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Israel vor UN-Gericht: Völkermord-Vorwurf haltlos und absurd

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Tal Becker (2-R), Rechtsberater des israelischen Aussenministeriums, sitzt vor der Anhörung der Völkermordklage gegen Israel vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag, Niederlande.Bild: keystone

Israel vor UN-Gericht: Völkermord-Vorwurf haltlos und absurd

Israel hat vor dem Internationalen Gerichtshof den Vorwurf des Völkermords im Gaza-Krieg entschieden zurückgewiesen. Das war der zweite Prozesstag.
12.01.2024, 11:3112.01.2024, 16:19
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Die von Südafrika erhobenen Vorhaltungen seien haltlos und absurd, sagte der Rechtsberater des israelischen Aussenministeriums, Tal Becker, am Freitag in Den Haag. Die Opfer des Gazakrieges und das Leiden der Zivilbevölkerung gingen allein auf das Konto der Terrororganisation Hamas.

«Israel ist im Krieg mit Hamas, aber nicht mit dem palästinensischen Volk.»

Becker rechtfertigte die Angriffe im Gazastreifen mit dem Recht Israels auf Selbstverteidigung nach dem Angriff der Hamas und anderer Extremisten am 7. Oktober vergangenen Jahres. Becker schilderte die Massaker, bei denen rund 1200 Menschen getötet und etwa 250 aus Israel entführt worden waren, von denen bislang etwa die Hälfte wieder freigelassen wurde.

Becker kündigte an, dass sie unzensiertes Videomaterial von der Hamas-Attacke am 7. Oktober zeigen werden. Er betonte:

«Es ist unmöglich, den bewaffneten Konflikt in Gaza zu verstehen, ohne die Art der Bedrohung, mit der Israel konfrontiert ist, und die Brutalität und Gesetzlosigkeit der Streitkräfte, die ihr gegenüberstehen, zu verstehen.»

Er warf Südafrika vor, den 7. Oktober in ihrer Darstellung komplett vernachlässigt zu haben. Was Israel in Gaza tue, tue es zu seinem eigenen Schutz:

«Israel will kein Volk zerstören, sondern ein Volk schützen. Sein eigenes.»

Kritik an Südafrika

Nach Tal Becker erhielt Malcom Shaw das Wort. Er ist Professor für internationales Recht und war der nächste Rechtsvertreter Israels. Auch er betonte, dass der Krieg gegen Gaza im Kontext der Hamas-Attacke vom 7. Oktober betrachtet werden müsse.

British jurist Malcolm Shaw, right, looks on during a hearing at the International Court of Justice in The Hague, Netherlands, Friday, Jan. 12, 2024. The United Nations' top court opened hearings ...
Der britische Anwalt Malcom Shaw.Bild: keystone

Dann kritisierte er Südafrika dafür, dass sie diese Angelegenheit angegangen seien, als gäbe es «einen laufenden Streit» mit Israel. So hätten sie unter anderem behauptet, dass sie versucht hätten, mit Israel Kontakt aufzunehmen und einen Dialog zu eröffnen. Shaw widersprach dieser Aussage. Israel habe versucht, mit Südafrika bilaterale Gespräche zu eröffnen, stattdessen hätte Südafrika den Fall vor den internationalen Gerichtshof gebracht. Wäre Südafrika auf das Angebot eingegangen, so hätte es möglicherweise keinen Streit gegeben, der vor Gericht hätte ausgetragen werden müssen.

Dann kehrte er zum Vorwurf des Genozids zurück und betonte, dass Israels robustes und unabhängiges Rechtssystem die Angelegenheit zu gegebener Zeit behandeln werde, falls israelische Streitkräfte gegen die Regeln des Konflikts sollten verstossen haben. Weiter warf er ein, dass mögliche Verstösse einzelner Soldaten nicht unbedingt die Politik des Staates widerspiegeln würden.

Der Ablauf des Prozesses

Es ist das erste Mal, dass sich Israel vor dem höchsten UN-Gericht einem Völkermord-Vorwurf stellen muss. Südafrika hatte die Klage am 29. Dezember unter Berufung auf die Völkermord-Konvention eingereicht, die auch Israel unterzeichnet hat. Die militärische Gewalt ziele auf eine absichtliche Zerstörung des Lebens der Palästinenser, erklärte Südafrika.

Am 11. und am 12. Januar fanden Anhörungen vor den 15 Richterinnen und Richtern unterschiedlicher Nationalitäten im Weltgerichtshof statt. Dazu sind noch je ein Richter von Israel und von Südafrika gestossen.

Das Gericht, das Konflikte zwischen Staaten klären soll, befasste sich zunächst mit einem Eilantrag Südafrikas, dass die Richter ein Ende des Militäreinsatzes anordnen sollen. Eine Entscheidung über diesen Antrag wird in wenigen Wochen erwartet. Sollte das Gericht beschliessen, eine einstweilige Massnahme zu ergreifen, wäre Israel dazu verpflichtet, seinen Angriff auf Gaza zu beenden. Damit würde dem Land das Recht auf Selbstverteidigung genommen. Das Gericht hat allerdings keine Befugnis, das Urteil durchzusetzen.

Bis das endgültige Urteil feststeht, dürften noch Jahre vergehen.

(saw/sda/dpa)

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144 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Roli_G
12.01.2024 13:09registriert Januar 2021
Das Recht auf Selbstverteidigung kann unmöglich jede denkbare Reaktion rechtfertigen. Ist ja auch bein normalen Bürger so.

Ob hier ein Völkermord vorliegt kann, will und muss ich zum Glück nicht beurteilen.
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arty the pug
12.01.2024 11:59registriert November 2019
Ich denke Verhältnismässigkeit ist wichtig. Ist es verhältnimässig eine Region mit 2 Mio Einwohner zu zerbomben um 20‘000 zu eliminieren?
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H. L.
12.01.2024 12:40registriert März 2018
Was haben das Aushungern und das Vorenthalten medizinischer Hilfe mit Recht auf Selbstverteidigung zu tun?
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