Nach einem angespannten Wahlkampf ist die Präsidentschaftswahl im ehemaligen Bürgerkriegsland Sierra Leone in ihre zweite Runde gegangen. Die Wahlbüros öffneten um 09.00 Uhr (MESZ) und sollten um 19.00 Uhr schliessen, erste Ergebnisse wurden zum Wochenbeginn erwartet.
Rund 3,1 Millionen Stimmberechtigte waren am Samstag aufgerufen, zwischen dem bisherigen Aussenminister Samura Kamara vom regierenden All People's Congress (APC) und dem Kandidaten der grössten Oppositionspartei SLPP, Julius Maada Bio, zu entscheiden.
Die erste Runde am 7. März hatte Ex-Juntachef Bio mit einem knappen Vorsprung von 15'000 Stimmen für sich entschieden. Daraufhin reichte die Regierungspartei APC eine Klage wegen Wahlbetrugs ein, die zweite Runde musste um vier Tage verschoben werden. Das Oberste Gericht wies schliesslich den Antrag auf eine Suspendierung der Stichwahl zurück.
Überschattet wurde der Wahlkampf von scharfen verbalen Attacken der beiden Kandidaten und einer Serie von Angriffen auf Anhänger beider Seiten. Kamara rief am Freitag erneut alle Seiten zur Ruhe auf. APC und SLPP dominieren traditionell das politische Leben in dem westafrikanischen Land.
Der 66-jährige Wirtschaftswissenschaftler Kamara gilt seit Jahrzehnten als politischer Strippenzieher hinter den Kulissen. Sein 53-jähriger Rivale Bio hatte im Januar 1996 mit einem Putsch den damaligen Militärmachthaber Valentine Strasser gestürzt und bis zur ersten freien Wahl in Sierra Leone wenige Monate später vorübergehend die Regierungsgeschäfte übernommen.
Bei der Präsidentschaftswahl 2012 war er Amtsinhaber Ernest Koroma unterlegen. Dieser darf nach zwei Mandaten nun nicht mehr antreten.
Die Wahlen gelten als Test für die demokratische Konsolidierung Sierra Leones, wo in den Jahren 1991 bis 2002 ein verheerender Bürgerkrieg tobte. 120'000 Menschen kamen in dieser Zeit ums Leben.
Der westafrikanische Staat zählt trotz seiner Bodenschätze zu den ärmsten Ländern der Welt. Er leidet unter hoher Inflation, wachsenden Staatsschulden und einer anhaltend hohen Jugendarbeitslosigkeit. Die Kindersterblichkeit ist äusserst hoch, sauberes Wasser und Strom sind Mangelware.
Überschattet wurde Koromas Herrschaft auch durch die Ebola-Epidemie, der zwischen 2014 und 2016 etwa 4000 Menschen zum Opfer fielen. Millionen von Dollar, die damals für den Kampf gegen die Epidemie bestimmt waren, versickerten in dunklen Kanälen. (sda/afp)