Nach dem zweiten Vulkanausbruch innerhalb von vier Wochen schaut Island erneut gebannt auf die Lage im evakuierten Ort Grindavík. Es ist die fünfte Eruption im Südwesten der Insel seit 2021, doch das erste Mal, dass seither das Lava Grindavík erreicht hat. Mehrere Häuser wurden bereits von einem Lavastrom erfasst und zerstört, nachdem das flüssige Gestein am Sonntagmorgen aus dem Boden getreten war.
Die Nacht auf Montag verlief aber ruhig. Das teilte die isländische Zivilschutzbehörde laut dem Fernsehsender RÚV am Montagmorgen mit. Demnach ist aus der Erdspalte, die dem evakuierten Küstenort Grindavík am nächsten liegt, seit Stunden keine Lava mehr ausgetreten. Auf dem Livestream des Senders war zu sehen, dass aus der weiter nördlich liegenden Erdspalte weiterhin Lava sprudelte. Der Geophysiker Magnús Tumi Guðmundsson sagte dem Fernsehsender, es sei derzeit noch nicht möglich abzuschätzen, wie sich der Vulkanausbruch weiter entwickeln werde.
«Heute ist ein schwarzer Tag für Grindavík und heute ist ein schwarzer Tag für ganz Island. Aber die Sonne wird wieder aufgehen», sagte Ministerpräsidentin Katrín Jakobsdóttir nach Angaben des isländischen Rundfunksenders RÚV am Sonntagabend auf einem Pressebriefing des Zivilschutzes. «Zusammen werden wir diesen Schock und alles, was kommen mag, bewältigen.» Zivilschutzchef Vídir Reynisson sprach demnach davon, dass die Ereignisse vom Sonntag noch lange in Erinnerung bleiben würden und man vermutlich erst den Beginn einer Kette solcher Ereignisse sehe.
Islands Präsident Gudni Th. Jóhannesson rief seine Landsleute in einer abendlichen Rede an die Nation auf, den Bewohnern von Grindavík beizustehen und sie zu unterstützen. «Wir Isländer tun das gemeinsam. Wir werden nicht aufgeben», wurde er von RÚV zitiert.
Der 4000-Einwohner-Ort Grindavík war bereits in der Nacht zum Sonntag evakuiert worden, als sich die erneute Eruption auf der Reykjanes-Halbinsel südwestlich von Reykjavik mit einer abermaligen Erdbebenserie angekündigt hatte. Um 7.57 Uhr (Ortszeit) am Morgen begann der Ausbruch schliesslich, als erste Lava aus einem länglichen Erdspalt einige Hundert Meter nördlich von Grindavík sprudelte.
Bereits wenige Stunden danach hatte sich ein regelrechtes Lavameer in dem Gebiet gebildet, das glutrot in der Morgendämmerung leuchtete. Die Wetterbehörde Vedurstofa teilte am Sonntagabend mit, dass der Erdriss rund 900 Meter lang sei.
Bereits diese Lava kam Grindavík bedrohlich nahe. In den Mittagsstunden öffnete sich die Erde jedoch noch an einem anderen Ort – und zwar in einem gut 100 Meter langen Riss unmittelbar am nördlichen Stadtrand des Ortes. Von dort zog sich die Lava talabwärts, ehe sie mindestens drei Häuser in Brand setzte oder unter sich begrub. Da der Ort evakuiert war, bestand keine Gefahr für Menschenleben – wohl aber für das Hab und Gut der betroffenen Bewohner.
Grindavík liegt rund 40 Kilometer südwestlich von Reykjavik. Der Ort war schon beim letzten Ausbruch Mitte Dezember in Mitleidenschaft gezogen worden – allerdings nicht durch die Lava, sondern durch etliche Erdbeben, die die Eruption angekündigt hatten. Die Beben hatten tiefe Risse in Strassen und andere Schäden verursacht. Auch diesmal hatte die Wetterbehörde vor der Eruption eine intensive Erdbebenserie verzeichnet.
Zuletzt war es in dem Gebiet am späten Abend des 18. Dezembers zu einem Ausbruch gekommen, als Lava zunächst aus einer zunächst mehrere Kilometer langen Erdspalte sprudelte. Die Eruption nahm aber innerhalb weniger Tage deutlich an Intensität ab. Bereits vor Weihnachten war keine flüssige Lava mehr an der Erdoberfläche sichtbar. Die Bewohner von Grindavík konnten die Feiertage letztlich in ihren eigenen vier Wänden verbringen – jedoch mit der steten Unsicherheit, weil die Erde unter ihnen nicht zur Ruhe gekommen war. (saw/sda/dpa)