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Interview

Berner berichtet aus Lombok, Indonesien

Interview

«Wir haben zwei Tote geborgen» – ein Berner berichtet von Touristen-Insel Lombok

06.08.2018, 14:3906.08.2018, 16:22
William Stern
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Bei mehreren Erdbeben in der Nähe von Lombok, im Südosten Indonesiens, sind am Sonntag mindestens 140 Menschen ums Leben gekommen. Gili Air liegt im Nordwesten von Lombok, nahe des Erdbeben-Epizentrums. Der Berner Oli Christen betreibt seit drei Jahren eine Tauchschule auf der kleinen Insel. 

Die Menschenmassen warten auf Evakuierung.
Die Menschenmassen warten auf Evakuierung.bild: Twitter

Wie ist die Lage auf Gili Air ein Tag nach dem Erdbeben?
Oli Christen: Wir haben auf Gili Air zwei Tote geborgen, Einheimische, die in ihren Hütten vom Erdbeben überrascht und verschüttet worden sind. Dann gibt es eine ganze Menge kleinerer Blessuren, Schnittwunden und Verstauchungen, das meiste stammt von herunterfallenden Teilen.

Oli Christen
Oli Christen hat seit drei Jahren eine Tauchschule auf Gili Air. Bild: zvg

Bilder der Nachbarinsel Gili Trawangang zeigen, wie Hunderte Menschen verzweifelt im Hafen auf eine Evakuierung warten ...
Ja, auf Trawangang soll es dem Vernehmen nach zu einer regelrechten Massenhysterie gekommen sein. Offenbar warteten im Hafen Hunderte Touristen und Einheimische panisch darauf, evakuiert zu werden nach Lombok. Obwohl es dort noch schlimmer ist. Aber immerhin ist der Flughafen offenbar wieder offen, wie mir eine Freundin soeben bestätigt hat.

Wie viele Leute befinden sich noch auf Gili Air?
Schätzungsweise 300, 99 Prozent davon sind Ausländer, die Einheimischen sind praktisch alle auf Lombok oder Bali zurückgekehrt, um ihre Familien zu suchen. 

Bilder von Lombok zeigen eingestürzte Häuser und aufgerissene Strassen. Wie hat das Beben in Gili Air gewütet?
Das Beben hat grosse strukturelle Schäden angerichtet. Der Grossteil der Häuser ist nicht mehr bewohnbar oder sollte nicht mehr betreten werden, da noch immer Nachbeben drohen.

Touristen klettern auf ein Rettungsboot.
Touristen klettern auf ein Rettungsboot.bild: twitter

Ihr habt euch in deiner Diveschule eingerichtet.
Genau, das Haus ist relativ intakt, weil es mehrheitlich aus natürlichen Strukturen, vor allem Holz und ein Strohdach. Hier haben wir eine Feldküche eingerichtet für Touristen, die noch im Süden der Insel sind.

Wie viele Leute sind das insgesamt?
Vielleicht 30 bis 40.

Gibt es noch andere solche Hotspots?
Ja, über die ganze Insel verteilt gibt es drei, vier Plätze, wo für Leute gekocht wird. 

Wie sieht es mit der Versorgung aus?
Es fehlt uns an nichts, wir speisen wie die Könige, wir haben einen schwedischen Koch hier. Die Restaurants hier auf der Insel haben ihre Vorratskammern geöffnet, weil wegen der Stromknappheit die Lebensmittel zu verderben drohen. Auch wir stellen unseren Generator spätestens um 21 Uhr ab, um das Benzin zu sparen. Und irgendwann wird auch das Trinkwasser ein Thema sein, klar.

Wie ist die Stimmung unter den Menschen auf Gili Air?
Wir sind eigentlich entspannt, wir haben uns eingerichtet, ändern können wir grad eh nichts. Einige von uns machen sich Sorgen wegen weiterer Erdbeben. Es stehen hier auch alle in Kontakt zu ihrer Botschaft. Die Schweizer Botschaft auf Indonesien hat sich sogar extra bei mir gemeldet.

Wie sieht der Plan aus für nächsten Tagen und Wochen?
Jeweils am Morgen und am Nachmittag treffen sich alle, die noch auf der Insel sind und besprechen zusammen die Lage, das haben wir so abgemacht. Ans Aufräumen ist erst einmal nicht zu denken, wir sind noch ganz im Katastrophenmodus. Aber die Hilfsbereitschaft unter den Menschen hier ist fantastisch.

Es war ohnehin ein schwieriges Jahr für Bali, Lombok & die Gili Islands ...
Ja, ich hatte nie Latein, aber dieses Jahr war ein annus horribilis. Die ganze Weihnachtssaison war schon verdonnert, auch die ganze Juli-Saison war wegen des Wetters nichts, aber das ist alles verkraftbar, man lernt, damit umzugehen, wenn man in Indonesien lebt. Aber diese Erdbeben, das ist eine andere Dimension. Auf der anderen Seite wären die Opferzahlen noch viel höher gewesen, wenn die Inseln hier wie sonst während der Peak-Saison voll ausgebucht gewesen wären.

Und wie geht es für dich persönlich weiter?
Ich richte die nächsten Tage einen Paypal-Account ein und sammle Spenden. Die Menschen waren so grosszügig hier während dieser Katastrophe, irgendwann ist es auch Zeit, dass man etwas zurückgibt.

Starkes Erdbeben erschüttert Japan – drei Tote

Video: srf
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