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Islamischer Staat (IS)

Markus Lanz: Mike Messings Tochter ging zum IS, jetzt rechnet er mit ihr ab

Messing mit dem Journalisten Kabisch am Dienstagabend bei Lanz.
Messing mit dem Journalisten Kabisch am Dienstagabend bei Lanz.Bild: zdf-screenshot

«Sie hat uns das Leben versaut»: Seine Tochter ging zum «IS» – jetzt rechnet er mit ihr ab

02.10.2019, 07:0702.10.2019, 15:29
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Mike Messing hat seine Tochter verloren – und zwar an den sogenannten «Islamischen Staat» («IS»). 2015 ging Messings damals 15 Jahre alte Tochter Leonora zur Terrormiliz nach Syrien.

  • Die Bäckerstochter hatte sich unbemerkt von ihrer Familie zunächst zum Islam bekannt, radikalisiert und sich schliesslich der Terrorgruppe angeschlossen.
  • Wenige Monate zuvor gab Leonora Messing noch Schminktipps auf Youtube und tanzte im Karneval.

Messing war am Dienstagabend mit dem Autor Volkmar Kabisch bei Markus Lanz im ZDF zu Gast. Kabisch hat eine Reportage über den Fall gedreht. Kaum in Syrien wurde das Mädchen schon an einen deutschen Dschihadisten verheiratet.

Vater und Tochter Messing.
Vater und Tochter Messing. Bild: ndr-screenshot

In Deutschland hatte niemand etwas von ihrer Radikalisierung mitbekommen – am Tag von Leonoras Ausreise brach für ihren Vater die Welt zusammen. Heute sitzt die junge Frau in kurdischer Gefangenschaft. Die Generalbundesanwaltschaft ermittelt gegen Leonora und ihren Mann wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung.

Messing kann bis heute nicht verstehen, wie es Leonora gelang, sich klammheimlich so von ihrer Familie zu entfremden: «Wir wussten von einem eher oberflächlichen Interesse am Islam.» Er sagt bei Lanz: «Wir waren völlig ahnungslos – bis zur allerletzten Sekunde.»

Der Journalist Kabisch im Gespräch mit Leonora, die mittlerweile zwei Kinder hat.
Der Journalist Kabisch im Gespräch mit Leonora, die mittlerweile zwei Kinder hat. Bild: zdf-screenshot

Eine Woche nach ihrem Verschwinden erreichten Messing die ersten Nachrichten ihres nun Ehemanns: Nihad Abu Yasir, der eigentlich Martin Lemke heisst, und ein knapp halbes Jahr vor ihr zu der Terrororganisation nach Syrien ausgereist war.

Lemke soll im besonders brutalen Geheimdienst des sogenannten «Islamischen Staates» Karriere gemacht haben. Der Dschihadist telefonierte mit Messing, Leonora durfte nicht mehr mit ihrem Vater sprechen – über Whatsapp tauschten sie sich weiter aus. Eine psychische Tortur für die ganze Familie.

Immer wieder frage er sich, sagte Messing im ZDF, was er eigentlich bei seiner Tochter falsch gemacht habe. Für den Journalisten Kabisch ist klar, dass Leonora im Islam ein Zusammengehörigkeitsgefühl gefunden hat, das ihr in ihrer eigenen Familie gefehlt habe. Kabisch betont aber auch: Die Brutalität des «IS»-Regimes habe in den vergangenen Jahren sicherlich auch Leonora verstört.

Welchen Anteil Leonora selbst an den Gräueltaten des «IS» hat, ist ungewiss. Lanz fragte den Familienvater: «Wie gehen Sie damit um, dass Ihre Tochter nicht nur Opfer einer Ideologie geworden ist – sondern möglicherweise auch Täterin?»

Messing meinte: «Das ist uns vollkommen bewusst. Sie hat sich definitiv schuldig gemacht, nicht nur im Sinne des Gesetzes, sondern auch im Sinne gegenüber ihrer Familie.»

Leonoras Vater ist bitter geworden: «Sie hat uns – ich sag's mal auf Deutsch – das Leben versaut. Wir sind seit viereinhalb Jahren mit ihr, und auch für sie, durch die Hölle gegangen.»

Die Ermittlungen der Bundesanwaltschaft laufen weiter, die Mutter von zwei Kindern wird wohl eines Tages in Deutschland vor Gericht stehen. Für Messing ist klar: «Sollte es zu einer Haftstrafe kommen, kommen ihre Kinder zu uns. Das sind definitiv Opfer, die nichts dafür können, was Vater und Mutter da losgelassen haben.»

Der sogenannte «Islamische Staat»:
Die Terrormiliz kontrollierte bis Dezember 2017 Teile des Irak und bis März 2019 Teile Syriens. Die letzte «IS»-Bastion, die Stadt Baghus im Osten Syriens, wurde am 23. März für befreit erklärt – das Ende des selbst ernannten Kalifats der «IS»-Terrormiliz. Tausende «IS»-Kämpfer sind nach ihrer Aufgabe in Gefangenenlager gebracht worden, wo sie verhört werden.

Zum Höhepunkt ihrer Macht kontrollierten die sunnitischen Extremisten eine Region, die sich über weite Teile Syriens und des Iraks erstreckte. Die von den USA geführte Militärintervention gegen den «IS» begann Mitte Juni 2014. Auch heute verüben «IS»-Kämpfer immer wieder Terroranschläge im Nahen Osten, die Aktivitäten der Terrororganisation haben sich heute nach Afghanistan und auf den afrikanischen Kontinent verlagert.

Die Dokumentation über die Suche von Vater Messing nach seiner Tochter kannst du hier in der Mediathek der ARD ansehen.

(pb)

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Militante islamistische Gruppen
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Militante islamistische Gruppen
«Islamischer Staat»: Die aus dem irakischen Ableger der Al Kaida hervorgegangene Miliz ist derzeit trotz territorialer Verluste die gefährlichste islamistische Terrorgruppe.
quelle: ap/militant website / uncredited
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Jürgen Todenhöfer DAS IST KEIN ISLAMISCHER STAAT
Video: watson
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60 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Frances Ryder
02.10.2019 08:52registriert Januar 2018
Mich nervt immer diese Frage (welche übrigens ausschliesslich bei Frauen aufkommt, die sich dem IS angeschlossen haben), ob sie denn tatsächlich Täter geworden oder nur arme Opfer sind. Jegliche Unterstützung einer Terrororganisation macht dich zu einem Täter, man ist nicht Opfer, bis man dann jemanden tötet. Wer so eine Organisation finanziell unterstützt, ist ja auch kein Opfer, wieso soll man dann ein Opfer sein, wenn man tatsächlich dahin fährt und sich anschliesst.
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Wasmanvonhieraussehenkann
02.10.2019 10:25registriert August 2019
Unglaublich traurig. Was für ein Horror für die Eltern.
Die Tochter wird die 3. Ehefrau von so einem IS-Schlächter und setzt auch noch 2 Kinder in diese Welt. Die tun mir eigentlich am meisten Leid.
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Zwiebelsosä
02.10.2019 14:09registriert September 2019
Nach der Lanz-Sendung habe ich mir die Doku angeschaut. Es ist unglaublich, was der Vater durchgemacht hat in den 4 Jahren. Eine Abrechnung ist das hier nicht. Er redet einfach Klartext. 4 Jahre psychische Hölle (und es ist ja noch nicht vorbei) versauen einem definitiv das Leben.
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