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Sonderbericht des Weltklimarates: Die 5 Folgen des Klimawandels

Sonderbericht des Weltklimarates: Die 5 Folgen des Klimawandels

Die Gletscher werden bis Ende des Jahrhunderts grösstenteils verschwinden, was im Sommer zu grosser Trockenheit führen wird. Das ist eine Erkenntnis aus dem Sonderbericht des Weltklimarats, der gestern vorgestellt worden ist.
26.09.2019, 05:44
Bruno Knellwolf / ch media
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epa07770649 A child walks along the shore of the lagoon in Funafuti, Tuvalu, 13 August 2019. The 50th Pacific Islands Forum and Related Meetings, fostering cooperation between governments comprising 1 ...
Ein Kind spaziert an der Küste von Funafuti, einer Tuvalu-Insel. Wird der Meeresspiegel-Anstieg nicht gestoppt sind diese Inseln dem Untergang geweihtBild: EPA

Viel Land an den Meeresküsten wird untergehen. Denn der Meeresspiegel wird deutlich höher ansteigen als bisher erwartet. Das ist eines der Resultate des dritten Sonderberichts des Weltklimarats IPCC, der sich diesmal mit den Ozeanen und der Kryosphäre befasst. Zur Kryosphäre gehören die Erdteile mit Schnee, Gletschern und Permafrost. Vom Landverlust durch den steigenden Meeresspiegel sind weltweit 700 Millionen Menschen betroffen.

«Bis 2050 sogar eine Milliarde»

sagt Nicolas Gruber, Professor für Umweltphysik an der ETH Zürich und einer der 104 Autoren des aktuellen IPCC-Sonderberichts, der gestern in Bern und zeitgleich in Monaco vorgestellt worden ist.

Vierfünftel der Erde gehören zu den im Sonderbericht untersuchten Gebieten. Die Erde wird zu Zweidritteln von Meeren bedeckt und zu einem Achtel von Eis, Schnee und Permafrost. Ozeane und Kryosphäre sind kein lebloser Raum und stark betroffen vom Klimawandel. Sie erfüllen wichtige «Dienste» für Mutter Erde. Die Ozeane nehmen 90 Prozent der Wärme auf, regulieren also die Erdtemperatur. Zudem absorbieren die Meere 25 Prozent der menschgemachten CO2-Emissionen. Gletscher regulieren den Wasserhaushalt, der Permafrost hält das Gebirge zusammen.

Erschreckend grosser Einfluss der schmelzenden Pole

Doch die Ozeane leiden unter der Erderwärmung, sie versauern und der Meeresspiegel steigt, weil der Ozean Wärme aufnimmt und sich wärmeres Wasser ausdehnt. Das allein hat man schon vor diesem Sonderbericht gewusst. Doch nun haben die Forscher auch berechnet, welchen Einfluss die schmelzenden Pole auf den Meeresspiegel haben. Erschreckend viel. «Das Abschmelzen des Eises in Grönland und der Antarktis führt zu einer signifikanten Erhöhung des Meeresspiegels bis zum Ende des Jahrhunderts», sagt Nicolas Gruber. Dabei geht es um etwa zehn Zentimeter zusätzlicher Erhöhung zum ohnehin durch die Meereserwärmung erwarteten Anstieg.

«Das tönt im ersten Moment nicht nach wahnsinnig viel, hat aber riesige Auswirkungen.» Ist der Meeresspiegel im 20. Jahrhundert um 15 Zentimeter angestiegen, soll er bis Ende Jahrhundert an einigen Orten bis zu 1.10 Meter steigen, wenn keine Klimaschutzmassnahmen ausgeführt werden. Im Durchschnitt steigt der globale Meeresspiegel dann um 84 Zentimeter. Mit Klimaschutzmassnahmen und damit einer Erderwärmung von 2 Grad Celsius sind es «nur» 43 Zentimeter.

Häufigere Extremereignisse

Langsame Meeresspiegel-Erhöhungen, die zu überschwemmten Gebieten führen, sind das eine. «Mehr zu schaffen machen werden den Menschen aber die Extremereignisse», sagt IPCC-Autor Thomas Frölicher, Klimatologe an der Universität Bern. Zum Problem werden Sturmfluten, tropische Wirbelstürme und die Veränderungen der Meereszirkulation. «Extremereignisse, wie sie jetzt nur alle 100 Jahre vorkommen, werden Ende des Jahrhunderts jährlich eintreten», sagt Frölicher. «Das wird grossen Einfluss auf die vielen Megacitys an den Meeresküsten haben und auf tiefliegende Inseln.»

Weltweite Migrationsbewegungen

Wenn weite Landteile unbewohnbar werden, müssen die Menschen wegziehen. Das kann zu globalen Migrationsbewegungen führen. Andere werden sich mit technischen und baulichen Massnahmen gegen den Anstieg wehren. Es werden Wälle gebaut und Land wird aufgeschüttet. Möglich sind aber auch sanftere Massnahmen wie Bepflanzungen.

Eine Möglichkeit ist das Anpflanzen von Mangrovenwäldern an den Meeresküsten. Die Mangroven wachsen sehr schnell und binden dabei auch noch viel Kohlenstoff. Die Mangroven wachsen mit dem Meeresspiegel mit und der Wald bleibt somit ein Schutz vor Sturmfluten auch bei steigendem Wasser: «Eine ’Living Wall’, die im Unterschied zu einer ’Hard Wall’, mitwächst», erklärt Gruber. Städte müssen so gebaut werden, dass sie durch Überschwemmungen nicht zerstört werden. Daran hat man zum Beispiel in Hamburg schon gedacht und dementsprechend gebaut. Die Stadt kann überflutet werden, ohne dass dabei riesige Schäden entstehen.

Häufigere Hitzewellen an Land und im Wasser

Häufigere Hitzewellen sind eine Folge des Klimawandels. Eine neuere Erkenntnis ist, dass solche Hitzewellen auch in den Meeren vorkommen. Marine Hitzewellen wurden erstmals im Jahr 2003 entdeckt und treten in allen Ozeanen auf. Sie werden bei weiterhin grossen Treibhausgas-Emissionen bis Ende Jahrhundert 50 Mal häufiger. Allein schon die normale Temperaturerhöhung des Meerwassers belastet das Ökosystem der Meere, die Hitzewellen sind ein zusätzliches Problem.

«Fast alle marinen Organismen sind gefährdet», sagt Frölicher. Gemäss dem Sonderbericht werden die Korallenriffe noch mehr leiden als bisher angenommen. Vor allem die Hitzewellen haben den Korallen zugesetzt. Die Verletzlichkeit des gesamten Ökosystems in den Ozeanen hat sich deutlich erhöht. Einige wenige Ökosysteme profitieren von der Erwärmung mit einer höheren Artenvielfalt, im Gesamten ergibt sich aber ein Verlust an Meeresbiodiversität.

«In den Tropen werden es die Fische zu heiss haben und nach Norden in kühlere Gewässer ausweichen»

sagt Frölicher. Insgesamt wird der Fischbestand gemäss dem IPCC-Sonderbericht zurückgehen. Zwar sind das offene Meer und die Pole weit weg von der Schweiz. Doch deren Zustand hat für alle Bedeutung. «Für die Nahrungsmittelproduktion und die Transportwege für die Schifffahrt», sagt Gruber. Wie auch für die Energieversorgung und nicht zuletzt für Tourismus, Erholung und Gesundheit.

Blick auf den Aletschgletscher von der Moosfluh aus, auf der Riederalp im Wallis, am Dienstag 11. Juli 2017. (KEYSTONE/Dominic Steinmann)
Auch der Aletschgletscher im Wallis schwindet.Bild: KEYSTONE

Fehlendes Gletscherwasser

«In allen Regionen gehen die Gletscher stark zurück. Zwischen 2006 und 2015 haben sie einen halben Meter Dicke pro Jahr verloren», sagt Andreas Fischlin von der ETH Zürich, einer der fünf am Sonderbericht beteiligten Schweizer IPCC-Autoren. «Und die Schneedecken schmelzen um 13.4 Prozent pro Jahrzehnt.» Nicht genug: Die Temperaturen des Permafrosts, des «ewigen» Eises im Boden, sind auf Rekordhöhe. Betroffen davon werden nicht nur die 670 Millionen Bergbewohner sein.

Denn die Kombination von Gletscherrückgang und auftauendem Permafrost ist fatal. Fischlin zeigt den Grindelwaldgletscher, für den ein Entlastungsstollen gebaut werden musste, damit das Gletscherwasser abgeleitet werden kann und keinen See bildet. Das Hauptproblem des Gletscherschwindens ist die veränderte Wasserverfügbarkeit. Der Jahreswasserabfluss im Gebirge setzt sich aus Grund-, Regen, Schnee- und Gletscherwasser zusammen. Das Gletscherwasser liefert im Sommer Wasser, wenn es kaum regnet und der Schnee geschmolzen ist. Fehlt in Zukunft, so wie es der IPCC-Sonderbericht voraussagt, das Gletscherwasser, werden die Flüsse und Bäche im Sommer austrocknen.

Gemäss dem Sonderbericht des Weltklimarats werden die Gletscher weltweit im Vergleich zu 2015 bis 2080 etwa die Hälfte ihrer Masse verlieren, wenn kein Klimaschutz erfolgt. Dann werden mehr als 80 Prozent aller Gletscher verschwinden. Mit ambitioniertem Klimaschutz werden es 22 bis 44 Prozent sein, was immer noch genug ist.

Für kleine Gletscher besteht mit und ohne Klimaschutz keine Chance, was man am letzten Wochenende bei der Beerdigung des Pizol-Gletschers gesehen hat. Besonders betroffen sind die Gletscher in den Alpen, dem Kaukasus und tropische Gletscher.

Anpassungen im Gebirge sind nötig

Fischlin spricht über Anpassungsmöglichkeiten mit Risikokarten, welche den Klimawandel einbeziehen und auf die Raumplanung Einfluss haben, von Schutzwäldern und Hangstabilisierungen und Frühwarnsystemen, welche die wachsenden Gefahren im Gebirge mindern können.

Das Eis schmilzt nicht nur in den Bergen, sondern auch auf Grönland und in der Antarktis, wie Konrad Steffen von der Forschungsanstalt WSL erklärt.

«Das Meereis in der nördlichen Hemisphäre nimmt deutlich ab.»

Im Sommer wird das Meereis rund um den Nordpol verschwinden, neue Schifffahrtswege gehen auf. Die Eislast, die den Boden von Grönland niederdrückt, wird weniger, das Land wird sich nach oben bewegen. (mim/aargauerzeitung.ch)

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24 Kommentare
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Gipfeligeist
26.09.2019 08:45registriert Januar 2016
Ich frage mich, wie man täglich in diesem Umfeld forschen kann, ohne vollständig in Depressionen zu fallen. Ich bedanke mich ganz herzlich bei allen Umweltwissenschaftlern & IPCC Autoren für ihre aufrichtige Arbeit.
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D_M_C
26.09.2019 08:50registriert September 2018
Klimaschutz lässt sich mit diesen Erkenntnissen sogar rein egoistisch und rein ökonomisch begründen.
Die Alpen, also die Schweiz! sind stark von der Klimakrise betroffen. Es wird also zu vielen teuren Schäden kommen. Viel teurer als Klimaschutz es je sein könnte.

Bitte wacht auf in Bern!
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coheed
26.09.2019 08:34registriert November 2017
Die SVP kämpft mit allen Mitteln gegen die Klimabewegung, dabei wäre diese in ihrem Interesse. Man merkt, dass es der SVP gar nicht so richtig um die Schweiz geht.
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