Der 38-Jährige, der am Dienstag in der Redaktion des «Capital Gazette» ein Massaker anrichtete, war auf einem persönlichen Rachefeldzug, die Ermordung von fünf Redaktionsmitarbeitern der traurige Höhepunkt eines jahrelangen Streits gegen die Zeitung.
Soweit bekannt, hat die Tat keinerlei politische Hintergründe. Nichts deutet darauf hin, dass die Tat des Mannes gesteuert war von anderen Motiven als Verzweiflung, Sorge um seinen Ruf und seine Ehre. Schiessereien und Amokläufe sind Teil dieses Landes, seit die ersten europäischen Auswanderer Fuss auf dem Kontinent fassten. Auch sind Angriffe auf die Pressefreiheit keine Erfindung des aktuellen Präsidenten. Der Patriot Act von George W. Bush beschnitt 2001 die Rechte und Freiheiten der Journalisten in nie gesehenem Ausmass, und auch unter Obama wurden Dokumente von Journalisten sichergestellt und Whistleblower verfolgt.
Donald Trump hingegen geht einen Schritt weiter. Sein Kampf gegen die Presse ist persönlich motiviert, ihn interessieren nicht Abwägungen zwischen der Sicherheit des Landes und der öffentlichen Berichterstattung. Sein Gradmesser ist derjenige des totalen Opportunisten: Nützt es mir, oder schadet es mir. Die Presse, zumindest die liberale, so hat Trump für sich entschieden, schadet ihm.
Trump bezeichnete die Medien deshalb als «Enemy of the People», Feinde des Volks. Seine Anhänger wüten unablässig gegen die Fake News der Presse. Der rechte Agitator Milo Yiannopolous, Trump-Fan durch und durch, sagte vor drei Tagen, er könne es nicht erwarten, dass Journalisten niedergeschossen werden. Rhetorische Giftpfeile, die seit Trumps Wahlkampf auf das Land niederhageln.
Yiannopolous ruderte wenig später zurück, seine Aussage sei ein «Witz» gewesen. Die meisten Trump-Unterstützer lesen nach wie vor Zeitung oder schauen News im Fernsehen. Und Trump selber würde sich lautstark dagegen verwehren, seine Aussage als Kriegserklärung verstanden zu wissen. Zurecht, er hat ja nicht explizit zur Gewalt gegen Journalisten aufgerufen.
Aber wer behauptet, dass Worte keine Wirkung haben, der stellt sich entweder dumm, oder er verfolgt eine Agenda. Trump verschiebt mit seiner Wortwahl und seiner permanenten Dämonisierung der Presse nicht nur die Grenze des Sagbaren, er bereitet auch den Boden für ein Klima des Misstrauens und Hasses gegenüber eines ganzen Berufsstands.
Das bekommen nun diejenigen zu spüren, deren Aufgabe es ist, Transparenz herzustellen, Missstände aufzudecken, und Menschen, auch und vor allem solche mit Einfluss und Macht, vor den Kopf zu stossen: die Journalisten.
Trumps Rufe werden gehört. Der überwiegende Teil der Bevölkerung kann sie als das identifizieren, was sie zu sein vorgeben: Wahlkampfgetöse, rhetorische Ablenkungsmanöver, populistisches Gezeter. Aber es wird auch andere geben. Solche, die angestachelt werden von den auf Twitter, Social Media und obskuren Radiosendern hereintröpfelnden Botschaften des Hasses. Und die sich schlussendlich vielleicht sogar dazu verleiten lassen, physische Gewalt anzuwenden.
Dass es zu einer solchen Tat kommen konnte, daran ist nicht Trump Schuld. Er hat die Tat aufs Schärfste verurteilt und den Angehörigen sein Beileid ausgesprochen. Aber er hat dazu beigetragen, ein Klima zu schaffen, in dem eine solche Tat nicht mehr als unwahrscheinlich und realitätsfremd gilt, sondern als fast schon erwartbar.