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Trotz russischer Kritik: Jamala darf am ESC «1944» singen

Susana Dschamaladinowa alias Jamala darf am ESC für die Ukraine ihr Lied vortragen.
Susana Dschamaladinowa alias Jamala darf am ESC für die Ukraine ihr Lied vortragen.
Bild: SERGEY DOLZHENKO/EPA/KEYSTONE

Trotz russischer Kritik: Ukrainischer Beitrag «1944» zu Eurovision Song Contest zugelassen

10.03.2016, 23:2611.03.2016, 06:27
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Trotz massiver Kritik aus Russland ist der Beitrag der Ukraine zum diesjährigen Eurovision Song Contest (ESC) zugelassen worden. Das Lied «1944» der Krimtatarin Susana Dschamaladinowa alias Jamala, das die Deportation der Minderheit unter dem sowjetischen Diktator Josef Stalin thematisiert, verletze die Regeln des Wettbewerbs nicht, teilten die Organisatoren am Donnerstag in Genf mit.

Russland hatte der Ukraine vorgeworfen, mit dem Beitrag zu politisieren. Laut der staatlichen Nachrichtenagentur Ria Novosti rief die Regierung der Krim Kiew dazu auf, nicht auf die Tragödie des Volks der Krimtataren zu spekulieren.

Jamala posiert mit dem schwedischen Botschafter.

Die «Eignung» von Jamalas Lied für den ESC sei geprüft worden, hiess es aus Genf. Dabei seien die Verantwortlichen zum Schluss gekommen, dass «der Titel und der Text keine politische Botschaft enthalten und dass der Song nicht im Widerspruch zu den Regeln des Wettbewerbs steht». «Daher kann das Lied am Eurovision Song Contest 2016 teilnehmen», hiess es. Das Finale findet am 14. Mai in Stockholm statt.

Die 32-jährige Jazzsängerin Jamala hatte sich im Februar beim ukrainischen Vorentscheid in Kiew gegen fünf Konkurrenten durchgesetzt. In einem traditionellen tatarischen Kleid und unter Tränen präsentierte sie ihr selbst komponiertes Lied, das von der Deportation der Krimtataren unter Stalin erzählt. Aus Russland und von der annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim gab es daraufhin heftige Kritik.

Das ist das umstrittene Lied.
YouTube/Eurovision Song Contest
Liedtext
«Wenn Fremde zu deinem Haus kommen. Sie töten euch alle und sagen: Wir sind unschuldig. Wo ist dein Verstand? Die Menschheit weint. Ihr denkt, ihr seid Götter. Aber alle sterben. Schluck nicht meine Seele. Unsere Seelen. Ich konnte meine Jugend nicht hier verbringen. Ihr habt meine Welt gestohlen. Wir könnten eine Zukunft aufbauen. In der Menschen frei leben und lieben. Glücklichste Zeiten. Wo ist dein Herz? Die Menschheit steht auf. Ihr denkt, ihr seid Götter. Aber alle sterben. Schluck nicht meine Seele. Unsere Seelen. Ich konnte meine Jugend nicht hier verbringen. Ihr habt meine Welt gestohlen. Ich hatte keine Heimat.»

Von den rund zwei Millionen Bewohnern der Krim, die mehrheitlich russische Wurzeln haben, gehören etwa 300'000 dem muslimischen Turkvolk der Tataren an.

Unter Stalin deportiert

Unter Stalin wurden sie als «Nazi-Kollaborateure» verfolgt und im Mai 1944 innerhalb weniger Tage nach Zentralasien zwangsumgesiedelt. Fast die Hälfte der 240'000 Deportierten kam ums Leben. Zum Ende der Sowjetunion durften die Überlebenden in ihre Heimat zurückkehren.

Eigene Geschichte verarbeitet
In ihrem Lied «1944» verarbeitet Jamala die Geschichte ihrer Urgrossmutter, die zusammen mit ihren fünf Kindern deportiert wurde, während ihr Mann in der Sowjetarmee gegen die Nazis kämpfte. Ihre einzige Tochter starb auf dem Weg nach Zentralasien.

Im März 2014 annektierte Russland die Krim. Die Tataren lehnten die Annexion wegen ihrer historischen Erfahrung vehement ab. Moskau geht seither mit harter Hand gegen die Minderheit vor – Aktivisten wurden festgenommen und Anführer von der Krim verbannt.

Die russische Darstellung ist freilich eine andere: Laut Ria Novosti haben seit der «Wiedervereinigung der Krim mit Russland» fast 100 Prozent der Krimtataren die russische Staatsbürgerschaft erhalten und sind zudem «in den Regierungsämtern breit vertreten». (kad/sda/afp)

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