International
Gesellschaft & Politik

500'000 Teilnehmer bei Demonstrationen gegen Regierung in Rumänien

1 / 18
Hunderttausende demonstrieren in Rumänien gegen die Regierung
Erneut gingen die Menschen in Rumänien auf die Strasse. Zu Hunderttausenden demonstrierten sie am Sonntagabend (im Bild Bukarest) gegen die Regierung.
quelle: x03608 / inquam photos
Auf Facebook teilenAuf X teilen

500'000 Teilnehmer bei Demonstrationen gegen Regierung in Rumänien

In Rumänien haben am Sonntagabend nach Schätzungen einheimischer Medien fast eine halbe Million Menschen bei landesweiten Strassenprotesten den Rücktritt der sozialliberalen Regierung verlangt.
05.02.2017, 21:4906.02.2017, 09:53
Mehr «International»

Ministerpräsident Sorin Grindeanu von der Sozialdemokratischen Partei (PSD) lehnte in einem Fernsehinterview einen Rücktritt ab. Er habe eine «Verantwortung» gegenüber den Menschen, die seine Partei bei der Parlamentswahl am 11. Dezember gewählt hätten.

Dass Grindeanu die umstrittene Eilverordnung, die den Kampf gegen Korruption eingeschränkt hatte, zurückgenommen hat, hielt die Menschen nicht von neuen Protesten ab. Auf dem Siegesplatz in Bukarest, wo sich der Regierungssitz befindet, versammelten sich am Abend den Schätzungen der TV-Sender zufolge zwischen 200'000 und 300'000 Regierungsgegner.

Zwischen rumänischen Flaggen, EU-Flaggen und Protestschildern hielten viele Teilnehmer ihre leuchtenden Smartphones hoch. Die Demonstranten riefen «Rücktritt» und «Diebe». In mindestens 20 weiteren Städten gab es Kundgebungen mit jeweils Tausenden oder Zehntausenden Demonstranten.

epa05773552 People protest in front of government headquarters in Bucharest, Romania, 05 February 2017. Following mass protests, Romania's government on 05 February repelled during an emergency s ...
Die Demonstranten erschienen zahlreich und kreativ.Bild: ROBERT GHEMENT/EPA/KEYSTONE

In Bukarest und anderen Städten sangen die Menschen die Nationalhymne. Im westrumänischen Timisoara (Temeswar) und im nordostrumänischen Iasi beteten die Demonstranten das Vaterunser im Chor. In Ploiesti, 60 Kilometer nördlich von Bukarest, knieten rund 3000 Demonstranten vor dem Sitz der regierenden Sozialdemokratischen Partei (PSD) nieder, um den Rücktritt der Regierung zu erflehen, berichtete die Nachrichtenagentur Mediafax.

Kehrtwende soll Spaltung verhindern

Grindeanu hatte die Rücknahme des Dekrets am Samstag angekündigt, am Sonntag folgte das Kabinett mit dem entsprechenden Beschluss. Grindeanu kündigte statt der Eilverordnung einen neuen Gesetzentwurf an, der dieses Mal dem Parlament zur Abstimmung vorgelegt werden solle. Die Kehrtwende begründete er damit, er wolle eine «Spaltung» des Landes verhindern.

Der Parteichef der regierenden PSD, Liviu Dragnea, warf der Opposition vor, die Regierung stürzen zu wollen. «Wenn die Demonstrationen nach der Rücknahme des Dekrets weitergehen, dann wird klar, dass es sich um einen nach den Parlamentswahlen (im Dezember) geschmiedeten Plan handelt», um die Regierung zu stürzen, erklärte er.

epa05773341 People shout pro-government slogans during a rally in front of Cotroceni presidential palace in Bucharest, Romania, 05 February 2017. Following mass protests, Romania's government on  ...
Der Ärger ist bei der Bevölkerung seit Tagen gross.Bild: Bogdan Cristel/EPA/KEYSTONE

Vor dem Präsidentensitz in Bukarest versammelten sich am Sonntag rund 1200 Anhänger der Regierung. Sie riefen den konservativen Staatspräsidenten Klaus Iohannis zum Rücktritt auf, der dem gegnerischen Mitte-rechts-Lager angehört. Auf Transparenten nannten sie ihn einen «Verräter».

Grösste Kundgebungen seit 1989

In den vergangenen Tagen hatten täglich durchschnittlich um die 200'000 Menschen gegen die Regierung protestiert, es waren die grössten Massenkundgebungen seit dem Sturz des Diktators Nicolae Ceausescu 1989.

Die Regierung wollte mit der Eilverordnung die Ahndung von Amtsmissbrauch deutlich erschweren. Unter anderem sollte Amtsmissbrauch nur noch mit Gefängnis bestraft werden, wenn der Streitwert über umgerechnet 44'000 Euro liegt. Nach Angaben von Grindeanu wird die 44'000 Euro-Grenze in dem nun angekündigten Gesetz «vermutlich» wieder fallengelassen.

Die Regierung hatte die Massnahmen nach nicht einmal einem Monat im Amt am vergangenen Dienstag erlassen. Sie argumentiert, sie wolle damit die überbelegten Gefängnisse entlasten und die Strafgesetze mit der Verfassung in Einklang bringen. Von den Regeln hätten allerdings auch unzählige Politiker und Behördenvertreter profitiert – von denen viele der PSD angehören.

Internationale Kritik

Gegen das Dekret hatten der rumänische Ombudsmann Victor Ciorbea, Präsident Iohannis sowie die Justizaufsicht Beschwerde beim Verfassungsgericht eingelegt. Auch in Brüssel und Washington stiessen die Vorgänge im EU-Land Rumänien, wo Korruption noch immer weit verbreitet ist, auf Kritik.

Die damalige von der PSD geführte Regierung von Ministerpräsident Victor Ponta war Ende 2015 nach Massenprotesten gegen Korruption zurückgetreten, die Wahl im vergangenen Jahr sollte eigentlich einen Neuanfang bringen. Die PSD verfügt über eine solide Anhängerschaft im ländlichen Milieu und bei der ärmeren Bevölkerungsschicht. (sda/afp/dpa)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
1 Kommentar
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
1
Die Warnungen häufen sich: Wegen Putins Geisterschiffen droht eine Katastrophe
Weil der Kreml seeuntüchtige Tanker einsetzt, häufen sich die Warnungen vor einer verheerenden Ölpest in und um Europa. Damit nicht genug, dürften drohende immense Schäden nicht gedeckt sein.

Der schwedische Aussenminister wählte diese Woche gegenüber dem «Guardian» deutliche Worte. Russland scheine bereit zu sein, eine «Umweltverwüstung» anzurichten, indem es seeuntüchtige Öltanker unter Verstoss gegen alle Verkehrsvorschriften durch die Ostsee fahren lasse.

Zur Story