
Siegeskuss für Jesse Klaver von seiner Frau Jolein.Bild: EPA/ANP
Der wahre Sieger der
Holland-Wahl heisst Jesse Klaver. Der charismatische
Multikulti-Politiker ist die Anti-These zum Rechtspopulisten Geert
Wilders und begeistert damit vor allem junge Wähler.
17.03.2017, 18:1218.03.2017, 09:35

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Alle sprachen von
Geert Wilders. Würde es dem Rechtspopulisten und seiner
Ein-Mann-Partei «für die Freiheit» (Wilders ist das einzige offizielle Mitglied)
gelingen, die Parlamentswahl in den Niederlanden am Mittwoch zu gewinnen? Am Ende
war alles halb so wild mit Wilders. Er gewann Stimmen und Sitze
hinzu, blieb aber deutlich hinter dem rechtsliberalen Ministerpräsidenten Mark
Rutte zurück.
Europa atmete auf,
der vermeintlich unaufhaltsame Vormarsch der Rechten war gestoppt.
Zwei Dinge wurden dabei übersehen. Wilders war zwar nicht die Nummer
eins, in gewisser Weise aber doch der Sieger. Mit seiner rabiaten
Rhetorik gegen Migranten und den Islam sorgte er dafür, dass Kritik
an vermeintlich nicht integrationswilligen Ausländern salonfähig
wurde.
Der Tulpen-Trudeau
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Der Tulpen-Trudeau
quelle: epa/anp / robin van lonkhuijsen
Gleichzeitig aber gab es eine Gegenbewegung. Keiner verkörpert sie so eindrücklich
wie Jesse Klaver. Der 30-jährige Chef der Grünlinken ist
quantitativ der grösste Gewinner der Wahl. Seine Partei steigerte
sich von 4 auf 14 Sitze. Das ist nicht ganz so viel, wie in den
Umfragen teilweise vorhergesagt. Und natürlich profitierte sie vom
Kollaps der stolzen Arbeiterpartei, die für die teilweise harten Reformen, die
sie als «Juniorpartner» der Regierung Rutte mittrugen, gnadenlos
abgestraft wurde.
Der «Jessias»
Dennoch ist es ein
beträchtlicher Erfolg, der aus einer Kleinstpartei eine ernsthafte
politische Kraft macht. Verantwortlich dafür ist in erster Linie ihr
charismatischer Vorsitzender, der teils respektvoll, teils spöttisch
als «Jessias» bezeichnet wird. Jesse Klaver verkörpert sowohl
das alte, tolerante Holland wie auch eine moderne, weltoffene Nation.
Damit punktet der Vater zweier Kinder insbesondere bei einer jungen
und urbanen Wählerschaft. In der Metropole Amsterdam und in Nijmegen waren die
Grünlinken die stärkste Partei, auch in Universitätsstädten wie
Leiden und Utrecht holten sie viele Stimmen.
Seine
offensichtliche Ähnlichkeit mit dem kanadischen Regierungschef
Justin Trudeau schadet dem Senkrechtstarter dabei sicher nicht. In
mancher Hinsicht ist er die Anti-These zu Geert Wilders. Während der
Rechtspopulist seinen – indonesischen – Migrationshintergrund mit
einer wasserstoffblonden Mozartfrisur zu «tarnen» versucht, ist
Klaver stolz auf seine Multikulti-Herkunft.
Multikulti-Abstammung
Er ist der Sohn
eines marokkanischen Vaters und einer niederländisch-indonesischen
Mutter, die bei seiner Geburt 20 Jahre alt war. Aufgewachsen ist
Klaver in einer Sozialwohnung, was ihm zusätzliche «Street
Credibility» verleiht. Während Wilders geschlossene Grenzen und
einen «Nexit» propagiert, sind die Grünlinken für die
EU-Mitgliedschaft und eine grosszügige Flüchtlingspolitik. Die
Partei setzt sich ein für soziale Gerechtigkeit und Energie aus Wind
statt Kohle.

Gegner von Wilders protestieren gegen dessen Besuch in der Stadt Heerlen.Bild: EPA/ANP
Jesse Klavers
eigentliches Vorbild ist Barack Obama. Seine Auftritte in gut
gefüllten Hallen erinnerten an den früheren US-Präsidenten. «Jesse
we can!» lautete ein Slogan seiner Anhänger. «Wir müssen in den
Niederlanden zeigen, dass der Populismus gestoppt werden kann und es
eine Alternative dazu gibt. Diese Alternative sind wir», sagte
Klaver vor der Wahl im Interview mit der Agentur Reuters. Mangelndes
Selbstbewusstsein kann man ihm definitiv nicht nachsagen.
Idol der «Generation Erasmus»
Sein jugendlicher
Optimismus und das progressive, proeuropäische Programm sprechen
jene jungen Menschen an, die häufig als «Generation Erasmus» bezeichnet wird. Sie haben nie ein anderes Europa erlebt als das
heutige mit den offenen Grenzen und der Personenfreizügigkeit.
Dieses Europa wollen sie gegen die Nationalisten und Abschotter
verteidigen.
Häufig können sie
andere «Millennials» aber nur schwer motivieren. Sie
interessieren sich für Politik, finden sie aber auch mühsam, wie
eine neue Umfrage des Dachverbands Schweizer Jugendparlamente (DSJ)
zeigt. Wohin das führen kann, zeigte sich bei der Brexit-Abstimmung,
als viele Junge den Wahllokalen fern blieben und das Ergebnis
konsterniert zur Kenntnis nahmen.
Wie Libero und Macron
Wer diesem Segment
ein gutes Angebot macht, kann profitieren. In der Schweiz hat sich
die Operation Libero entsprechend positioniert. In Frankreich ist es
der 39-jährige Emmanuel Macron, der ebenfalls ganze Hallen füllt
und junge Wählerinnen und Wähler begeistert. Er hat beim heutigen
Stand sehr gute Chancen, die Präsidentschaftswahl gegen Marine Le
Pen zu gewinnen, der zweiten grossen Figur des europäischen
Rechtspopulismus neben Geert Wilders.

Auch Emmanuel Macron begeistert viele junge Wähler.Bild: SEBASTIEN NOGIER/EPA/KEYSTONE
Klaver und Macron
könnten zu Leaderfiguren eines offenen, integrativen Europas werden.
Dazu müssen sie aber beweisen, dass sie mehr sind als ein
One-Hit-Wonder. Jesse Klaver ist dazu bereit. Er wolle
Ministerpräsident werden, sagte er unbescheiden. Dieses Mal wird es
(noch) nicht reichen. Aber die Grünlinken könnten an einer neuen
Regierung beteiligt werden.
Bei seinem
umjubelten Auftritt am Wahlabend hatte Jesse Klaver auch eine
Botschaft für seine linken Freunde in Europa: «Versucht nicht, die
Leute hinters Licht zu führen. Steht zu euren Prinzipien. Seid
aufrecht. Seid für Flüchtlinge. Seid für Europa. Wir legen in den
Umfragen zu. Ihr könnt den Populismus stoppen.» Und im
Reuters-Interview sagte er mit einem Seitenhieb auf Wilders: «Wir
wollen einen Wandel durch Hoffnung, nicht durch Furcht.»
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