedenen Häfen in Andalusien gebracht.

Der Internationalen Organisation für Migration zufolge starben in diesem Jahr bereits fast 1500 Menschen im Mittelmeer. (sda/dpa)

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7 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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dorfne
15.07.2018 17:20registriert Februar 2017
Stichwort Rückführungen nach Lybien: die im Artikel erwähnte IOM, eine Organisation der Vereinten Nationen hat Zutritt zu allen 20 lybischen Auffanglagern. Sie betreut die Migranten, hilft ihnen auch bei der Rückkehr ins Herkunftsland, wo man sich z.T. weiter um sie kümmert. Die Migranten sind Menschenhändlern, Erpressern usw.. in den lybischen Lagern vor Allem dann ausgeliefert, wenn sie trotz des hohen Risikos unbedingt nach Europa wollen und dabei auf falsche Versprechen hereinfallen.
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