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Gesellschaft & Politik

Wahlen in Hessen: Die Endergebnisse

Ohrfeige für Berliner «GroKo» in Hessen + Gewinne für Grüne + AfD zieht in den Landtag ein

Die schwarz-grüne Regierungskoalition im deutschen Bundesland Hessen kann trotz massiver Wahleinbussen weiterregieren. Bei der Wahl wurden die Parteien der grossen Koalition in Berlin abgestraft. Grüne, die FDP und die rechtspopulistische AfD waren die Gewinner.
29.10.2018, 05:2529.10.2018, 08:53
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Erst Bayern, jetzt Hessen – die Wähler haben die zerstrittenen Parteien der grossen Koalition erneut abgestraft. Bei der Landtagswahl in Hessen erlitten CDU wie SPD am Sonntag zweistellige Verluste.

Die Christdemokraten von Ministerpräsident Volker Bouffier kamen nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis auf ihr schlechtestes Ergebnis in dem Bundesland seit mehr als 50 Jahren, blieben aber stärkste Kraft.

Hier das vorläufige amtl. Endergebnis:

  • CDU: 27 % (2013: 38,3)
  • SPD: 19,8%
  • Grüne: 19,8%
  • AfD: 13,1%
  • FDP: 7,5%
  • Linke: 6,3 %
  • Andere: 6,5%

Dank der hohen Zugewinne der Grünen ist eine Fortsetzung des seit 2013 regierenden schwarz-grünen Bündnisses knapp möglich. Daneben kommen auch CDU und SPD sowie SPD, Grüne und FDP rechnerisch auf eine Mehrheit. Am stabilsten wäre ein Jamaika-Bündnis aus CDU, Grünen und FDP.

Die SPD von Spitzenkandidat Thorsten Schäfer-Gümbel erzielte ihr schlechtestes Landesergebnis jemals. Grosse Wahlgewinner sind die Grünen mit ihrem besten Abschneiden bei einer Hessen-Wahl sowie die AfD.

AfD erstmals im hessischen Landtag

Die Rechtspopulisten ziehen erstmals in den Landtag ein und sind nunmehr in allen 16 Landesparlamenten vertreten. Auch FDP und Linke bleiben im Landtag in Wiesbaden – damit bekommt Hessen erstmals ein Sechs-Parteien-Parlament.

Dem vorläufigen amtlichen Endergebnis zufolge kommt die seit 1999 regierende CDU auf 27 Prozent (2013: 38,3 Prozent) – schlechter abgeschnitten hatte die Partei in Hessen zuletzt 1966 mit 26,4 Prozent.

Die SPD rutscht ab auf 19,8 Prozent (2013: 30,7). Die Grünen von Spitzenkandidat Tarek Al-Wazir machen einen Sprung auf ebenfalls 19,8 Prozent (2013: 11,1).

Die AfD klettert auf 13,1 Prozent (2013: 4,1). Die FDP erreicht 7,5 Prozent (2013: 5,0). Die Linke erhält 6,3 Prozent und erzielt ihr bislang bestes Ergebnis in Hessen (2013: 5,2).

Damit ergibt sich im Landtag, der künftig wegen zahlreicher Überhang- und Ausgleichsmandate 137 statt 110 Abgeordnete haben wird, folgende Sitzverteilung: CDU 40, SPD 29, Grüne 29, AfD 19, FDP 11 und die Linke 9.

Die Wahlbeteiligung lag bei 67,3 Prozent – 2013 waren es 73,2 Prozent gewesen, damals fielen allerdings Bundestags- und Landtagswahl auf einen Tag. Wahlberechtigt waren 4,38 Millionen Bürger.

Gespräche mit allen Parteien

Bouffier kündigte Gespräche mit allen Parteien ausser Linken und AfD über eine Regierung an. Er hatte sich zuletzt offen für Jamaika gezeigt, die Grünen waren zurückhaltender, die Liberalen warben offen dafür. Grüne und FDP in Hessen haben allerdings unter anderem in der Energiepolitik und beim Ökolandbau Differenzen.

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Volker Bouffier.Bild: EPA/EPA

FDP-Chef Christian Lindner hatte mit Blick auf eine Ampel ein Bündnis seiner Partei mit Grünen und SPD als «inhaltlich vollkommen abwegig» bezeichnet.

Schäfer-Gümbel, der zum dritten Mal Spitzenkandidat seiner SPD war, räumte eine bittere Niederlage an und liess seine politische Zukunft zunächst offen. Das Ergebnis führte er stark auf den Bundestrend zurück.

Man habe «nicht nur keinen Rückenwind aus Berlin erhalten, sondern wir hatten regelmässig Sturmböen im Gesicht». Der Wahlkampf in Hessen wurde belastet durch GroKo-Streitigkeiten etwa über die Migrationspolitik sowie die schwelende Diesel-Krise.

Kein Zeitdruck für eine Koalition

Die Parteien haben keinen Zeitdruck, um ein Regierungsbündnis zu schmieden. Die Wahlperiode des bisherigen Landtags endet erst am 17. Januar 2019, einen Tag später tritt laut Landesverfassung der neue Landtag zu seiner ersten Sitzung zusammen.

Üblicherweise wählen die Abgeordneten dann den Ministerpräsidenten. Können sie das wegen fehlender Mehrheiten nicht, führt die bisherige Landesregierung «die laufenden Geschäfte» weiter, wie die Verfassung bestimmt. Die Regierung wäre damit nur noch geschäftsführend im Amt.

Erhöhter Druck auf Bundesebene

Auf Bundesebene geraten die Parteichefinnen von CDU und SPD, Kanzlerin Angela Merkel und Andrea Nahles, nach der zweiten Wahlschlappe binnen zwei Wochen nun noch stärker unter Druck. In beiden Parteien rumort es. Am kommenden Wochenende wollen die Spitzen von CDU und SPD über Konsequenzen aus den Abstimmungen in Bayern und Hessen diskutieren.

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Mässig zufrieden: SPD-Chefin Andrea Nahles.Bild: EPA/EPA

Auf Vorschlag von Nahles wollen die Sozialdemokraten bereits an diesem Montag in Präsidium und Vorstand über einen Kriterienkatalog beraten, wie die GroKo künftig besser arbeiten kann und wann für die SPD eine rote Linie erreicht ist.

Forscher machten für den Einbruch von CDU und SPD sowohl landes- als auch bundespolitische Gründe verantwortlich. Nach einer Analyse der Forschungsgruppe Wahlen konnten die Parteien vor Ort nur bedingt mit politischen Leistungen, Spitzenpersonal oder Sachkompetenz überzeugen.

Hinzu sei eine starke Konkurrenz durch die Grünen gekommen, für die sich zahlreiche Wähler kurzfristig entschieden hätten. Laut Infratest dimap verlor die CDU besonders an den bisherigen Grünen-Koalitionspartner viele Stimmen. (sda/afp/dpa)

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10 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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irgendwie so:
28.10.2018 23:03registriert Oktober 2016
Blöd, wenn man wie Nahles nur mit den immer gleichen Plattitüden reagiert: Wir sollten endlich in Berlin zur Sachpolitik finden - und ähnliche redundantes Zeugs.

Die nimmt wohl niemand mehr ernst - ausser sie sich selber...

Tja - und profitieren tut wie immer die AfD...
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Nelson Muntz
28.10.2018 22:14registriert Juli 2017
Wann endlich reagieren Merkund Co? Die Wahlerfolge der AFD sind mehr als ein Weckruf.
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