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Putin-Kritiker Nawalny an Demo verhaftet

Russian opposition leader Alexei Navalny, centre, attends a rally in Moscow, Russia, Sunday, Jan. 28, 2018. Navalny has been arrested in Moscow while walking with protesters, as protests take place ac ...
Alexej Nawalny, bevor er verhaftet wurde.Bild: AP/AP

Er rief noch: «Schwindler und Diebe» – Putin-Kritiker Nawalny an Demo verhaftet

28.01.2018, 18:1228.01.2018, 18:29
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Knapp zwei Monate vor der russischen Präsidentenwahl hat die Polizei den prominenten Oppositionspolitiker Alexej Nawalny festgenommen. Tausende seiner Anhänger liess sie aber trotz eines Verbots demonstrieren.

Auf einem Video im Internet war am Sonntag zu sehen, wie Polizisten Nawalny recht ruppig ergriffen, als er auf dem Weg zu der Kundgebung im Zentrum von Moskau war. Kurz ging der 41-Jährige Jurist zu Boden, als die Beamten ihn in einen Polizeibus brachten. «Schwindler und Diebe», rief Nawalny, bevor die Sicherheitskräfte ihn in einen Polizeibus mit getönten Fensterscheiben zerrten.

Das Bürgerrechtlerportal OVD-Info berichtete von mindestens 250 Festgenommenen bei Nawalnys «Wählerstreik» im ganzen Land. Massenfestnahmen wie bei Protesten 2017 blieben in Moskau und St. Petersburg aber aus.

Boykott-Aufruf nach Wahlausschluss

Mit dem Protest demonstriert Nawalny gegen seinen Ausschluss von der Präsidentenwahl am 18. März. Er will die Russen zu einem Boykott bewegen. Lange hatte sich der Blogger und selbst ernannte Anti-Korruptionskämpfer bemüht, gegen Amtsinhaber Wladimir Putin antreten zu dürfen.

Die Wahlleitung schloss ihn aber wegen einer umstrittenen Bewährungsstrafe in einem Fall von Unterschlagung aus. Ein Wahlsieg Putins gilt ohnehin als sicher. Nawalny argumentiert, durch seinen Ausschluss gebe es keinen echten Gegenkandidaten.

Tausende Demonstranten

Nawalny hatte 2017 mehrfach Massenproteste gegen die Staatsführung organisiert. Dabei waren Hunderte Menschen festgenommen worden.

Für Experten waren vor allem die Teilnehmerzahlen dieses Mal spannend. Eine grosse Beteiligung wäre ein Zeichen für eine breite Unterstützung seines Wahl-Boykotts; eine geringe Mobilisierung könnte als Hinweis auf die Schwäche der Opposition gedeutet werden.

Die Polizei schätzte die Teilnehmerzahl in Moskau bei knackigen Minusgraden auf rund 1000, Beobachter hielten 2000 bis 3000 Demonstranten für möglich. Ähnlich fiel die Schätzung für St. Petersburg aus. Landesweit sprach das Innenministerium von 3500 Demonstranten. Auch diese Zahl könnte höher liegen. Dennoch war der Zulauf im Vergleich zu den Kundgebungen 2017 geringer.

«Putin, verschwinde!»

Nawalny hatte in rund 90 Städten zum «Streik der Wähler» aufgerufen. In Moskau und St. Petersburg waren die Routen nicht genehmigt worden. In mehreren Städten in der Provinz wurden sie erlaubt. «Boykott, Boykott» und «Putin, verschwinde!» skandierte die Menge vielerorts.

Die Proteste am Sonntag sollten dabei helfen, einen «Wählerstreik» zu organisieren und die Russen im März von den Urnen fernzuhalten. Eine niedrige Wahlbeteiligung wäre ein Rückschlag für Putin, der sich ein starkes neues Mandat für die kommende Amtszeit erhofft.

Vor allem junge Menschen folgten Nawalnys Aufruf in Moskau. Einer von ihnen war der 15-jährige Sergej, der schon zum zweiten Mal dabei war. «Beim ersten Mal hatte ich noch Angst, festgenommen zu werden. Jetzt habe ich Angst, dass es keine Zukunft für Russland gibt», sagte er der Nachrichtenagentur DPA.

Viele hatten rote Nawalny-Zeichen und Russlandfahnen dabei. Der 31-Jährige Andrej sagte, die Demonstranten seien friedlich. «Wenn es eskaliert, ist es nicht unsere Schuld.» Zwar blieben grosse Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstranten aus, aber schon im Vorfeld griff die Polizei gezielt und präventiv durch.

Büros täglich 4-5 mal durchsucht

Sicherheitskräfte durchsuchten Nawalnys Moskauer Büro und beschlagnahmten Material. Sie hätten die Tür aufgebrochen und seien in die Aufnahme einer Videobotschaft hereingeplatzt, hiess es. Die Polizisten hätten eine Bombe gesucht.

Mehrere enge Mitarbeiter Nawalnys wurden festgenommen. Zu seiner eigenen Festnahme schrieb er: «Das hat nichts zu bedeuten. Ihr geht nicht für mich auf die Strasse, sondern für euch und eure Zukunft.»

Seit Mitte Januar hatten die Behörden den Druck auf Nawalny erhöht. Täglich habe es vier bis fünf Durchsuchungen in den Büros gegeben, sagte Stabschef Leonid Wolkow der Zeitung «Nowaja Gaseta». «Ihr Ziel ist es, uns Organisatoren zu stören. Beim harten Kern unserer Freiwilligen heizt das aber nur die Stimmung an.»

Auch der Politloge Abbas Galljamow schätzte, dass das Vorgehen der Behörden Nawalnys Team anstachle. Zugleich schrecke es aber auch andere ab. «Es verhindert, dass sich der Protest weiter ausweitet.»

Die meisten Festnahmen gab es OVD-Info zufolge in weitgehend unbedeutenden Provinzstädten wie Tscheboksary an der Wolga und Ufa am Ural-Gebirge. In anderen Orten endete der Protest Berichten zufolge friedlich. (sda/dpa/afp)

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