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Iran-USA-Konflikt: Interview mit Micheline Calmy-Rey, Alt-Bundesrätin

epa06714345 A handout photo made available by the Presidential office shows, Iranian President Hassan Rouhani greets the crowd in the city of Sabzevarr, northwestern Iran, 06 May 2018. Media reported  ...
Hassan Rohani ist seit 2013 Präsident der Islamischen Republik Iran.Bild: EPA/IRAN PRESIDENTIAL OFFICE
Interview

Calmy-Rey: «Wenn sich im Iran die Hardliner durchsetzen, wird es sehr gefährlich»

Alt Bundesrätin und Ex-Aussenministerin Micheline Calmy-Rey warnt vor einer Eskalation im Nahen Osten, hält eine Rettung des Atom-Abkommens mit Teheran aber für möglich.
12.05.2018, 15:0412.05.2018, 16:03
Lorenz Honegger / Schweiz am Wochenende
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Frau Calmy-Rey, die USA ziehen sich aus dem Atom-Abkommen mit dem Iran zurück. Hat Sie dieser Entscheid von Präsident Donald Trump überrascht?
Micheline Calmy-Rey: Nein, der Rückzug aus dem Vertrag war eines von Donald Trumps Wahlkampfversprechen. Für ihn sind die Aktivitäten der Iraner an mehreren Kriegsschauplätzen, aber auch die Entwicklung ballistischer Raketen Grund genug, das Atom-Abkommen aufzulösen. Er ist der Meinung, dass man die Ambitionen der Iraner nur mit harter Hand stoppen kann. Jetzt wollen die USA das iranische Regime mit neuen Sanktionen in die Knie zwingen.

Jetzt auf

Trump hat doch recht, wenn er sagt, die Iraner seien nicht an Frieden interessiert: Das Land unterstützt in mehreren Konflikten bewaffnete Gruppen und trägt so zur Destabilisierung des Nahen Ostens dabei.
Tatsache ist: Der Iran setzt das Nuklearabkommen buchstabengetreu um. Die Entwicklung ballistischer Raketen ist nicht Teil des Vertrags und auch nicht verboten.

Sie selber sind vor ziemlich genau zehn Jahren als Schweizer Aussenministerin in den Iran gereist. Was war Ihr Eindruck?
Die Schweiz fungierte damals als Mediatorin für die Atom-Gespräche zwischen dem Iran und dem Westen. Die Iraner zeigten sich offen für Diskussionen: Die wirtschaftliche Entwicklung hatte für das Regime Priorität gegenüber dem Atomprogramm.

Former Swiss Federal President Micheline Calmy-Rey reacts on the Brexit referendum's vote in Great Britain during a round table at the University of Geneva, in Geneva, Switzerland, Friday, June 2 ...
Alt Bundesrätin Calmy-Rey.archivBild: KEYSTONE

Die Europäer wollen unbedingt am Abkommen festhalten, auch wenn die USA jetzt austreten. Ist das realistisch oder Wunschdenken?
Das ist vor allem Verhandlungssache. Es ist noch nicht klar, wie die USA ihren Austritt genau umsetzen werden. Es gibt härtere und weichere Varianten: Die amerikanischen Sanktionen betreffen nicht nur US-Firmen, sondern auch europäische Unternehmen. Washington kann Unternehmen weltweit untersagen, Geschäftstransaktionen mit iranischen Firmen in Dollars abzuwickeln. Im Fall einer weichen Umsetzung könnten die USA europäische Unternehmen teilweise von diesen Sanktionen ausnehmen. Diese könnten dann weiter im Iran investieren. Die Europäer müssten diese Ausnahmen aber zuerst mit den Amerikanern aushandeln.

Besteht denn überhaupt eine Chance, die Iraner nach Donald Trumps Provokation von einem Verbleib im Abkommen zu überzeugen?
Die Regierung in Teheran scheint zumindest für Erste aus ökonomischen Gründen am Abkommen festhalten zu wollen. Was leider auch stimmt: Die Iraner konnten bisher nur sehr beschränkt vom Abkommen profitieren. Die Einnahmen aus dem Ausland haben sich nicht wie erwartet entwickelt. Viele westliche Firmen hielten sich aufgrund der unsicheren Situation mit Investitionen zurück. Die Wiedereinführung der amerikanischen Sanktionen wird die wirtschaftlichen Schwierigkeiten verstärken.

Davon profitieren die konservativen Kräfte im Iran, die das Nuklearprogramm wieder aufnehmen wollen.
Das ist so. Der Ball liegt jetzt bei den verbleibenden Vertragsstaaten. Sie müssen versuchen, das Abkommen zu retten. Der französische Präsident Emmanuel Macron sagte, neue Verhandlungen könnten zu einem viel umfassenderen Abkommen mit Iran führen. Das Verbot von Atomwaffen wäre nur ein Teil davon. In diesem Fall würde Donald Trumps Strategie sogar aufgehen.

Tatsächlich?
Ja, aber damit dieses Szenario möglich wird, müssen die Europäer, die Chinesen und die Russen gegenüber der Trump-Administration geeint auftreten. In einem Block. Und sie müssen dafür sorgen, dass der Iran wirtschaftlich nicht zu sehr leidet.

Was geschieht, wenn sich im Iran die Hardliner durchsetzen und das Regime sein Atomwaffenprogramm wieder aufnimmt?
Dann wird es sehr gefährlich. Iran könnte die Urananreicherung wieder aufnehmen. Es besteht auch die Gefahr, dass Saudi-Arabien dann ein eigenes Atomwaffenprogramm lanciert. Das Risiko einer militärischen Konfrontation zwischen dem Iran, den USA und Israel würde steigen. Sie hat zum Teil schon begonnen, wie die Angriffe des Irans auf israelische Stellungen in den Golan-Höhen von dieser Woche zeigen.

Wie gross ist das Kriegsrisiko?
Das ist schwer zu sagen. Was gesichert ist, sind die Stellungnahmen der Vereinigten Staaten und Israels. Beide Länder wollen mit harter Hand gegen Teheran vorgehen und streben einen Regimewechsel an.

Was sind die langfristigen Folgen von Donald Trumps Brachial-Diplomatie?
Die USA verlieren an Glaubwürdigkeit. In Zukunft werden es sich andere Länder zweimal überlegen, bevor sie einen Vertrag mit Washington eingehen. Es stellt sich die Frage, ob ein solcher Partner noch verlässlich ist. Was ist ein Abkommen wert, wenn der Vertragspartner drei Jahre später einfach wieder austritt? Diese Gedanken wird sich auch Nordkorea machen, wenn es mit den USA Verhandlungen über die nukleare Abrüstung aufnimmt.

Wenn Sie eine Prognose machen müssten: Lässt sich das Atom-Abkommen noch retten?
Ich bin eine Optimistin. Ich glaube ja. Natürlich hängt es auch davon ab, ob die verbleibenden Vertragspartner an einem Strick ziehen. Das Wichtigste ist für den Moment, den Iran im Abkommen zu behalten.

Welche Rolle kann die Schweiz dabei spielen?
Ich bin nicht mehr Aussenministerin. So viel ich weiss, sind wir nicht mehr involviert in die Verhandlungen.

(aargauerzeitung.ch)

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