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Interview

Josef Hader mag Zwischenkriegs-Hosen und hasst Delfine

Ein Gespräch mit Josef Hader über Geschichte, Stefan Zweig, Delfine und Humor.
Ein Gespräch mit Josef Hader über Geschichte, Stefan Zweig, Delfine und Humor.bild: www.lukasbeck.com, via hader online
Interview

Was Josef Hader nicht mag: billiges Kabarett und Delfine. Was er mag: Zwischenkriegs-Hosen

Josef Hader ist österreichischer Kabarettist, Schauspieler und Drehbuchautor. Eigentlich kann er so ziemlich alles. Ausser Klavier spielen. Darum spielt er E-Piano – damit es nicht so auffällt. 
15.10.2016, 19:0516.10.2016, 09:45
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Den ganzen Tag war mir speiübel. So geht das immer, wenn ich Menschen treffen darf, die ich bewundere. Also sitz ich da, auf einem leicht abgewetzten Sofa im Backstage-Bereich des Zürcher Kaufleuten. Meine Hände sind kalt und feucht. Was Josef Hader wohl von diesen Händen hält, wenn er die eine davon drücken muss? 

Vielleicht hat er schon etwas gedacht, aber gesagt hat er nichts. Dafür ist er nämlich viel zu lieb. «Josef», sag ich zu ihm, «ich habe nichts gegessen, weil ich so nervös war.» Da lacht der Josef und zwar so:

bild: www.lukasbeck.com

Was für ein Mann. 1990 kriegt er den Deutschen Kleinkunstpreis, dann wird aus seinem Theaterstück «Indien» sogleich ein Film, in dem er Gasthäuser in der niederösterreichischen Provinz auf ihre Hygiene testet. In den vier Verfilmungen von Wolf Haas' Krimis spielt er den abgewrackten Privatdetektiv Simon Brenner.

Dazwischen beglückt Hader die deutschsprachige Welt mit seinen Bühnenprogrammen. Dieses Jahr spielt er in «Vor der Morgenröte» die Rolle des österreichischen Schriftstellers Stefan Zweig, der 1934 nach Brasilien ins Exil floh und dort verzweifelte.

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Josef Hader als Simon Brenner in der Verfilmung von Wolf Haas' Krimi «Der Knochenmann».gif: watson

Jetzt habe ich satte 40 Minuten mit diesem lustigen Menschen, bevor er mitsamt seinen Zwischenkriegs-Hosen auf die Bühne entschwindet. Die findet Hader nämlich so unglaublich bequem, die hat er wahrscheinlich am «Vor der Morgenröte»-Set gleich mitgehen lassen.

Gibt es eigentlich auch Leute, die dich blöd finden, die dir vielleicht sogar Hass-Mails schreiben?
Josef Hader: Ja, es gibt Menschen, die mich dezidiert nicht mögen. Ich krieg aber wenig davon mit, weil die ja nicht zu mir ins Programm kommen und ich es meistens schaffe, keine Postings zu lesen. Ich denk' mir, was Menschen völlig anonym über mich sagen, sollte mich ungefähr so interessieren wie ein Autofahrer, der hinter mir hupt oder mich schneidet. Der würd' sich das auch nicht trauen, wenn er mit seinem Namen persönlich dafür einstehen müsste. Solche Dinge macht der Mensch nur, wenn er durch Anonymität von den Regeln enthoben ist. Dann ist er kein sehr freundliches Wesen. Und davon möcht' ich mich nicht zu stark deprimieren lassen. 

Josef Hader mit einem denkwürdigen Hemd.
Josef Hader mit einem denkwürdigen Hemd.bild: Udo Leitner, via hader online

Was hältst du von Delfinen? Ich finde sie doof ...
Hahaha. Da sind wir ja schon zwei. Das kommt bei mir im Programm vor: Ich sage, Delfine mag ich deswegen so wenig, weil sie so selbstsicher und schlau dreinschauen und dann so blöd schnattern die ganze Zeit. Eigentlich wie Kabarettisten. Sie wissen, sie sind gut, sie sind intelligent, sie haben immer recht. 

... und dieses falsche Lächeln.
Ja genau, dieses aufgesetzte Lächeln und diese listigen Augen und dieses Selbstvertrauen im Gesicht: Ich bin der Klügste von allen. 

«Man müsste mehr Thunfischdosen kaufen, damit mit jeder Dose mindestens drei Delfine umgebracht werden.»
Josef Hader in seinem Programm

Delfine lächeln nur so blöd, weil sie ein schiefes Gebiss haben. 
Wirklich? Sie können also nichts dafür. Das kann ich leider nicht verwenden, ich brauch ein paar Schuldige. Ausserdem ist es gut, wenn man nicht zu viel Informationen bekommt, sonst hat man gleich wieder ein schlechtes Gewissen. 

Josef Hader – «Vorurteile»

Ab Minute zwei geht Josef Hader auf die Delfine los.Video: YouTube/kunostudiotest

Du hast ja Geschichte studiert und dann abgebrochen, weil du es langweilig fandest ...
Nein, ich hab abgebrochen, weil ich Deutsch langweilig fand. Es war so ein Lehramtsstudium, also hab' ich irgendwann beschlossen, ich mach wirklich Kabarett mit voller Energie. Und wenn ich nach einem Jahr nirgendwo hingekommen bin, dann studier' ich mit voller Energie fertig. Ich wollte nicht beides so halb halb machen.

«Nicht aufstehen müssen, den ganzen Tag im Bett liegen bleiben, auf die Kopfpolster spucken und ins Bett scheissen. Das ist Freiheit ... Oder Altersheim.»
Josef Hader in seinem Programm

Du hast in einem anderen Interview mal den österreichischen Kulturphilosophen Egon Friedell erwähnt ... 
Ja, ein sehr geschätzter Geschichtslehrer von mir hat mal gesagt, dass Friedell völlig intuitiv, ohne dass er irgendwelche historische Recherchen betrieben hätte, als Erster den tiefen Einschnitt erkannt hätte, den die Pest im Mittelalter in die Gesellschaft, ins ganze Zusammenleben, gerissen hat. Man ist da früher nie draufgekommen, weil sich das in dieser reinen Herrschaftsgeschichte, die man damals betrieb, nie so abgebildet hat.

Mir gefällt Friedell auch, weil er so subjektiv an die Geschichte herantritt. Er urteilt lieber, als dass er ständig relativiert. Heute sind historische Bücher immer so angestrengt objektiv und damit leider auch meistens langweilig ...
Mir gefallen diese Bücher gut, die neue Theorien zum Verlauf des Ersten Weltkrieges aufgestellt haben ...

Meinst du «Die Schlafwandler» von Christopher Clark zum Beispiel?
Ja genau, solche Bücher, die die alleinige deutsche Schuld am ersten Weltkrieg in Frage stellen. Die Haltung, dass die Deutschen 1914 alleine für den Kriegsausbruch verantwortlich waren, ist erst nach dem Zweiten Weltkrieg ein Dogma geworden und entspricht nicht dem aktuellen Forschungsstand. Nach 1945 hatten die Deutschen begreiflicherweise ein so schlechtes Gewissen, dass sie gleich die alleinigen Bösewichter des ganzen 20. Jahrhunderts sein wollten. Die Sichtweise, dass man diese ganze Zeit jetzt wie einen grossen dreissigjährigen Krieg betrachtet, als ein zusammenhängendes Ereignis, gefällt mir nicht schlecht.

Josef Hader – «Humanismus»

Du spielst ja in deinem neuen Film Stefan Zweig ...
Ja, der war noch subjektiver als Friedell in seiner Geschichtsschreibung. Der hat wirklich erfunden. Aber schön erfunden, ich find' das gut. Der Stefan Zweig hat sogar bei seiner eigenen Biographie «Die Welt von Gestern» ein bisschen geflunkert. Zum Beispiel kann er den österreichischen Kaiser im Voralberg gar nicht getroffen haben. Das geht historisch nicht auf, wenn man sieht, wann er gereist ist und wann der Kaiser gereist ist. Die Daten sind um Wochen auseinander. Daran sieht man, dass der Stefan Zweig ganz subjektiv und mit dramatischer Kraft Dinge behauptet hat, die eine innere Wahrheit haben, aber nicht unbedingt immer eine äussere.

Schön, diese Verschmelzung von Literatur, Geschichte, Phantasie ...
Ich hab Zweig auch wahnsinnig gern gelesen. Als ich vierzehn Jahre alt war, lag bei uns «Marie Antoinette» herum, bei uns am Bauernhof. Ich weiss nicht warum, vielleicht hat es irgendein Sommergast herumliegen lassen. Ich hab's sofort verschlungen. Und da bin ich gleich süchtig geworden. 

Trailer – «Vor der Morgenröte»

Der Film läuft aktuell im Kino.Video: YouTube/KinoCheck

Kann man von Stefan Zweig etwas lernen für die heutige politische Situation?
Vielleicht kann man von ihm direkt nicht unbedingt etwas lernen. Aber von der Zeit, in der er gelebt hat, da können wir tatsächlich Einiges lernen. Wir haben aktuell eine von Umbrüchen gekennzeichnete Zeit, eine Zeit, die geprägt ist durch eine gewisse politische Radikalisierung. Ich möcht' jetzt nicht behaupten, es wär jetzt schon so schlimm mit uns wie damals. Aber man kann in Ansätzen beobachten, wie sich innerhalb von Gesellschaften schärfere Positionen entwickeln. Wenn ich da zum Beispiel an Österreich denke, wo sich abermals Lager gegenüberstehen, da kann es tatsächlich nicht schaden, die Autobiographie von Stefan Zweig herzunehmen – oder auch andere Bücher aus dieser Zeit –, um zu schauen, ob wir es nicht doch vermeiden könnten, wieder dieselben Fehler zu machen. 

Der Nationalismusgedanke ist ja auch wieder topaktuell ...
Ein neuer Weltkrieg muss nicht unbedingt so entstehen, dass irgendwelche Machtblöcke aufeinander losgehen. Ein neuer Weltkrieg kann auch dadurch ausbrechen, dass immer mehr unregierbare Länder auf der ganzen Welt existieren. So wie heute Syrien, der Irak oder Libyen. Man könnte eine Liste von Ländern in Afrika und im Nahen Osten machen. Dazu kommt, dass die Staaten in Europa, vielleicht sogar die USA, immer stärker von Populisten regiert werden, die sagen: «Uns interessiert nur unser Land. Es geht uns nichts mehr an, was in der Welt vor sich geht.» Dadurch kann rasch ein Zustand Platz greifen, in dem Kriege auf der ganzen Welt ausgetragen werden. Durch Regierungen, die nicht mehr zusammenarbeiten. Bei einer gleichzeitigen, riesigen Weltwirtschaftskrise können wir so in eine Situation getrieben werden, die eine ähnliche Katastrophe wie ein Weltkrieg bedeutet. Das lässt sich denken. 

Josef Hader – «Freiheit»

Stefan Zweig sagte mal: «Politische Meinungsäusserung hat nur dann einen Wert, wenn sie mit einer Gefahr für das eigene Leben verbunden ist.» Heute erwartet man von jedem Künstler oder jeder öffentlichen Person, dass sie politisch Stellung bezieht ...
Ich glaube, Zweig hat auf alle Fälle auch für die Gegenwart recht. Man sollte das als Künstler nicht inflationär tun. Wenn man sich politisch äussert, sollte man das sehr entschieden und punktuell machen, dann hat es auch mehr Wirkung. Bei den Künstlern, die das ständig machen, wirkt es manchmal ein bisschen wie ein sprachlicher Durchfall. Es ist auch immer seltsam, vor Versammlungen zu sprechen, wo man weiss, die sind eh einer Meinung. Ich lasse mich beklatschen für etwas, was alle Anwesenden für richtig halten. Das ist kein sehr nutzbringender Prozess, da würd' ich dem Stefan Zweig auch recht geben. 

Du magst ja auch dieses einfache, billige Kabarett nicht besonders, wo man einfach auf Politiker losgeht, verallgemeinernd einen Schuldigen präsentiert, der nicht da ist, wo sich die Leute in ihrem Denken bestätigt fühlen, lachen und sich schlau fühlen.
Genau. Sowas kann im Kabarett genauso passieren. Oder überhaupt in der Kunst. Ein Arthouse-Film, der mich nur in meinen Vorurteilen bestätigt, der mich in meiner Position als städtischer Liberaler so überhaupt nicht herausfordert, wär für mich ein klassisches Beispiel für uninteressante Kunst. Denn er sagt mir nur, dass ich eigentlich zu den Guten gehöre und dass die Bösen anderswo sind. Kunst muss einen herausfordern und verunsichern, nicht bekräftigen. 

«Vorurteile, das ist gelebte Erfahrung. Von anderen.»
Josef Hader in seinem Programm

Josef Hader – «Scheidung»

Du spielst auf der Bühne auch Figuren, die Vorurteile haben, die so stammtischartig über andere herziehen. Kommt die Inspiration für diese Rollen eher aus einer «Verachtung» für den Menschen heraus oder ist es eine menschenfreundliche Haltung? 
Ich glaube, als Allererstes kommt es aus der Lust heraus, eine Geschichte zu erzählen. Und für die Geschichte braucht man dann diese Menschen. Mit Verachtung hat es gar nichts zu tun, ich verstehe die Figuren. Wenn ich das nicht tun würde, könnte ich sie auch nicht gut schreiben. Das gilt für Kabarett, Romane, Filmdrehbücher, aber genauso für Schauspieler, die eine Rolle verkörpern: Man muss sich in diese Menschen hineinversetzen und ihren Standpunkt auch ein Stück weit verteidigen. Wenn ich mir das grosse Theater anschaue, Tschechow oder Shakespeare, da gibt's keinerlei Verachtung für die Figuren. Da versucht der Autor jeden zu verstehen, auch den übelsten Bösewicht. Denn auch der hat einen Standpunkt, den man als Zuschauer nachvollziehen kann. Da beginnt es für mich spannend zu werden. 

«Es ist oft enttäuschend im Leben; die Kinder, die Liebe, die Ehe, die Akropolis. Es ist oft etwas kleiner und dreckiger als im Prospekt.»
Josef Hader in seinem Programm
Hader spielt Hader
Am Samstag, 14.01.2017 spielt Hader im Volkshaus Basel. Beginn: 20:00
Hier geht's zu den Tickets.

Wenn du eine Autobiographie schreiben würdest, wie würde der Titel lauten? 
Ich würd' das nie machen. Und da ich keine schreiben werde, kann ich eigentlich Folgendes tun: Ich kann ein Buch herausgeben, das den Titel trägt: «Das geht euch alles nichts an». Und innen wär' jede Seite leer. 

Das ist eine feine Idee. Das liesse sich wahrscheinlich gut verkaufen ...
Ja, als Notizheft. 

«Was Humor ist, das hat wohl noch niemand zu erklären vermocht: Und ich glaube, schon der blosse Versuch, diesen Begriff näher bestimmen zu wollen, ist ein Beweis von Humorlosigkeit.» Ist nicht von mir, ist von Egon Friedell ...
Ich kann mit dem Begriff Humor auch nichts anfangen. Ich verwende ihn nie, für mich ist es ein nutzloser Begriff. Wenn er zum Beispiel für den österreichischen Humor verwendet wird, dann ist das so vergröbernd. Denn der westösterreichische Humor ist nicht derselbe wie im Vorarlberg, im Tirol oder in Wien. Und das kann man sicher auch über die Regionen in der Schweiz sagen. Ein schwieriger Begriff.

Wenn man Kontaktanzeigen liest und da steht ...
... humorvoll! Oje. Wer in einer Kontaktanzeige schreibt, er sei humorvoll, der ist es garantiert nicht. 

Hier die Gründe, warum Hader schon recht hat mit seiner Verachtung für Delfine:

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8 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Mulder
15.10.2016 21:44registriert Juli 2016
Gutes Interview, liebe Anna! Ich hätte es wahrscheinlich nicht gepackt, ich wäre vor Ehrfurcht und Nervosität zu Stein erstarrt! Hader ist neben Polt das Beste was deutsches Kabarett zu bieten hat.

Dafür bin ich aber etwas stolz, dass ich Haders Meinung über Delfine bereits vor dir kannte😁
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